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Postapokalypse auf Acid

Pünktlich zur im Mayakalender verzeichneten Apokalypse kommt mit Benh Zeitlins Debüt-Film "Beast of the Southern Wild" einer der interessantesten Filme des Jahres ins Kino: Eine biblisch angehauchte, bildgewaltige, postapokalyptische Story.

Von Rüdiger Suchsland |
    Es regnet und regnet. Nein, eigentlich gießt es wie aus Fässern - eine Sintflut, die die Erde, genauer gesagt das, was hier von ihr übrig ist, in eine Schlammgrube verwandelt. Die Menschen, die fliehen können, machen sich davon mit ihrem wenigen Hab und Gut, das oft genug in einer Plastiktüte Platz hat oder einem schmuddligen Rucksack. Auch die Tiere fliehen. Wer dableibt, Mensch wie Tier, ist den Elementen willkürlich ausgesetzt, und rückt zusammen. Der Wasserspiegel steigt sekündlich, der Sturm ist da und reißt den Menschen die Mützen vom Kopf. Schon zuvor hat es unheildräuend Warnsignale gegeben, merkwürdige Zeichen, und eine Explosion in der Küche in deren Folge ein Feuer das Heim von Hushpuppy in Flammen aufgehen ließ - Hushpuppy so heißt die seltsame Hauptfigur dieses überaus seltsamen Films.

    Weltende, keine Frage. Pünktlich zum Tag, der im Mayakalender verzeichneten Apokalypse kommt dieser Film ins Kino, der ein bisschen wie eine Trashversion der Geschichten von Sodom und Gomorrah, von der Sintflut und der Arche Noah auf der Mensch und Tier sich versöhnen, wirkt. Biblisch, aber auf Acid.

    Dies ist, ohne Frage, einer der interessantesten Filme des Jahres. Ungewöhnlich, irritierend, verstörend. Sehr merkwürdig.

    "Beasts of the Southern Wild" handelt von einem Kind: Hushpuppy, die Hauptfigur und Erzählerin dieses Films, ist ein siebenjähriges farbiges Mädchen, das allein mit seinem Vater in einem riesigen illegalen Obdachlosen-Slum lebt, einer Siedlung im Delta des Mississippi von Louisiana.

    Dies ist eine Welt für sich - ein irdisches Paradies, aber auch eine Hölle auf Erden.

    Die Menschen hier leben in Müll, den sie zusammengesammelt haben, und überaus kreativ verwenden. Ein bisschen sieht das so aus, wie in jenen "postapokalyptischen" Spielfilmen, die, ob sie nun "Mad Max" heißen oder "Waterworld", von Menschen erzählen, die nach dem Zusammenbruch der Zivilisation, in deren Überresten überleben.

    Mit großen Kinderaugen blickt Hushpuppy in ihre Welt, die sie sich mit intuitivem Wissen um deren harte Tatsachen, mit viel Fantasie und zugleich kindlicher Naivität zu einem magischen Kosmos ordnet, einem märchenhaften Raum, in dem Tiere sprechen können, Objekte beseelt sind, in dem alles mit allem verbunden ist, und einen höheren Sinn hat, aber auch dem sicheren Untergang geweiht ist.

    "Im Universum hängt alles mit allem zusammen. Geht etwas kaputt, selbst das allerkleinste Teil, geht auch das ganze Universum kaputt."

    Hushpuppy beobachtet mit einer Weisheit, wie sie nur Kinder haben können. Sie zeigt uns ihre Welt, die sich von der Eiszeit und den Höhlenmenschen bis in die ferne Zukunft erstreckt, die mythisch aufgeladen ist, und wo man riesigen Auerochsen begegnet, den Biestern des Titels.

    Dies ist also fraglos einer der interessantesten Filme des Jahres. Aber ist es auch ein wirklich guter Film?

    Man kann all dies bezaubernd finden, man wird aber auch zugeben müssen, dass man sich hier an einem Elend ergötzt, das reichlich pittoresk, und in allem Ekel, allen seinen abstoßenden Zügen überaus idyllisch gezeichnet ist. Das Glück der Armen.

    "Beast of the Southern Wild" zeigt Underdogs, White Trash und arme Schwarze, an deren Lage sich auch im Obama-Amerika nichts zum Besseren geändert hat, der Film bietet eine Verarbeitung der Katrina-Hurrikan-Katastrophe und lässt sich sicher auch als ein Fanal verstehen, das uns die Folgen eines möglichen Klimawandels konkret vor Augen führt.

    Zugleich aber ist dem Film an Analyse, an Innehalten nicht gelegen. Indem er aus niedlichster Kinderperspektive erzählt, und seine Bilder mit permanenter Musiksoße übergießt, arbeitet er selbst an einer Wiederverzauberung der Welt.

    Der sogenannte "magische Realismus" ist nämlich, wenn man etwas genauer hinblickt, und sein Denken nicht ausschaltet, weder magisch, noch real. Er verlangt Unterwerfung, die Bereitschaft, sich einlullen zu lassen und verzaubert werden zu wollen.

    Es bleibt das Staunen über diese Welt, die Bilder voller Fantastik erzeugt, die man, ob sie nun gefunden sind oder gemacht, so noch nie gesehen hat.

    Es bleibt der Respekt vor einem Debüt-Film, den ohne Frage einen Hauch von Exploitation durchzieht, von berechnendem Ausstellen seiner Menschen und ihres Elends, von konsumierbarer Zubereitung des schwer Erträglichen, und der dann doch eine Faszination ausstrahlt, der man sich nicht leicht entziehen kann, und der - nicht zuletzt - Bilder zeigt, die man so schnell nicht wieder vergisst.