Esslinger und sein Büro "frog design" machten aus den grauen Kisten der Anfangszeit weiße Rechner mit Bildschirmen, die aussahen wie freundliche Gesichter. Er begleitete Apples Aufstieg von der Garagenfirma zum international agierenden Konzern. Es folgten Tätigkeiten für zahlreiche renommierte Unternehmen wie Lufthansa, Rosenthal, Siemens oder SAP.
Dem Design des 21. Jahrhunderts widmet er sich nun als Kurator am Museum für Angewandte Kunst in Wien mit der Ausstellung "Made 4 You - Design für den Wandel".
Tanja Runow: Herr, Esslinger. Als wir uns zu diesem Gespräch verabredet haben, da haben Sie in der Antwortmail geschrieben "Ästhetik wird sowieso überschätzt", was haben Sie damit gemeint?
Hartmut Esslinger:Ästhetik ist schon ein Mittel zum Zweck für Design. Das aller Wichtigste ist diese ganze Geschichte mit Materialien. Wenn man ein Produkt konzipiert und das geht in die Millionenstück, da werden ja Unmassen von Material bewegt. Man muss sich bewusst sein, dass das, was man tut, dass das einfach riesige Wirkungen hat. Das Zweite sind auch Verfahren, auf die man achten muss. Das heißt, wenn geklebt wird, wenn lackiert wird, sind diese Teile alle nicht mehr recycelbar. Und dann auch noch mal die Belastung beim Gebrauch. Das heißt: Wenn ein Produkt viel Energie verbraucht, ist das nicht gut. Wenn’s die Umwelt verschmutzt, ist es nicht gut.
Und auch das Selbstverständnis der Designer muss sich ändern. Das heißt, sie müssen Business-News lesen, Politik. Also ein Designer, eine Designerin, muss sich völlig holistisch ausbilden und weiterbilden und engagieren. Und nur dann kann man - die Menschen im Auge und die Umwelt - die richtigen Dinge tun. Jetzt hoffe ich, ich hab Sie nicht überwältigt aber…
Runow: Nein, nein da kann ich gut drauf aufbauen, vielen Dank. Meinen Sie denn, dass man mit gutem Design - das all diese Aspekte berücksichtigt - auch wirtschaftlich erfolgreich sein kann? Wenn man zum Beispiel langlebige Produkte macht zum Beispiel. ist das nicht das ökonomische Todesurteil für jede Firma?
Esslinger: Idealerweise wird gutes Design richtiges Design die Dinge effektiver, billiger oder ökologischer machen. Wenn's das nicht tut, ist es kein Design, sondern ist einfach Versagen.
Runow: Kommen wir mal zu Ihrer Geschichte. 1982 sind Sie nach Kalifornien gezogen und haben angefangen für Apple zu arbeiten. Haben Sie da schon gemerkt da, geht jetzt was Großes los gerade?
Esslinger: Nö, das war einfach, das war schon ne Riesenchance. Und nachdem meine Karriere sich entwickelt hatte über WEGA, Louis Vuitton und Sony und so weiter... Bei Sony hab ich ja sehr viel gelernt, muss ich sagen, sonst hätte ich’s gar nicht gekonnt. Und dann war das bei Apple schon schwierig. Aber das schwierigere war, die Symbolik zu entdecken, die Apple damals als Start-up - war ja alles hässlich und völlig unorganisiert.
Dann die Leute haben sich gewehrt, dass ein Ausländer kommt und den Amerikanern erklärt, was läuft. Man musste das einfach komplett umstülpen. Ich mein, das waren ja Basteldinge, was Apple da gemacht hat. Das war alles gebastelt. Das können sie mit dem Schlosser um die Ecke machen lassen. Wie der IBM PC ja auch, das war überhaupt keine Produktion. Und dann gab’s halt keine andere Möglichkeit, als das vor allem in Asien zu machen. Weil die hatten nicht im Silicon Valley die Fähigkeit so ein mechanisches Engineering auf Weltklasseniveau durchzuziehen. Also ich hab mir nicht viele Freunde gemacht, wurde sogar persönlich bedroht. Ein Executive von Apple kam mal zu mir privat und sagte: Hartmut, Du musst aufpassen. Brauchst wahrscheinlich nen Bodyguard. Das war schon nicht einfach. Die Schwarzwälder Sturheit hat dann geholfen. Dann hab ich’s halt brutal durchgezogen. Punkt aus.
Runow: In diesen Tagen eröffnet in Wien eine Ausstellung die Sie kuratiert haben, "Made for You- Design für den Wandel" heißt die. Was gibt es da zu sehen?
Esslinger: Haja, das ist einfach Folgendes: Ich habe ja 6 Jahre in Wien unterrichtet, und auch große Wettbewerbe gewonnen. Und das ist jetzt im Prinzip ne Ausstellung, die besteht aus drei Elementen: Wenn man reinkommt, gibt’s ne Lobby, wo ich ein bisschen erkläre, wie Apple funktioniert. Ein paar Quotes, ein bisschen provokativ. Also einfach um die Leute zu motivieren, warum Design richtig gemacht der Weg ist. Auch der humane Weg, der ökologische Weg, der soziale Weg.
Dann gibt's das Future Lab, also das Zukunftslabor, mit den Studentenarbeiten innen drin. Drumherum habe ich dann Freunde eingeladen aus aller Welt, deren Arbeiten ich gut finde, wie jetzt den Gordon Wagener von Mercedes. Audi bringt einen A1, Amazon screent was Amazon macht, das ganze Digitale dazu, also es wird schon ne coole Geschichte.
Und um was es mir halt geht – die Ausstellung geht dann auch noch nach Shanghai – , den Leuten zu erklären: Design ist einfach Teil des Lebens, wenn man es richtig macht, und nicht ein einfach ein Luxus oder ein kulturelles nebendran.
Wir haben ein Projekt für künstliches Fleisch. Ich war kürzlich in so einem Vortrag von Craig Venter, der das Human Genom decoded hat, und jetzt gerade künstliche Bakterien baut. Und der sagt auch: Das ist doch Wahnsinn, dass wir für ein Kilo Eiweiß von einem Tier Hunderte Kilo Pflanzen verschwenden. Wir müssen Eiweiß anders produzieren. Und das geht wahrscheinlich nur noch über Fabriken.
Runow: Das sind ja Themen, die man nicht als erstes mit Design in Verbindung bringen würde.
Esslinger: Ja Design ist doch heute "B.A.N.G.". Design ist Bits, also elektronische Atome, Neuronen und Gene. Man kann nicht einfach hergehen und irgendwas hinmalen und dann sagen, das ist es dann, verstehen Sie? Deshalb ist vieles von diesen Pseudo-Designs… Es tut nix für die Menschen. Und ich glaub das ist der Endeffekt für mich von Design: Wenn die humanistische Dimension fehlt, ist es einfach nicht wert, getan zu werden.
Runow: Nun ist Apple zum Beispiel bisher nicht grade für seine Ökobilanz berühmt oder dafür dass die Geräte unter sozialverträglichen Bedingungen hergestellt werden. Wie lange können die sich das noch leisten?
Esslinger: Ja, das ist relativ. Wenn Apple sieben Millionen Telefone macht und Nokia macht 104 Millionen und die werden alle weggeschmissen, ist es auch eine Ökologie. Ok, ich erkenne an, dass Sie in Deutschland das ein bisschen dogmatischer sehen als ich, aber deshalb arbeite ich jetzt in China und versuche, in China über Erziehung eine Elite zu schaffen, die mit dieser Idiotie aufhört, dass westliches Design nach China gebracht wird, um es so billig wie möglich wieder rauszukriegen.
Runow: Was ist das genau, was Sie da gerade machen in China?
Esslinger: Ich mach da ein neues Institut für strategisches Design in Shanghai mit der Fudan University. Das wird grad gebaut, ist fast fertig. Ein schönes Studio mit allem drin. Und dann ein Postgraduate Program. Und dann noch eine Vorlesung an der Peking University, die heißt Peking, ist von Deutschen gegründet, glaub ich. Das ist eine Business School. Also es kommen nicht nur Designer, sondern auch Manager, Regierungsbeamte und auch Lehrer von den Universitäten, die dann Kurse mit mir machen. Und ich lerne auch viel von denen, muss ich auch mal sagen.
So ein Staatssekretär sagte: Ja, wir müssen aufhören, unser Volk auszubeuten. Wir bezahlen unseren Leuten fast nichts. Die westlichen Firmen, die tragen das Zeug raus. Wir geben unsere Bodenschätze her für billigste Produkte, die gar nichts wert sind. Und dann, am Ende kaufen europäische Arbeitslose von ihrem Arbeitslosengeld unsere Produkte. Und unsere Leute sitzen hier. Und da dachte ich: Haja, das stimmt ja!
Runow: Also brechen Sie noch mal auf zu ganz neuen Ufern?
Esslinger: Nur noch einen Punkt: Es gab ja einen Grund, dass ich in Deutschland als Designer gesehen wurde und im Ausland als was anderes. Also in Deutschland hätte ich das nicht geschafft. Das war immer gegen die Wand rennen. Und egal wie erfolgreich man ist, dann im Leben, man muss die Leute suchen.
Also wenn man nur rausgeht, und macht einen billigen Sieg, das ist ja nix wert. Man muss ans Limit gehen können und über’s Limit hinaus, dann weiß man, man hat das Beste getan.
Runow: Ist das so was wie ihr Lebensprinzip?
Esslinger: Ja, ich hatte schon den Ehrgeiz gut zu werden. Sagen wir so. Aber das muss ich auch sagen, das hab ich von meinen Großeltern gelernt und von meinen Eltern. Die das aber nicht gut fanden, was ich machte. Meine Mutter sagt heute noch: Kommt ihr eigentlich klar mit dem Geld? Und kannste dir keine besseren Kleider kaufen? Mit 92 ist sie immer noch in Sorge. Ist halt so, ist halt die Mutter.
Aber mein Großvater hat uns eingetrimmt … Der war schon gnadenlos. Der sagte: Hartmut, du hast Talente, mein Junge, und das Talent musst du dir verdienen, und alles ist Disziplin und Anstrengung. Hört sich jetzt puritanisch an, er war überzeugter Pietist. Ja mein Opa...der war Friese, witzigerweise.
Runow: Tatsächlich!?
Esslinger: Ja,ja. Ja, mein Opa war schon wichtig in meinem Leben. Er hat auch gesagt, lerne Englisch mein Junge, wenn die Nazis wieder kommen, müsst ihr weg. Also sieben in unserer Familie wurden auch ermordet. Auf der jüdischen Seite der Family. Und das war dann schon ein emotional hartes Upbringing. Also die Bedrohung durch die Nazis war immer noch da, weil er sagte, die ist immer noch da. Und: Lerne Englisch und hab dann ein Ticket von Le Havre oder New York in der Tasche. Das war, kurz bevor er starb, da war ich acht Jahre, sein Rat. Und da hat er gesagt, Du wirst nie Opfer sein. Vielleicht passt das ganz gut als Schluss.
Runow: Stimmt. Herzlichen Dank!
Esslinger: Ja, nie aufgegeben! Danke.
Dem Design des 21. Jahrhunderts widmet er sich nun als Kurator am Museum für Angewandte Kunst in Wien mit der Ausstellung "Made 4 You - Design für den Wandel".
Tanja Runow: Herr, Esslinger. Als wir uns zu diesem Gespräch verabredet haben, da haben Sie in der Antwortmail geschrieben "Ästhetik wird sowieso überschätzt", was haben Sie damit gemeint?
Hartmut Esslinger:Ästhetik ist schon ein Mittel zum Zweck für Design. Das aller Wichtigste ist diese ganze Geschichte mit Materialien. Wenn man ein Produkt konzipiert und das geht in die Millionenstück, da werden ja Unmassen von Material bewegt. Man muss sich bewusst sein, dass das, was man tut, dass das einfach riesige Wirkungen hat. Das Zweite sind auch Verfahren, auf die man achten muss. Das heißt, wenn geklebt wird, wenn lackiert wird, sind diese Teile alle nicht mehr recycelbar. Und dann auch noch mal die Belastung beim Gebrauch. Das heißt: Wenn ein Produkt viel Energie verbraucht, ist das nicht gut. Wenn’s die Umwelt verschmutzt, ist es nicht gut.
Und auch das Selbstverständnis der Designer muss sich ändern. Das heißt, sie müssen Business-News lesen, Politik. Also ein Designer, eine Designerin, muss sich völlig holistisch ausbilden und weiterbilden und engagieren. Und nur dann kann man - die Menschen im Auge und die Umwelt - die richtigen Dinge tun. Jetzt hoffe ich, ich hab Sie nicht überwältigt aber…
Runow: Nein, nein da kann ich gut drauf aufbauen, vielen Dank. Meinen Sie denn, dass man mit gutem Design - das all diese Aspekte berücksichtigt - auch wirtschaftlich erfolgreich sein kann? Wenn man zum Beispiel langlebige Produkte macht zum Beispiel. ist das nicht das ökonomische Todesurteil für jede Firma?
Esslinger: Idealerweise wird gutes Design richtiges Design die Dinge effektiver, billiger oder ökologischer machen. Wenn's das nicht tut, ist es kein Design, sondern ist einfach Versagen.
Runow: Kommen wir mal zu Ihrer Geschichte. 1982 sind Sie nach Kalifornien gezogen und haben angefangen für Apple zu arbeiten. Haben Sie da schon gemerkt da, geht jetzt was Großes los gerade?
Esslinger: Nö, das war einfach, das war schon ne Riesenchance. Und nachdem meine Karriere sich entwickelt hatte über WEGA, Louis Vuitton und Sony und so weiter... Bei Sony hab ich ja sehr viel gelernt, muss ich sagen, sonst hätte ich’s gar nicht gekonnt. Und dann war das bei Apple schon schwierig. Aber das schwierigere war, die Symbolik zu entdecken, die Apple damals als Start-up - war ja alles hässlich und völlig unorganisiert.
Dann die Leute haben sich gewehrt, dass ein Ausländer kommt und den Amerikanern erklärt, was läuft. Man musste das einfach komplett umstülpen. Ich mein, das waren ja Basteldinge, was Apple da gemacht hat. Das war alles gebastelt. Das können sie mit dem Schlosser um die Ecke machen lassen. Wie der IBM PC ja auch, das war überhaupt keine Produktion. Und dann gab’s halt keine andere Möglichkeit, als das vor allem in Asien zu machen. Weil die hatten nicht im Silicon Valley die Fähigkeit so ein mechanisches Engineering auf Weltklasseniveau durchzuziehen. Also ich hab mir nicht viele Freunde gemacht, wurde sogar persönlich bedroht. Ein Executive von Apple kam mal zu mir privat und sagte: Hartmut, Du musst aufpassen. Brauchst wahrscheinlich nen Bodyguard. Das war schon nicht einfach. Die Schwarzwälder Sturheit hat dann geholfen. Dann hab ich’s halt brutal durchgezogen. Punkt aus.
Runow: In diesen Tagen eröffnet in Wien eine Ausstellung die Sie kuratiert haben, "Made for You- Design für den Wandel" heißt die. Was gibt es da zu sehen?
Esslinger: Haja, das ist einfach Folgendes: Ich habe ja 6 Jahre in Wien unterrichtet, und auch große Wettbewerbe gewonnen. Und das ist jetzt im Prinzip ne Ausstellung, die besteht aus drei Elementen: Wenn man reinkommt, gibt’s ne Lobby, wo ich ein bisschen erkläre, wie Apple funktioniert. Ein paar Quotes, ein bisschen provokativ. Also einfach um die Leute zu motivieren, warum Design richtig gemacht der Weg ist. Auch der humane Weg, der ökologische Weg, der soziale Weg.
Dann gibt's das Future Lab, also das Zukunftslabor, mit den Studentenarbeiten innen drin. Drumherum habe ich dann Freunde eingeladen aus aller Welt, deren Arbeiten ich gut finde, wie jetzt den Gordon Wagener von Mercedes. Audi bringt einen A1, Amazon screent was Amazon macht, das ganze Digitale dazu, also es wird schon ne coole Geschichte.
Und um was es mir halt geht – die Ausstellung geht dann auch noch nach Shanghai – , den Leuten zu erklären: Design ist einfach Teil des Lebens, wenn man es richtig macht, und nicht ein einfach ein Luxus oder ein kulturelles nebendran.
Wir haben ein Projekt für künstliches Fleisch. Ich war kürzlich in so einem Vortrag von Craig Venter, der das Human Genom decoded hat, und jetzt gerade künstliche Bakterien baut. Und der sagt auch: Das ist doch Wahnsinn, dass wir für ein Kilo Eiweiß von einem Tier Hunderte Kilo Pflanzen verschwenden. Wir müssen Eiweiß anders produzieren. Und das geht wahrscheinlich nur noch über Fabriken.
Runow: Das sind ja Themen, die man nicht als erstes mit Design in Verbindung bringen würde.
Esslinger: Ja Design ist doch heute "B.A.N.G.". Design ist Bits, also elektronische Atome, Neuronen und Gene. Man kann nicht einfach hergehen und irgendwas hinmalen und dann sagen, das ist es dann, verstehen Sie? Deshalb ist vieles von diesen Pseudo-Designs… Es tut nix für die Menschen. Und ich glaub das ist der Endeffekt für mich von Design: Wenn die humanistische Dimension fehlt, ist es einfach nicht wert, getan zu werden.
Runow: Nun ist Apple zum Beispiel bisher nicht grade für seine Ökobilanz berühmt oder dafür dass die Geräte unter sozialverträglichen Bedingungen hergestellt werden. Wie lange können die sich das noch leisten?
Esslinger: Ja, das ist relativ. Wenn Apple sieben Millionen Telefone macht und Nokia macht 104 Millionen und die werden alle weggeschmissen, ist es auch eine Ökologie. Ok, ich erkenne an, dass Sie in Deutschland das ein bisschen dogmatischer sehen als ich, aber deshalb arbeite ich jetzt in China und versuche, in China über Erziehung eine Elite zu schaffen, die mit dieser Idiotie aufhört, dass westliches Design nach China gebracht wird, um es so billig wie möglich wieder rauszukriegen.
Runow: Was ist das genau, was Sie da gerade machen in China?
Esslinger: Ich mach da ein neues Institut für strategisches Design in Shanghai mit der Fudan University. Das wird grad gebaut, ist fast fertig. Ein schönes Studio mit allem drin. Und dann ein Postgraduate Program. Und dann noch eine Vorlesung an der Peking University, die heißt Peking, ist von Deutschen gegründet, glaub ich. Das ist eine Business School. Also es kommen nicht nur Designer, sondern auch Manager, Regierungsbeamte und auch Lehrer von den Universitäten, die dann Kurse mit mir machen. Und ich lerne auch viel von denen, muss ich auch mal sagen.
So ein Staatssekretär sagte: Ja, wir müssen aufhören, unser Volk auszubeuten. Wir bezahlen unseren Leuten fast nichts. Die westlichen Firmen, die tragen das Zeug raus. Wir geben unsere Bodenschätze her für billigste Produkte, die gar nichts wert sind. Und dann, am Ende kaufen europäische Arbeitslose von ihrem Arbeitslosengeld unsere Produkte. Und unsere Leute sitzen hier. Und da dachte ich: Haja, das stimmt ja!
Runow: Also brechen Sie noch mal auf zu ganz neuen Ufern?
Esslinger: Nur noch einen Punkt: Es gab ja einen Grund, dass ich in Deutschland als Designer gesehen wurde und im Ausland als was anderes. Also in Deutschland hätte ich das nicht geschafft. Das war immer gegen die Wand rennen. Und egal wie erfolgreich man ist, dann im Leben, man muss die Leute suchen.
Also wenn man nur rausgeht, und macht einen billigen Sieg, das ist ja nix wert. Man muss ans Limit gehen können und über’s Limit hinaus, dann weiß man, man hat das Beste getan.
Runow: Ist das so was wie ihr Lebensprinzip?
Esslinger: Ja, ich hatte schon den Ehrgeiz gut zu werden. Sagen wir so. Aber das muss ich auch sagen, das hab ich von meinen Großeltern gelernt und von meinen Eltern. Die das aber nicht gut fanden, was ich machte. Meine Mutter sagt heute noch: Kommt ihr eigentlich klar mit dem Geld? Und kannste dir keine besseren Kleider kaufen? Mit 92 ist sie immer noch in Sorge. Ist halt so, ist halt die Mutter.
Aber mein Großvater hat uns eingetrimmt … Der war schon gnadenlos. Der sagte: Hartmut, du hast Talente, mein Junge, und das Talent musst du dir verdienen, und alles ist Disziplin und Anstrengung. Hört sich jetzt puritanisch an, er war überzeugter Pietist. Ja mein Opa...der war Friese, witzigerweise.
Runow: Tatsächlich!?
Esslinger: Ja,ja. Ja, mein Opa war schon wichtig in meinem Leben. Er hat auch gesagt, lerne Englisch mein Junge, wenn die Nazis wieder kommen, müsst ihr weg. Also sieben in unserer Familie wurden auch ermordet. Auf der jüdischen Seite der Family. Und das war dann schon ein emotional hartes Upbringing. Also die Bedrohung durch die Nazis war immer noch da, weil er sagte, die ist immer noch da. Und: Lerne Englisch und hab dann ein Ticket von Le Havre oder New York in der Tasche. Das war, kurz bevor er starb, da war ich acht Jahre, sein Rat. Und da hat er gesagt, Du wirst nie Opfer sein. Vielleicht passt das ganz gut als Schluss.
Runow: Stimmt. Herzlichen Dank!
Esslinger: Ja, nie aufgegeben! Danke.