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Portugal
Energiewende stockt in der Wirtschaftskrise

Mit massiven Fördermaßnahmen der damals regierenden Sozialisten startete Portugal seine Energiewende und stieg in die Riege der größten Windenergieproduzenten auf. Doch in der Krise setzte die konservative Regierung den Rotstift an - mit sichtbaren Folgen.

Von Tilo Wagner | 09.04.2014
    Windräder stehen Windräder auf einem Hügel bei Valenca do Minho in Nord-Portugal.
    Windräder bei Valenca do Minho in Nord-Portugal (dpa / Uwe Gerig)
    Ricardo Luís steht in der Nähe der portugiesischen Küstenstadt Peniche unter einem Windrad. Rund 60 Meter über ihm bewegen sich die Rotorblätter im frischen Atlantikwind. Der Ingenieur arbeitet in dem ehemaligen portugiesischen Staatsbetrieb EDP, der vor über zwei Jahren an einen chinesischen Energieriesen verkauft wurde. In Portugal wird Ricardo Luís so schnell keine neuen Windparks mehr bauen. Seine chinesischen Chefs schicken ihn deshalb zu anderen Projekten in Europa:
    "Wir bauen gerade neue Windparks auf. In Frankreich, in Polen oder in Rumänien, wo eine Anlage mit 40 Windrädern entsteht. Dort wollen die Chinesen jetzt investiert. Nur eben nicht in Portugal. Hier werden keine Windparks mehr gebaut."
    Als Ricardo Luís vor acht Jahren sich auf den Bau von Windkraftanlagen spezialisierte, erlebte Portugal den Beginn seiner Energiewende. Die damalige sozialistische Regierung lockte mit lukrativen Einspeisepreisen sowie Steuererleichterungen und investierte über den damaligen Staatsbetrieb EDP in den Ausbau von Wind- und Wasserkraft. Diese Investition hat sich ausgezahlt: Im vergangenen Jahr erzeugte Portugal 58 Prozent der konsumierten Elektrizität aus erneuerbaren Energiequellen. Doch die Energiewende ist unter der neuen konservativen Regierung zum Stillstand gekommen. Das sagt Francisco Ferreira von Portugals einflussreichster Umweltorganisation "Quercus":
    "Sowohl bei den großen Produzenten von erneuerbarer Energie als auch in den privaten Haushalten passiert so gut wie nichts mehr. Wir sind von einer Boomphase in eine tiefe Krise gerutscht. Natürlich musste die Energiewende wegen der schweren Staatsschuldenkrise und den wirtschaftlichen Problemen ins Stocken kommen. Aber einen derartigen Einbruch hätten wir nicht erwartet. Der Boom war vielleicht übertrieben und diese Krise ist es jetzt auch. Wir brauchen einen Mittelweg."
    Kritiker wie Francisco Ferreira werfen der seit Juni 2011 regierenden Mitte-Rechts-Koalition vor, die Energiewende nur deshalb nicht weiterzuführen, weil sie die Visitenkarte der vorherigen sozialistischen Regierung gewesen sei.
    "Es ist ein politisches Problem. Diese Regierung will sich von den Vorgängern inhaltlich abgrenzen. Und das Opfer ist die Energiewende. Die Regierung blockiert den Ausbau der erneuerbaren Energie. Neue Projekte bekommen fast keine Lizenzen und die Regierung weigert sich, neue Verträge zu schließen, die eine Einspeisevergütung garantieren."
    Unter dem Politikwechsel leiden nicht nur Energieunternehmen, sondern auch die privaten Haushalte. Staatliche Fördermaßnahmen wurden gestrichen, und die Mehrwertsteuer, die beim Kauf von Solaranlagen anfällt, ist sogar von 13 auf 23 Prozent angestiegen. Angesichts eines derartig düsteren Umfeldes hat die Umweltorganisation "Quercus" ihre Forderungen an die Regierung auf ein Minimum zurückgefahren.
    "Die Regierung macht, was sie will. Sie streicht alle Steuervorteile für private Haushalte, obwohl wir eigentlich gerade bei der Förderung von Solar betriebenen Warmwasseranlagen das Gegenteil bräuchten. Wir fordern deshalb vor allem eins: Zumindest soll die Regierung endlich die Rahmenbedingungen schaffen, damit private Haushalte ihren Solarstrom für den eigenen Gebrauch ins Netz speisen dürfen."
    Francisco Ferreira hofft, dass so, zumindest die Portugiesen wieder mehr in alternative Energien investieren. Denn trotz idealen klimatischen Bedingungen mit teilweise bis zu 300 Sonnentagen im Jahr ist Portugal von einem flächendeckenden Ausbau privat genutzter Solarzellen weit entfernt.