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Probleme bei Anonymität und Stabilität

Netzsicherheit. - Preiswerte Transaktionen und hohe Anonymität beim Zahlungsverkehr. Das sind Anforderungen, die viele Experten in der Szene an ein Bezahlsystem im Internet stellen. Das Bitcoin-System soll so etwas gewährleisten. Darmstädter Sicherheitsexperten haben es auf diese Kriterien hin untersucht, mit ernüchterndem Ergebnis. Der Wissenschaftsjournalist Manfred Kloiber berichtet im Gespräch mit Arndt Reuning vom Chaos Communication Congress in Berlin.

Manfred Kloiber im Gespräch mit Arndt Reuning | 30.12.2011
    Reuning: Herr Kloiber, bevor wir tiefer in das Thema einsteigen, erklären Sie doch bitte einmal: wie funktionieren diese Bitcoins überhaupt?

    Kloiber: Ja, Herr Reuning, Bitcoins sind elektronische Werteinheiten, die durch das Lösen mathematischer Aufgaben geschöpft und gehandelt werden. Der Prozess des Schöpfens nennt sich in Anspielung auf Edelmetalle Bitcoin-Mining. Und man kann mit diesen Bitcoins auch zahlen, weil sie einen Handelswert haben. Die Entstehung von Bitcoins ist durch mathematische Vorgaben beschränkt,. so wie es bei Edelmetallen nur einen begrenzten Vorrat gibt. Maximal 21 Millionen Bitcoins können überhaupt gebildet werden. Das Ganze, sowohl die Schöpfung als auch der Transfer von Bitcoins, geschieht in einem Netzwerk aller Bitcoin-User, einem so genannten Peer-to-Peer-Netzwerk. Wer daran teilnehmen will, der lädt sich eine Software und wird dann eben Teil des elektronischen Geldkreislaufs.

    Reuning: Und wie genau funktioniert das jetzt? Wie zahlt man mit diesen Bitcoins?

    Kloiber: Wenn Sie sich ihre Bitcoins zum Beispiel mit echtem Geld gekauft haben oder durch die Arbeit ihres Computers gemined haben, dann liegen die Coins in ihrer elektronischen Geldbörse. Das sind chiffrierte Dateien, die einen Schlüssel enthalten, der sie erst zu Bitcoins macht. Wenn Sie zum Beispiel einer Organisation anonym eine Spende zukommen lassen wollen, dann senden Sie einfach den Bitcoin-Schlüssel an die Adresse der Organisation, die übrigens auch anonym sein kann. Wichtig dabei: diese Transaktion wird vom gesamten Netzwerk protokolliert, und anhand der vorangegangene Protokolle und der Schlüssel wird dann festgestellt, dass diese Bitcoins nicht doppelt transferiert wurden. Das ist quasi umgekehrt wie beim üblichen Bankgeschäften. Die Akteure sind also unbekannt, die Transaktion selbst aber wird öffentlich.

    Reuning: Und die beiden Forscher von der TU Darmstadt, die ich schon erwähnt habe, was genau haben die sich an den Bitcoins näher angeschaut?

    Kloiber: Sie haben sich einerseits aus netzwerktheoretischer Sicht angesehen, ob das Versprechen der Anonymität valide ist, ob es gilt. Und sie haben sich aus wirtschaftstheoretischer Sicht mit der Frage beschäftigt, ob der Geldkreislauf überhaupt stabil bleiben kann.

    Reuning: Zu welchen Schlüssen sind Sie denn dabei gekommen?

    Kloiber: Ja, dass Bitcoin weder vollständige Anonymität bietet noch ausreichend stabil ist, um dauerhaft zu bestehen. Die Anonymität für einen Einzelnen funktioniert nämlich nur dann, wenn alle Teilnehmer ihre Identität, gleich ob anonym oder nicht anonym, nicht wechseln. Wollte ich im Bitcoin-System wirklich vollständig anonym bleiben, dürfte ich mein Pseudonym für eine Transaktion nie ändern, und schon gar nicht gegenüber irgendeinem Zahlungspartner dann mit Klarnamen auftauchen. Da ja alle Transaktion aufgezeichnet werden, fallen solche Verbindungen sofort auf. Also die Vorstellung, anonym bleiben zu können, die ist eine Illusion. Und damit ist dann allerdings auch ein oft gemachter Vorwurf entkräftet: Geldwäsche mit Bitcoins fällt wahrscheinlich noch schneller auf, als im normalen System, denn die Transaktionen sind öffentlich. Allerdings die Ermittlung der Akteure, das ist eher eine Sache für Netzwerkspezialisten, denn das ist schwieriger als eine richterlich verfügte Bankauskunft.

    Reuning: Und der zweite Aspekt. Was sind die wirtschaftlichen Schlussfolgerungen?

    Kloiber: Bitcoins sind absolut deflationsgefährdet. Sprich, sie werden immer weniger, die Geldmenge verringert sich kontinuierlich. Das, was von den Bitcoin-Anhängern als Vorteil ausgegeben wird, nämlich, dass keine Zentralbank die Geldmenge politisch motiviert ändern kann, zum Beispiel um durch Inflation ein Staatsdefizit auszugleichen [gemeint ist die Verringerung der Staatsschuld, die Redaktion], das erweist sich zugleich auch als Problem. Denn die Bitcoins gehen ja natürlicherweise auch einmal verloren, zum Beispiel durch Vergessen auf einer alten Festplatte oder durch Tod der Eigner, eben durch die ganz formalen Dinge des Lebens. Also auf der einen Seite werden nur endlich viele Bitcoins in Umlauf gebracht, auf der anderen Seite werden die Bitcoins immer weniger.



    Hinweis: Lesen Sie außerdem mehr vom Kongress auf unserer Sonderseite. Das Interview von Manfred Kloiber mit einem der Darmstädter Forscher, Kay Hamacher, Professor für Bioinformatik:

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    Interview mit Kay Hamacher (mp3)