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Polnische Landwirtschaft

Bei den Beitrittsverhandlungen zwischen der Europäischen Union und Polen stellt der Bereich Landwirtschaft eines der schwierigsten noch zu lösenden Probleme dar. Die EU erwartet von Polen und den anderen osteuropäischen Beitrittskandidaten eine Anpassung ihres Agrarsektors an die EU-Standards. Vor allem für Polen bedeutet dies eine völlige Umstrukturierung des ländlichen Raums; denn in Polen gibt es zu viele und zu kleine Agrarbetriebe, die mit den europäischen Standards keinesfalls mithalten können.

von Bernd Musch-Borowska |
    Über 18 Millionen Hektar Landwirtschaftsfläche gibt es in Polen, das heißt etwa 59 % der Landesfläche werden landwirtschaftlich genutzt. Das künftige EU-Land Polen steht damit an dritter Stelle hinter Frankreich und Spanien. Fast 2 Millionen Bauernhöfe gab es 1998, mit einer durchschnittlichen Größe von unter 10 Hektar, vergleichbar mit den privaten Agrarbetrieben in Griechenland und Portugal. Allerdings sind die besonders kleinen Betriebe in der Überzahl, mehr als die Hälfte aller Bauernhöfe in Polen haben weniger als 5 Hektar. Zwar ist der Anteil der Beschäftigten im Bereich der Landwirtschaft in den vergangenen Jahren beständig zurückgegangen, doch sind noch immer mehr als ein Viertel aller Arbeitnehmer in Polen im Agrarbereich tätig. Dabei sind Familienangehörige auf privaten Bauernhöfen gar nicht mitgerechnet. Die Polen sehen in der aktuellen BSE-Diskussion in Europa eine Chance für eine andere EU-Agrarpolitik, denn gerade die kleinen polnischen Betriebe seien eine Voraussetzung dafür, dass die Gefahr von Krankheiten wie die Rinderseuche BSE in Polen geringer ist, als in den Ländern mit Großbetrieben und Massentierhaltung. Der Staatssekretär im polnischen Landwirtschaftsministerium Robert Gmyrek:

    "Am wichtigsten ist, dass es in der polnischen Tierzüchtung keine Tradition intensiver Produktion gibt. Hier gilt eher extensive Produktion auf kleineren Bauernhöfen, es hat nie Massentierhaltung gegeben. Die Verwendung von Tiermehl als Futter ist ist eine Randerscheinung. Aber selbst wenn es eine Randerscheinung ist, kann es sie geben, deshalb müssen wir auf alle möglichen damit verbundenen Situationen vorbereitet sein."

    In Polen ist bislang noch kein BSE-Fall bekannt geworden. Allerdings werden auch nur auffällig gewordene Rinder getestet. Auch wenn die polnische Agrarproduktion weitgehend den Anforderungen an eine ökologische Landwirtschaft entspricht, könnte Polen wohl kaum zu einem bedeutenden Exportland für Rindfleisch werden, denn es gibt zu wenig, in Polen werden vor allem Milchkühe gehalten. Im Bereich der Milchproduktion steht Polen mit 12 Millionen Tonnen hinter Deutschland, Frankreich und Großbritannien an vierter Stelle in Europa, beim Rindfleisch an achter Stelle. Der geringe Anteil der Fleischproduktion ist in den vergangenen Jahren nochmal zurückgegangen, vor allem wegen des allgemeinen Nachfragerückgangs infolge der BSE-Diskussion in Europa. Der stellvertretende polnische Landwirtschaftsminister Jerzy Plewa:

    "Wir haben darüber gesprochen, dass es gut wäre, diese Chance zu nutzen, für polnische Lebensmittel zu werben, sie auf den ausländischen Märkten zu verkaufen. Eine solche Chance gibt es jetzt beim Rindfleisch. Polen ist ein Rindfleischexporteur, denn wir verbrauchen nicht sehr viel Rindfleisch."

    Polen will bis Ende 2002 die Agrarstandards der Europäischen Union erfüllen und verbindet große Hoffnungen mit einem Umschwenken der EU-Agrarpolitik. Wir wollen in Polen vermeiden, sagte Jerzy Plewa, dass bei uns die gleichen Fehler gemacht werden, wie in der Europäischen Union. Gleichzeitig betrachten die Polen die Entwicklung in der EU mit Skepsis, denn es gibt wenig Anzeichen dafür, dass es in der EU tatsächlich zu einer Änderung der Landwirtschaftspolitik kommt. Bislang gebe es nur Absichtserklärungen, sagt Jerzy Plewa, aber noch keine wirklichen Schritte.