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Präsidentschaftskandidat François Fillon
"Man hat nicht mit ihm gerechnet"

Bei der Vorwahl um die Präsidentschaftskandidatur der französischen Konservativen hat François Fillon deutlich gewonnen. Dabei habe sicher auch das Alter des Ex-Premierministers eine Rolle gespielt, sagte der Journalist Gérard Foussier im DLF. Fillon sei zehn Jahre jünger als sein Gegner Alain Juppé und für diesen Job brauche man "jemanden, der anpackt".

Gérard Foussier im Gespräch mit Dirk Müller | 28.11.2016
    François Fillon freut sich über seinen Sieg bei der Vorwahl.
    Der frühere Premierminister François Fillon ist Spitzenkandidat der französischen Konservativen für die Präsidentschaftswahl im Mai 2017. (picture alliance / dpa / MAXPPP)
    Fillon habe eine Art, die überrasche, betonte der Herausgeber der Zeitschrift "Dokumente/Documents" im Interview mit dem Deutschlandfunk. Obwohl er schon seit vielen Jahren im Geschäft sei, als Premierminister und mehrmals als Minister, habe man nicht mit ihm gerechnet.
    Nun werde sich zeigen, ob seine Argumente auch beim ganzen Wählervolk ankommen, so Foussier. Bei den Vorwahlen hätten wahrscheinlich überwiegend ältere Menschen gewählt und man wisse nicht, wie die Jüngeren sich bei den Präsidentschaftswahlen verhalten werden.
    "Fillon ist nicht ganz unbekannt"
    Foussier hob hervor, dass bei den Vorwahlen auch 15 Prozent der Wähler von der linken Seite gekommen seien. Bei den Sozialisten räumte Foussier dem jetzigen französischen Premierminister Manuel Valls große Chancen ein, Gegenkandidat von François Fillon zu werden.
    Ex-Premierminister Fillon hatte sich gestern zum Sieger bei der Präsidentschaftsvorwahl der französischen Konservativen erklärt. Nach Auszählung fast aller Stimmzettel kommt er auf rund 66 Prozent. Sein Gegner Alain Juppé räumte bereits seine Niederlage ein. Damit hat Fillon gute Chancen, im Frühjahr in den Élysée-Palast einzuziehen.

    Das Interview in voller Länge:
    Dirk Müller: Francois Fillon gewinnt also die Vorwahlen bei den Konservativen in Frankreich, bei den Republikanern. Der französische Journalist und Publizist Gérard Foussier ist jetzt bei uns am Telefon, Chefredakteur der Zeitschrift "Documents". Guten Morgen!
    Gérard Foussier: Guten Morgen!
    Müller: Herr Foussier, hat der Bessere gewonnen?
    Foussier: Der Bessere? Ja, sicherlich der Bessere. Bei so einem Ergebnis, in etwa ein Drittel zwei Drittel, muss es schon eine Richtigkeit geben. Es wird sich aber zeigen, ob die Argumente, die vorgetragen worden sind, vor allem jetzt in den letzten zwei Wochen - älter ist das nicht; vor drei Wochen war Juppé immer noch der Favorit -, da wird sich zeigen, ob das auch bei dem ganzen Wählervolk ankommt. Da gibt es schon erste Umfragen, aber da würde ich im Moment bei der Skepsis gegenüber von Demoskopen erst mal sehr vorsichtig vorgehen.
    "Man ahnt, dass eigentlich nur die älteren Leute gewählt haben"
    Müller: Sie wollen das jetzt oder können das noch nicht klar beantworten, ob er jetzt wirklich der Bessere ist, derjenige, der auch die größten Aussichten hat.
    Foussier: Wir wissen noch gar nicht, wer gestern alles gewählt hat. Ich habe die ersten Zahlen heute Morgen gesehen. 15 Prozent der Wähler bei diesen Vorwahlen für die Rechten und für die Wähler der Mitte, 15 Prozent kamen von der linken Seite. Das ist schon mal ein bisschen komisch, dass die Leute, die auch im April und Mai nächsten Jahres nicht für die Konservativen abstimmen werden, doch bereit sind, noch zwei Euro zu bezahlen, um für einen Kandidaten der bürgerlichen Parteien zu stimmen.
    Man weiß ja auch nicht, man ahnt ja eigentlich nur, dass eigentlich nur die älteren Leute gewählt haben, nicht die jüngeren. Wie werden sich die jüngeren Wähler dann verhalten im richtigen Wahlkampf für diese Präsidentschaftswahlen? Außerdem: Der Wahlkampf ist nicht nur ein Wahlkampf für den Präsidenten, für den nächsten Präsidenten. Ich gehe davon aus, dass Hollande gar keine Chancen hat, wenn er überhaupt wieder kandidiert. Aber es gibt zwei Wahlgänge. Das heißt, es ist auch nicht nur Arithmetik, das ist auch Kalkül. Da muss man auch schon wissen, wer bereit ist, den nächsten Präsidenten zu unterstützen. Aber es gibt noch zwei weitere Wahlgänge sechs Wochen später, also im Juni, um die Nationalversammlung zu bestimmen.
    Müller: Also auch eine Bewerbung möglicherweise für den künftigen Regierungschef, wie auch immer das ausgehen mag?
    Foussier: Ja.
    Müller: Herr Foussier, wenn ich hier noch mal einhaken darf? Reden wir noch mal über Fillon. Immerhin: Er hat ein gutes Ergebnis gestern Abend gebracht, ein überzeugendes Ergebnis. Mein Kollege Jürgen König, der das alles gut beobachtet, sehr detailliert in den letzten Monaten in Frankreich, hat gesagt, jetzt ist es nicht mehr überraschend. Vor zwei Wochen war das völlig überraschend, dass Fillon Juppé so deutlich dominiert hat, so deutlich überflügelt hat. Wie kann das aber sein, dass ein Mr. Nobody - das haben wir heute Morgen auch schon mehrfach hier im Deutschlandfunk gehört -, dass ein ehemaliger Mr. Nobody plötzlich so stark ist?
    Foussier: Nobody? Ich weiß nicht, ob er so ein Nobody ist. Der ist auch schon seit vielen Jahren im Geschäft. Er war schon Premierminister, er war mehrmals Minister und er hatte unter Juppé auch schon gearbeitet. Insofern: Er ist auch nicht ganz so unbekannt. Der hat eine Art, die - ganz anders wahrscheinlich als Juppé - überrascht hat. Man hat auch nicht mit ihm gerechnet. Man hat ihn gekannt, man wusste, er ist erzkonservativ, man wusste, dass er eine gewisse Seriosität darstellt, was übrigens auch für Juppé gilt. Aber Juppé ist etwas älter mit 72.
    Müller: Zehn Jahre älter.
    Foussier: Da haben sicherlich Leute Bedenken gehabt, dass er überhaupt noch für fünf Jahre Frankreich regieren kann, weil man jemanden braucht, der wirklich anpackt. Und das ist möglicherweise ein Aspekt, der eine Rolle gespielt hat. Dafür hat auch Sarkozy gesorgt in seinem Wahlkampf, in dem er immer wieder gesagt hat, wir brauchen ältere Leute nicht für dieses Amt.
    Foussier: Wahlergebnis schlecht vorhersehbar
    Müller: Er ist zehn Jahre jünger, also 62, Francois Fillon, und er hat ein doch ja sehr profiliertes Programm vorgelegt, wenn wir das hier richtig verstanden haben: 35-Stunden Arbeitswoche beispielsweise abschaffen, die Lebensarbeitszeit verlängern, später in Rente gehen, eine halbe Million Stellen im öffentlichen Dienst streichen. Das sagen ja viele immer wieder einmal. Aber dennoch: Er hat es wieder auf seinen Zettel geschrieben. Sie haben das gesagt, er ist streng katholisch, wertkonservativ. Ist das eine vielversprechende Antwort oder Gegenreaktion auf den Front National?
    Foussier: Da bin ich sehr, sehr zurückhaltend bei dieser Aussage, denn gerade bei den Franzosen ist es immer ein Problem, bis Mai, sechs, sieben Monate vorher zu sagen, so werden sich die Franzosen verhalten. Wir haben das auch mehrmals gehabt bei Volksabstimmungen zu Europa oder bei anderen Sachen, dass die Franzosen ganz anders gewählt haben, als sie in den Umfragen gesagt haben. Ich weiß nicht, ob die Franzosen, die sicherlich endlich mal Erfolge in der Wirtschaftspolitik haben wollen, Erfolge in der Sicherheitspolitik, also gegen Terrorismus, gegen die Islamisten haben wollen, dass die letzten Endes doch alles akzeptieren, was Fillon alles versprochen hat.
    Außerdem muss Fillon mit einer Mehrheit arbeiten, anders als in Deutschland gibt es keine Koalitionsgespräche. Er muss, wenn er am 7. Mai gewählt wird - ich nehme an, dass er da mit großem Vorsprung auch gewählt wird -, er muss aber eine Mehrheit der Bevölkerung haben und nicht nur des Wahlvolkes. Und da weiß man nicht, ob die Franzosen sich etwas anderes überlegen: vielleicht zu hart, vielleicht zu schnell, vielleicht …
    Müller: Wenig berechenbar die Franzosen. Wir haben jetzt wirklich nur noch ein paar Sekunden. Ich wollte Sie das aber, muss Sie das noch mal fragen: Wer wird der Gegenkandidat der Sozialisten? Nicht Francois Hollande?
    Foussier: Gegenkandidat der linken Seite, wenn einer das wüsste, ob er überhaupt Kandidat ist. Ich nehme an, dass Valls große Chancen hat, Kandidat zu sein.
    Müller: Der jetzige Premierminister Manuel Valls?
    Foussier: Der jetzige Premierminister.
    Müller: Jetzt kommt schon die Musik. Wir sind leider am Ende. Vielen Dank, dass Sie für uns Zeit gefunden haben. Der französische Publizist Gérard Foussier heute Morgen bei uns. Vielen Dank und Ihnen einen schönen Tag.
    Foussier: Dankeschön! Auch so.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.