Willy Brandt: "Dieser 3. Juni 1972 ist ein wichtiger Tag. Das Berlin-Abkommen der vier Mächte ist unterzeichnet worden, das heißt, das Schlussprotokoll ist unterzeichnet worden, das Abkommen selbst in Kraft getreten. Die Verträge mit der Sowjetunion und der Volksrepublik Polen sind in Kraft getreten, nachdem die Ratifizierungsurkunden ausgetauscht wurden. Der sowjetische Außenminister ist zum ersten Mal nach Bonn gekommen, auch der polnische Vizeaußenminister ist unser Gast."
Der 3. Juni 1972 besiegelte den größten politischen Erfolg der sozial-liberalen Koalition unter Bundeskanzler Willy Brandt. Dem diplomatischen Hochbetrieb, der an diesem Tag in Berlin und Bonn herrschte, lag ein politisches Tauschgeschäft zugrunde, das nur durch engste Terminplanung zu bewerkstelligen war: Ohne ein sowjetisches Entgegenkommen bei der Behandlung West-Berlins, so hatte Brandts außenpolitischer Chefunterhändler Egon Bahr in Moskau deutlich gemacht, würde es keine Anerkennung der polnischen Westgrenze und der DDR durch die Bundesrepublik geben; ohne Ratifizierung der entsprechenden Verträge mit Polen und der UdSSR, darauf hatte der Kreml bestanden, keine Erleichterungen für West-Berlin.
Dieses doppelte Junktim zwischen Ostverträgen und Berlin-Regelung erwies sich als Königsweg der Entspannungspolitik. Dazu war es freilich nötig gewesen, die USA ins Boot zu bekommen. Egon Bahr gelang es, Henry Kissinger, den Sicherheitsberater von Präsident Nixon, für Geheimverhandlungen mit den Russen über die heikle Berlin-Frage zu gewinnen:
Bahr: "Die allerspannendste Zeit war das Viermächteabkommen über Berlin. Da haben wir direkt, zwischen einem Amerikaner, einem Sowjetmenschen und mir verhandelt, hinter dem Rücken der Auswärtigen Ämter, hinter dem Rücken der Franzosen, der Engländer und natürlich auch dem der DDR, und haben Vertrauen geschaffen und das Abkommen konstruiert und durchverhandelt - das war das Aufregendste."
Die Sowjetunion machte bemerkenswerte Zugeständnisse: Sie garantierte den ungehinderten Transit zwischen der Bundesrepublik und Berlin und akzeptierte die auswärtige Vertretung West-Berlins durch die Bundesregierung. Berlin-Krisen gehörten damit der Vergangenheit an.
Das im September 1971 unterzeichnete Viermächteabkommen über Berlin widerlegte den gefährlichsten Vorwurf der deutschen Opposition: Der Zusammenhalt des westlichen Bündnisses wurde durch die deutsche Ostpolitik offenkundig nicht gefährdet. Vielmehr besaßen die westlichen Verbündeten selbst ein Interesse an einer Entspannung mit der Sowjetunion. Die US-Regierung betrachtete das Berlin-Abkommen als gelungenen Test für die weitere Entspannung, wie Henry Kissinger betonte:
"Wir sehen die Wirksamkeit, Haltbarkeit und genaueste Befolgung des Viermächteabkommens als einen entscheidenden Test für den Prozess der Entspannung an."
Der Rückenwind aus Washington, wo man nun Mut zu weiteren Abkommen mit den Russen fasste, rettete die Entspannungspolitik der sozial-liberalen Koalition: Diese hatte wegen der Ostpolitik ihre parlamentarische Mehrheit verloren. CDU und CSU sahen in der faktischen Anerkennung der polnischen Westgrenze und der DDR einseitige und übermäßige Vorleistungen für die vage Hoffnung auf Entspannung. Doch Egon Bahrs Berlin-Schachzug setzte die Union matt: Ein Scheitern der Ostverträge hätte die Bundesrepublik vom Motor zur Bremse der internationalen Entspannung gemacht, ein Makel, mit dem sich die CDU schwerlich belasten wollte.
Hinzu kam, dass die zuvor bloß erhofften menschlichen Erleichterungen durch das Berlin-Abkommen praktisch erlebbar wurden: An Ostern und Pfingsten 1972 öffnete Ostberlin im Vorgriff auf die noch nicht geltende Berlin-Regelung die Grenze für die Westberliner. Über eine Million Menschen konnten an diesen Tagen erstmals seit sechs Jahren wieder in den Osten reisen. Nicht nur Berliner waren von den praktischen Vorteilen der Brandtschen Ostpolitik beeindruckt, wie dieser pragmatische Rheinländer am Bahnhof Zoo deutlich machte:
""Was meinen Sie zu dieser Sonderregelung?"
"Ja, die ist gut. Die Ostverträge sollen sie man ruhig unterschreiben, da kann man eh nichts mehr dran ändern."
Ihre innen- und außenpolitische Isolierung fürchtend ließ die Union die Verträge mit Polen und der Sowjetunion im Bundestag passieren. Um ihr Gesicht zu wahren, setzte sie eine Parlamentsresolution durch, die die deutschen Rechtsvorbehalte betonte. Die Ostverträge konnten jedoch seit dem 3. Juni 1972 nicht mehr infrage gestellt werden.
Der 3. Juni 1972 besiegelte den größten politischen Erfolg der sozial-liberalen Koalition unter Bundeskanzler Willy Brandt. Dem diplomatischen Hochbetrieb, der an diesem Tag in Berlin und Bonn herrschte, lag ein politisches Tauschgeschäft zugrunde, das nur durch engste Terminplanung zu bewerkstelligen war: Ohne ein sowjetisches Entgegenkommen bei der Behandlung West-Berlins, so hatte Brandts außenpolitischer Chefunterhändler Egon Bahr in Moskau deutlich gemacht, würde es keine Anerkennung der polnischen Westgrenze und der DDR durch die Bundesrepublik geben; ohne Ratifizierung der entsprechenden Verträge mit Polen und der UdSSR, darauf hatte der Kreml bestanden, keine Erleichterungen für West-Berlin.
Dieses doppelte Junktim zwischen Ostverträgen und Berlin-Regelung erwies sich als Königsweg der Entspannungspolitik. Dazu war es freilich nötig gewesen, die USA ins Boot zu bekommen. Egon Bahr gelang es, Henry Kissinger, den Sicherheitsberater von Präsident Nixon, für Geheimverhandlungen mit den Russen über die heikle Berlin-Frage zu gewinnen:
Bahr: "Die allerspannendste Zeit war das Viermächteabkommen über Berlin. Da haben wir direkt, zwischen einem Amerikaner, einem Sowjetmenschen und mir verhandelt, hinter dem Rücken der Auswärtigen Ämter, hinter dem Rücken der Franzosen, der Engländer und natürlich auch dem der DDR, und haben Vertrauen geschaffen und das Abkommen konstruiert und durchverhandelt - das war das Aufregendste."
Die Sowjetunion machte bemerkenswerte Zugeständnisse: Sie garantierte den ungehinderten Transit zwischen der Bundesrepublik und Berlin und akzeptierte die auswärtige Vertretung West-Berlins durch die Bundesregierung. Berlin-Krisen gehörten damit der Vergangenheit an.
Das im September 1971 unterzeichnete Viermächteabkommen über Berlin widerlegte den gefährlichsten Vorwurf der deutschen Opposition: Der Zusammenhalt des westlichen Bündnisses wurde durch die deutsche Ostpolitik offenkundig nicht gefährdet. Vielmehr besaßen die westlichen Verbündeten selbst ein Interesse an einer Entspannung mit der Sowjetunion. Die US-Regierung betrachtete das Berlin-Abkommen als gelungenen Test für die weitere Entspannung, wie Henry Kissinger betonte:
"Wir sehen die Wirksamkeit, Haltbarkeit und genaueste Befolgung des Viermächteabkommens als einen entscheidenden Test für den Prozess der Entspannung an."
Der Rückenwind aus Washington, wo man nun Mut zu weiteren Abkommen mit den Russen fasste, rettete die Entspannungspolitik der sozial-liberalen Koalition: Diese hatte wegen der Ostpolitik ihre parlamentarische Mehrheit verloren. CDU und CSU sahen in der faktischen Anerkennung der polnischen Westgrenze und der DDR einseitige und übermäßige Vorleistungen für die vage Hoffnung auf Entspannung. Doch Egon Bahrs Berlin-Schachzug setzte die Union matt: Ein Scheitern der Ostverträge hätte die Bundesrepublik vom Motor zur Bremse der internationalen Entspannung gemacht, ein Makel, mit dem sich die CDU schwerlich belasten wollte.
Hinzu kam, dass die zuvor bloß erhofften menschlichen Erleichterungen durch das Berlin-Abkommen praktisch erlebbar wurden: An Ostern und Pfingsten 1972 öffnete Ostberlin im Vorgriff auf die noch nicht geltende Berlin-Regelung die Grenze für die Westberliner. Über eine Million Menschen konnten an diesen Tagen erstmals seit sechs Jahren wieder in den Osten reisen. Nicht nur Berliner waren von den praktischen Vorteilen der Brandtschen Ostpolitik beeindruckt, wie dieser pragmatische Rheinländer am Bahnhof Zoo deutlich machte:
""Was meinen Sie zu dieser Sonderregelung?"
"Ja, die ist gut. Die Ostverträge sollen sie man ruhig unterschreiben, da kann man eh nichts mehr dran ändern."
Ihre innen- und außenpolitische Isolierung fürchtend ließ die Union die Verträge mit Polen und der Sowjetunion im Bundestag passieren. Um ihr Gesicht zu wahren, setzte sie eine Parlamentsresolution durch, die die deutschen Rechtsvorbehalte betonte. Die Ostverträge konnten jedoch seit dem 3. Juni 1972 nicht mehr infrage gestellt werden.