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Pop-Star aus Dresden

Ende der neunziger Jahre wurde Eberhard Havekost von der Kunstkritik plötzlich zum neuen Superstar der ostdeutschen Malereiszene erkoren. Zunächst malte er unbelebte Hausfassaden, steinerne Reihenbalkons, vernebelte Frontscheiben von Autos. Dann wandte er sich Modegesichtern zu. Überall jedoch schlägt dasselbe Prinzip hindurch, dass der Blick an der Oberfläche abprallt.

Von Carsten Probst |
    Ende der neunziger Jahre, als Eberhard Havekost zusammen mit Neo Rauch und Thomas Scheibitz von der Kunstkritik so plötzlich zum neuen Superstar der ostdeutschen Malereiszene erkoren wurde, schien es fast, als ob sich seine Bilder vor den Blicken der Öffentlichkeit verbergen wollten. Während sich der Leipziger Neo Rauch immer mehr im farbstrotzend-historisierenden Malerduktus gefällt und Scheibitz seine Bilder immer stärker zu Objekten werden lässt, die dem Betrachter mehr wie Skulpturen im Raum entgegenkommen, verschanzte sich der scheue Dresdener Havekost regelrecht hinter undurchdringlichen Oberflächen: Zunächst malte er unbelebte Hausfassaden, steinerne Reihenbalkons, vernebelte Frontscheiben von Autos. Alles bei höchster malerischer Präzision mit einem immer leicht verzerrten Sfumato-Effekt, der seinen Gemälden noch heute etwas leicht Flirrendes verleiht, als sei gerade nur ein laufender Film angehalten worden, als sei das Gemälde keine statische Bildfläche mehr, sondern ein flüchtiger Punkt, der gleich darauf wieder im allgemeinen Bildnirvana verschwinden könnte. Im Vergleich mit seinen anderen beiden Malerkumpanen neigt Havekost eher zur Untertreibung, ihm geht es nicht darum, die Renaissance der Malerei mitzumachen, die nun eine zeitlang so en vogue war auf dem Kunstmarkt, und seine Gemälde, so sagt er, möchte er zunächst auch gar nicht als Malerei betrachtet wissen, sondern neutral, Bilder eben, Bilder wie alle anderen Bilder.

    Mittlerweile hat er seine Themenpalette bemerkenswert erweitert. Nach den Fassaden der Häuser und den unzugänglichen Autokarossen kamen ihm mehr und mehr Modegesichter in den Blick, auch sie Fassaden, und immerhin rückte nun der Körper in den Mittelpunkt. Es folgten flüchtige Alltagsszenen, die wie fotografische Schnappschüsse wirken, schließlich Ruinen oder Müllhalden und Ausschnitte aus Stadtlandschaften. Überall jedoch schlägt dasselbe Prinzip hindurch, dass der Blick an der Oberfläche abprallt und hehre metaphysische Sinnkonstruktionen wenig Chancen haben. Havekosts Malerei scheint der Malerei ein für allemal das Verweisende, Belehrende auszutreiben. Mancher nannte sie deshalb schon auch beliebig.

    Sein Ausgangsmaterial sind meist die fotografierten Allerweltsbilder aus den Medien oder aus den privaten Dilettantenarchiven. Havekost scannt diese Fotografien in seinen Computer und unterzieht sie dort einer digitalen Bearbeitung, wählt entweder abseitige Ausschnitte, verzerrt die Proportionen, spielt mit Negativ-Positiv-Effekten und all den anderen Verfremdungen, die Photoshop so einfach möglich macht. Das Produkt dieser Prozedur überträgt er dann in Großformat auf Leinwand. Als gebürtiger Dresdner kann einer mit einem solchen Verfahren dem ständigen Vergleich mit Gerhard Richters Fotorealismus kaum entgehen. Doch neben der digitalen Verfremdung seines Ausgangsmaterial unterscheidet sich Havekost vor allem durch seinen intellektuellen Ansatz, der ungleich kühler, weniger pathosgetränkt und auch weniger unmittelbar autobiographisch motiviert erscheint als derjenige Richters. Wer genau hinsieht, stellt fest, dass es Havekosts malerische Meisterschaft ist, die gemalten Oberflächen durch seine zurückhaltende Farbverwendung ein wenig aufzulösen, sie gewissermaßen diaphan werden zu lassen. Für Havekost werden aus flüchtigen, verzerrten Momentaufnahmen so "Denk-Räume", die auf winzigste, oft nur unbewußt erlebte Augenblicke zielen. Das Nichtwahrgenommene des Alltäglichen dringt so subtil stofflich über die psychologische Hintertür doch in das Bewußtsein ein. Seine Malerei erzeugt auf diese Weise ein Hintergrundleuchten, das den Betrachter nach und nach in einen unbekannten Raum hinter den Bildern zieht.

    Die Verwendung elektronischer Medienbilder in der Malerei ist dabei alles andere als eine ungewöhnliche Methode. Viele dieser Ansätze sind schon jetzt von ihrer Zeit eingeholt worden. Havekosts Werk aber überzeugt immer wieder auch durch seine handwerkliche Meisterschaft, den höchst kalkulierten Farbauftrag und die geniale Ergänzung seiner Bildprogramme, die er selbst für diese Ausstellung im Kunstmuseum Wolfsburg kombiniert und gehängt hat. Entstanden sich großformatige Bildräume, in denen zugleich alles zu fließen und doch wieder zu stocken scheint. Der Blick muss sich seine Räume selbst suchen. Die Malerei hat bei Havekost ihre Zuständigkeit für das Sehen an den Betrachter zurückgegeben. Rücksichtslos .