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Presseschau
"Europa droht zu zersplittern"

Die Kommentatoren der deutschen Tageszeitungen beschäftigen sich überwiegend mit der symbolischen Volksabstimmung für eine Unabhängigkeit Kataloniens - und plädieren für eine größere Autonomie der Region. Weiteres Thema unserer Presseschau: der Apec-Gipfel in Peking.

10.11.2014
    Demonstration für eine unabhängiges Katalonien in Barcelona am 8.11.2014
    Beim symbolischen Referendum hat eine Mehrheit für die Unabhängigkeit Kataloniens gestimmt. (dpa / picture-alliance / Vladimir Astapkovich)
    Die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG aus Heidelberg macht sich Sorgen:
    "Europa droht zu zersplittern. Und das in den meisten Fällen schlicht aus materiellen Gründen. Nördlich der Po-Ebene halten viele Italiener 'die in Rom' für mafiöse Geldverschwender. Ganz ähnlich wird in Barcelona argumentiert, dem 'Motor Spaniens', der keine Lust mehr hat, die Republik quer zu finanzieren."
    Die BADISCHE ZEITUNG aus Freiburg betrachtet die Abstimmung gelassener:
    "Die Katalanen haben gestern klaren Kopf und Bürgersinn bewiesen: Sie sind zur Abstimmung gegangen - und danach nach Hause. Niemand hielt es für nötig, Container in Brand zu stecken oder Plätze zu besetzen, um den Forderungen nach Unabhängigkeit Nachdruck zu verleihen. Auch die spanische Regierung bewahrte das Gefühl für Verhältnismäßigkeit: Obwohl sie die Abstimmung für illegal hielt, schickte sie nicht die Guardia Civil in die Wahllokale, um die Urnen zu beschlagnahmen. Noch ist niemandem an einer Zuspitzung des Streits gelegen."
    Der Prozess in Katalonien ist unumkehrbar", glaubt DIE TAGESZEITUNG. "Je länger sich Madrid weigert, eine ordentliche Volksabstimmung zuzulassen, umso mehr Zulauf bekommt die Unabhängigkeitsbewegung. Die spanische Nach-Franco-Ordnung ist gescheitert. Die Ordnung von 1978 hat ihre Legitimität völlig verloren. Wie dieses Problem zu lösen ist? Sicher nicht, indem demokratische Ausdrucksweisen wie ein Referendum im Falle Kataloniens von Madrid unterdrückt werden."
    Ähnlich sieht es der MANNHEIMER MORGEN:
    "Die Madrider Regierung muss aufhören, sich hinter juristischen Argumenten zu verstecken. Das Unabhängigkeitsstreben der Katalanen lässt sich, wenn überhaupt, nur mit weitreichenden Autonomie-Zugeständnissen beruhigen. Ein Preis, den zuletzt auch die Engländer den Schotten zahlen mussten."
    Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG macht konkrete Vorschläge:
    "Es ist keineswegs erforderlich, gleich einen neuen Staat zu gründen. Auch ein Ausbau der Autonomierechte und ein neu austarierter Finanzausgleich zwischen dem vergleichsweise reichen Katalonien und dem Rest des Landes können eine Lösung sein."
    Kommentiert wird auch der APEC-Gipfel in Peking. Die WESTFÄLISCHEN NACHRICHTEN aus Münster bemerken zu den gleichzeitigen Bemühungen Chinas und der USA um Freihandels-Partner:
    "Wer gewinnt im asiatisch-pazifischen Raum künftig die Oberhand? China hofiert seine Nachbarn mit all seinem ökonomischen Glanz. Doch die Aussicht auf eine homogene Wirtschaftsregion, für die Peking die Trommel rührt, wird getrübt von tiefen politischen Konflikten - wie zum Beispiel zwischen China und Japan. China ist der Wirtschaftsriese, aber das ist längst kein Garant für politische Stabilität. Die USA haben den geostrategischen Wettlauf längst nicht verloren."
    Die in Lüneburg erscheinende LANDESZEITUNG bemängelt anlässlich des Gipfels ein fehlendes China-Konzept der Bundesregierung:
    "Es fehlt Berlin an einer China-Politik, deren strategische Tiefe der aktuellen welthistorischen tektonischen Machtverschiebung angemessen ist. Dies wird angesichts der klugen Effizienz, mit der Peking sein asiatisches Umfeld beim APEC-Gipfel neu ordnet, sichtbar. China ist weit mehr als ein Absatzmarkt für deutsche Autos und Maschinen und ein Konkurrent bei der Erneuerbaren-Energien-Technologie. China ist eine regionale Vormacht, die Washingtons Führungsrolle in der Region herausfordert."