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Prämierter Geheimnisverrat

Aus Sicht der USA verriet er "Staatsgeheimnisse", sein vorläufiges Asyl in Russland löste schwere Spannungen im amerikanisch-russischen Verhältnis aus: In Abwesenheit wurde Edward Snowden gestern in Berlin der "Whistleblower Preis 2013 verliehen".

Von Verena Kemna | 31.08.2013
    Es ist ein feierlicher Akt im großen Saal der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Alle der über dreihundert Sitzplätze sind besetzt, nur ein Stuhl bleibt frei, symbolischer Platzhalter für den nicht anwesenden Preisträger Edward Snowden. Der weilt derzeit in Russland, nur dort wurde ihm Asyl gewährt. Bei einer Reise nach Deutschland würde der ehemalige Geheimdienstmitarbeiter seine Verhaftung und die Auslieferung an die USA riskieren. Dort wird er wegen Geheimdienstverrats gesucht, in Berlin erhält er für seine Taten einen Preis.

    "Der Whistleblower Preis 2013 der International Association of Lawyers against Nuclear Arms Deutschland, der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler und von Transparency International Deutschland, geht an Edward Jacob Snowden. "

    In der Begründung der Jury heißt es, dass Edward Snowden als Mitarbeiter der National Security Agency NSA die massenhafte und verdachtsunabhängige Ausforschung und Speicherung von Daten durch US und andere westliche Geheimdienste öffentlich gemacht hat und somit die Kriterien der gemeinsamen Jury erfüllt. Edward Snowden hat selbstlos und aus Überzeugung gehandelt, das zeichnet einen wahren Whistleblower aus, meint der IALANA Vorsitzende Otto Jäckel. Edda Müller, Vorsitzende von Transparency International Deutschland betont in ihrer Rede, wie sehr die Bekämpfung von Korruption auf Whistleblower angewiesen sei. Edward Snowden habe eine längst überfällige Diskussion über die ethischen Grundlagen des gesellschaftlichen Zusammenlebens angestoßen.

    "Edward Snowden hat schon heute viel bewegt. Sein Mut und seine Zivilcourage sollten uns Verpflichtung sein, für die notwendigen politischen Reformen zu sorgen, damit sein Opfer nicht vergeblich war. "

    In den USA laufen derzeit mehrere Anklagen gegen Whistleblower. Annegret Falter ist Mitglied der Jury für den Whistleblower Preis und ehemalige Geschäftsführerin der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler. Sie interpretiert das so.

    "'Es scheint eine gigantische Einschüchterungskampagne zu laufen, denn, soviel kann man sagen, dass der Snowden kein Spion ist, der irgendeiner fremden Nation helfen oder zuarbeiten wollte, das steht fest."

    Sie zweifelt nicht an der Integrität des Preisträgers und hat die sogenannte Berliner Erklärung der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler als eine der Ersten unterschrieben. Die Unterzeichner sehen die Grundlagen eines freiheitlichen liberalen Demokratieverständnisses bedroht, von Apokalypse-Blindheit ist gar die Rede. Bedroht ist derzeit auch der Alltag des US-Amerikaners Glenn Greenwald, dem Snowden die brisanten Dokumente in Hongkong übergeben hat. Er veröffentlicht regelmäßig ausgewählte Informationen im Guardian. Seitdem muss er ständig den Wohnsitz wechseln. Derzeit lebt Greenwald irgendwo in Rio de Janeiro. Er hat eine Videobotschaft nach Berlin geschickt. Daraus geht hervor, dass Snowden genau gewusst haben muss, was auf ihn zukommt.

    "Er verkörpert Whistleblowing der reinsten und nobelsten Art. Es gibt zwei Aspekte beim Whistleblowing. Einmal geht es um das Aufdecken von schwerwiegendem Fehlverhalten seitens mächtiger Organisationen. Zweitens ist das Aufdecken mit hohem persönlichem Risiko verbunden. Snowden verkörpert beide Aspekte in der reinsten Form."

    Auch der Journalist Jacob Appelbaum ist von der Persönlichkeit des 30-jährigen Snowden beeindruckt. Er forscht in Sachen Computersicherheit, Datenschutz und Privatsphäre sowie Anonymität im Netz und ist an diesem Abend einer der wenigen im Saal, die den Preisträger persönlich kennen. So hat er überprüft, ob Snowdens Informationen authentisch sind. Sein persönliches Urteil:
    "Mister Snowden erfüllt als Persönlichkeit hohe moralische Ansprüche. Er versteht nicht nur die technischen, wissenschaftlichen und rechtlichen Aspekte, sondern auch die politische Dimension dessen, was gerade passiert. Er weiß sehr genau weshalb das, was er getan hat, von so großem öffentlichen Interesse ist. "

    Jacob Appelbaum hofft, dass Deutschland den Preisträger Snowden unterstützen wird. Schließlich sei Whistleblowing ein mutiger Akt.