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Presseschau
"Programmatische Beliebigkeit"

Die Kommentatoren der Zeitungen befassen sich mit der Parteireform der CDU. Während die "Kieler Nachrichten" bemerken, dass sich die CDU "die Anbiederung zum Programm macht" und mit "programmatischer Beliebigkeit" ihr Gesicht zu verlieren droht, bewertet die "Saarbrücker Zeitung" den Vorstoß einer Urwahl des Kanzlerkandidaten als geschickten Zug.

23.06.2014
    Tageszeitungen stecken in Frankfurt am Main an einem Zeitungsstand.
    Tageszeitungen stecken in Frankfurt am Main an einem Zeitungsstand. (Frank Rumpenhorst, dpa picture-alliance)
    Die Union will sich neu erfinden - für die KIELER NACHRICHTEN kein Grund für ein Lob: "Die CDU macht die Anbiederung zum Programm." Und weiter schreibt das Blatt:
    "Während die CDU in den späten Kohl-Jahren erstarrte, droht die Merkel-CDU mit ihrer programmatischen Beliebigkeit das Gesicht zu verlieren. Es ist typisch für diese Merkel-CDU, dass sie genau weiß, wen sie gewinnen will - junge Menschen, Frauen und Ausländer -, aber nicht erklärt womit."
    Die SAARBRÜCKER ZEITUNG bemerkt:
    "Das hat CDU-Generalsekretär Tauber geschickt eingefädelt. Sein eher lapidarer Vorstoß einer Urwahl des Unions-Kanzlerkandidaten hat seiner gesamten Parteireform Aufmerksamkeit verschafft. Dabei weiß jeder: Solange Angela Merkel im Ring stehen will, wird sich die Union eine solche Mitgliederbefragung nicht antun."
    Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG sieht die Sache ähnlich:
    "Eine Urwahl der Spitzenkandidatin schon zur nächsten Bundestagswahl machte natürlich dann keinen Sinn, würde sich die Amtsinhaberin zur offiziellen Erklärung aufraffen, dass sie weitermachen will. Damit bleibt aber ein wichtiger Teil des Reformgebildes auf der Strecke. Man kann eine Basis nicht anfüttern und sie auf Nebengleise führen. Die Kernfrage ist und bleibt: Wer übernimmt Verantwortung, wer geht voran, wer bestimmt, was zum Thema werden soll? Wer Basis-Demokratie will, muss also auch die Merkel-Frage zur Beantwortung frei geben."
    Die FRANKFURTER ALLGEMEINE äußert sich so:
    "Es kann nicht schaden, wenn die CDU 'jünger, weiblicher und bunter' wird. Wenn sie es dann eines Tages ist, wäre es schön, wenn wenigstens die Jungen, Weiblichen und Bunten wieder wissen, was die CDU eigentlich will. Die Alten, Männlichen und Schwarzen wissen es schon lange nicht mehr. Denn die CDU sieht vor lauter Kolorit die Farben nicht."
    Der TAGESSPIEGEL aus Berlin gibt der Union einen Tipp.
    "Mit Parteireformen ist es so: Wichtig ist, dass man sie macht. Sigmar Gabriel hat das exemplarisch vorgeführt, als er die SPD-Basis über den Koalitionsvertrag abstimmen ließ - und die Basis begeistert mitzog."

    Beim zweite Thema geht es um die Besetzung der EU-Kommission, und um Merkels Mann in Brüssel, der dort bleiben soll. Die STUTTGARTER NACHRICHTEN schreiben:
    "Nach anfänglichen Schwierigkeiten hat sich Günther Oettinger als Kommissar in Brüssel Respekt erworben. Scharfsinn und Sachverstand zeichneten ihn immer schon aus. Dazu kommt die ihm eigene Unabhängigkeit. Hast du einen Opa, dann schick ihn nach Europa, spottet man früher gerne. In diesem Fall müsste der Spruch heißen: Hast du einen Oettinger als Kommissar, gib ihm weitere fünf Jahr."
    Die SÜDWEST PRESSE aus Ulm ist schon etwas weniger begeistert:
    "Deutlicher konnte nicht demonstriert werden, dass nicht das Europaparlament, sondern die nationalen Regierungen die Feder führen bei der Besetzung der wichtigsten EU-Behörde. Die Regierungschefs um Bundeskanzlerin Angela Merkel haben den Vorstoß der Volksvertretung, mit eigenen Kandidaten für Brüssel in die EU-Wahl zu ziehen, gründlich als Hochstapelei entlarvt."
    Und noch weniger begeistert ist die SÄCHSISCHE ZEITUNG aus Dresden:
    "Mit dem jetzigen Gerangel um Posten liefert Brüssel erneut ein politisches Trauerspiel. Damit schwächt sich die EU vor allem selbst. Noch mehr Bürger wenden sich ab. Doch ohne ihre Unterstützung droht das europäische Projekt am Ende zu scheitern."