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Portrait Hans-Ulrich Bach

Zeitzeuge Hans-Ulrich Bach, damals 23 Jahre alt, erinnert sich an das Kriegsende in Berlin:

Von Britta Mersch | 09.04.2005
    "Man war die letzten Wochen, wie kamst du nach Hause, kannst du deine Eltern wiedersehen und alles. Da war man derart angespannt, das war wie ein Stahlkorsett, die Frage an sich selbst, hast Du Angst oder so, das war so ein Zwischending zwischen schnurz und eiserne Härte gegen sich selbst, aber das ging vielen so, nicht nur mir. Und so ist man über die Runden gekommen. Ja und am 2. Mai, halb zwei sagten die Russen, schossen in die Luft und sagten, Krieg zu Ende, ja, für dich auch, da bin ich nach Hause gegangen. So einfach ist das."

    Hans-Ulrich Bach war 23, als er in Berlin das Ende des 2. Weltkrieges erlebte. Nach dem Krieg hatte er nur ein Ziel: Er wollte zurück an die Uni, die Technische Universität Berlin. Dort hatte er bereits 1939 ein Maschinenbau-Studium aufgenommen, musste es aber unterbrechen, als er zur Wehrmacht eingezogen wurde. Drei Tage nach Kriegsende fuhr Hans-Ulrich Bach mit dem Fahrrad, das er kurz zuvor einem Russen geklaut hatte, nach Berlin-Charlottenburg. Er hoffte, dort zumindest noch Teile seiner Universität zu finden.

    "Ich bin also zur Uni gefahren und da seh ich, wie die Russen die Personalakten rausnehmen wollten und so hab ich den Kontakt wieder zur Technischen Hochschule gewonnen und hab mich erkundigt, ob hier noch irgendwas mit Rektorat ist und da traf ich diesen Professor Schnabel und der sagte mir, dass er jetzt bemüht sei, die Hochschule wieder aufzubauen, und so hab ich den Kontakt gehalten, nicht."

    Was sich den Professoren und Studierenden in Berlin-Charlottenburg bot, war ein Bild der Verwüstung. Die Hörsäle waren zerstört, Tische, Bänke und Tafeln lagen in Trümmern und Unterrichtsmaterial gab es keins mehr. Die Studenten von 1945 standen buchstäblich vor dem Nichts – und waren gezwungen, den Wiederaufbau der Universitäten selbst zu organisieren. Offizielle Ansprechpartner hatten sie nicht, und oft waren sie auf den Schwarzmarkt oder auf persönliche Kontakte angewiesen.

    "Ich hatte Verbindungen zur Charité, das ist heute das größte Krankenhaus in Berlin, Röntgenabteilung, kleines Mädchen natürlich, wie sollte man sonst Verbindungen kriegen und über diese Verbindung haben wir Röntgenaufnahmen gekriegt, tonnenweise und dann saßen wir draußen in der Sonne und haben diese Röntgenplattenfilme abgewaschen und haben mit Hilfe dieser Platten uns überhaupt erst mal Fenster gebaut, so dass da Licht rein kam in die Läden, das heißt also, wir waren veranlasst, als Fensterbauer aufzutreten. Handwerker gabs ja nicht, das mussten wir alles selber machen und so ging das mit den Vorlesungen los. Die Professoren waren nicht in der Lage, das zu machen, da musste wirklich der Schub von unten kommen, aber die ließen sich tragen und gingen mit."

    Möglich wurde dieser Einsatz durch einen unbändigen Bildungshunger, der die Studierenden nach dem 2. Weltkrieg antrieb. Sie bauten nicht nur die Hochschulgebäude wieder auf, sondern kümmerten sich auch um die soziale Versorgung der Kommilitonen. Dazu gehörte die Verpflegung von Lehrpersonal und Studierenden, die Gründung einer Krankenversicherung und der Aufbau einer Arbeitsvermittlung für Studenten. TUSMA hieß sie und das stand für "TU-Studenten machen alles". Pragmatismus war Programm.

    "Durch die furchtbaren Ereignisse, die hinter uns lagen, gab es den Blick zurück nicht. Wir guckten nur nach vorne. Und das galt für meine Kollegen genauso. Das war anders, absolut anders. Ich hab auch nie jemanden klagen gehört, mir geht’s schlecht oder so. Trotz dieses Anfangs in Ruinen, anders kann ich es wirklich nicht bezeichnen, und dem steten Wiederaufbau, die Technische Hochschule ist ja über 20 Jahre lang eine Baustelle gewesen, haben wir, ich möchte sagen nach 1,5 Jahren wieder ein richtiges Studium gehabt, was richtig ordnungsgemäß verlief nach.

    Das Studium war dennoch nur unter schwierigen Bedingungen möglich. Viele Studierende lebten in Notunterkünften, etwa in Luftschutzbunkern ohne Fenster. Die Vorlesungen verfolgten sie im Stehen, im Winter sogar in unbeheizten Hörsälen. Und für das Studium mussten sie im Jahr 150 Mark bezahlen – ohne das Geld wäre der Lehrbetrieb gar nicht möglich gewesen. 1951, sechs Jahre nach Ende des 2. Weltkriegs, hatte Hans-Ulrich Bach dann schließlich sein Examen in der Tasche, mit der Note befriedigend. Doch auf die Note kam es damals eigentlich gar nicht an.

    "Leistung war, wenn man nach sieben Jahren das erste Mal mit gepumpten Geld in den Urlaub fuhr, aber in der sicheren Erwartung, wenn du jetzt deine erste Stelle hast, dann kannst du in sechs Wochen das Geld wieder zurückzahlen, auf Mark und Pfennig.