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Problemkeime im Visier

Medizin. - Nur durch Zufall stieß 1928 Alexander Fleming auf eine von dem Schimmelpilz Penicillium notatum hergestellte Substanz, die ihn vor Bakterien schützt. Als Penicillin revolutionierte das Antibiotikum die Therapie von bis dahin lebensgefährlichen Erkrankungen. Doch die Hoffnung der Ärzte, den Bazillen ein für alle Mal das Handwerk gelegt zu haben, erfüllte sich keineswegs. Denn seither lernen aggressive Keime, sich den Medikamenten zu entziehen. Mit Sorgfalt, aber auch Sorge beobachten Experten die weitere Entwicklung solcher Problemkeime.

    Auf den Steckbriefen der Mikrobiologen mehren sich die "Schwerverbrecher" unter den Bakterien. Denn bestimmte Stämme von Staphylococcus aureus, Pseudomonas aeruginosa und anderen Bakteriensorten tragen gleich mehrere Schutzschilde gegen gebräuchliche Antibiotika und stellen eine ernste Gefahr dar, so konstatierten Fachleute anlässlich des Symposiums "Überwachung von Antibiotika-Resistenz" der Paul-Ehrlich-Gesellschaft in Königswinter. Seit knapp 30 Jahren sammelt die Arbeitsgruppe "Resistenz" der Gesellschaft Daten von großen Kliniken aus ganz Deutschland und verzeichnet akribisch, welche Bakterienstämme gegen welche Antibiotika immun sind. Damit stellt die Studie die bislang längste Überwachungsmaßnahme in der medizinischen Mikrobiologie dar, unterstreicht der Leiter des Projektes, Michael Kresken: "Anhand dieser Daten können wir die Resistenz von Bakterienstämmen über viele Jahre verfolgen. Darin spiegelt sich von Mitte der 70er Jahre bis etwa Ende der 80er Jahre eine sehr stabile Resistenzsituation wider. Aber seit Beginn der 90er Jahre finden wir jedoch eine kontinuierliche Zunahme resistenter Stämme."

    Dabei waren viele der heutigen Problemkeime nicht von Hause aus als aggressiv bekannt. Vielmehr können diese auch als "opportunistisch" bezeichneten Bakterien einem Gesunden kaum etwas anhaben. Anders dagegen bei Alten, Kindern und Immunschwachen. Gerade in Krankenhäusern ziehen sie sich leicht Infektionen mit diesen Erregern zu. Deren neu erlernte Resistenzen erschweren aber die Behandlung und erfordern die Gabe immer stärkerer und neuerer Antibiotika. Dadurch aber wird wiederum ein hoher Selektionsdruck auf die Bakterien ausgeübt, unter dem erneut Resistenzen entstehen - quasi ein Teufelskreis. "Durch große Eingriffe wie etwa Organtransplantationen oder aggressivere Chemotherapien ist auch die Zahl abwehrgeschwächter Patienten angestiegen. Dabei ist es nicht verwunderlich, dass diese Patienten im Rahmen ihres Krankenhausaufenthaltes, weil sie häufig Antibiotika bekommen, dann auch letztendlich mit resistenten und multiresistenten Bakterienstämmen besiedelt werden oder aber auch diese erleiden müssen", so der Mikrobiologe.

    Sehr viel schwieriger ist dagegen die Verfolgung resistenter Bakterienstämme in der Normalbevölkerung. So stammen kaum Daten der Studie aus der täglichen Praxis niedergelassener Ärzte. Dabei scheint der Umgang von Hausärzten mit Antibiotika einen wichtigen Einfluss auf die Entwicklung neuer Resistenzen zu haben. Auch innerhalb Europas seien dabei Unterschiede festzustellen, erklärt Hajo Grundmann, Leiter des Europäischen Überwachungssystems von Antibiotika-Resistenzen: "Wir finden mehr Resistenzen in den südlichen Ländern als in nördlichen Regionen. Das hängt mit der Einsatzpraxis von Antibiotika sowie dem Anspruchsverhalten der Bevölkerung zusammen. So wird mitunter in Südeuropa häufiger nach Antibiotika verlangt als beispielsweise in Skandinavien, wo sie erst als Mittel der zweiten Wahl eingesetzt werden." Doch der schnelle Griff zu Penicillin und Co sei nicht immer die Ursache für eine große Menge resistenter Erreger, sagt Michael Kresken. Vielmehr helfen eine exakte Bestimmung von Zielorganismen, eine korrekte und ausreichend lange Dosierung der Präparate sowie eine sorgfältige Hygiene des Personals, neuen Antbiotika-Resistenzen entgegen zu wirken.

    [Quelle: Verena von Keitz]