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Professur für Turkologie abgeschafft

Das Rektorat Freiburg plant, die Professor für Turkologie zu streichen. Die Stelle soll durch eine Juniorprofessur ersetzt werden. Die Studenten protestieren.

Von Thomas Wagner | 07.08.2009
    Ein Straßencafé in der Nähe der Freiburger Uni: Zwei Studentinnen unterhalten sich auf Hocharabisch.

    "Wir haben jetzt gesagt: Hallo Tosca, wie geht es Dir?"

    "Ich habe geantwortet: Mir geht es gut. Wie geht es Dir?"

    "Und ich habe gesagt. Mir geht es auch gut. Herzlich willkommen in Freiburg!"

    Valerie Köberle und Toska Jakob studieren an der Uni Freiburg den Bachelor-Studiengang Islamwissenschaften. Und da gehört das Erlernen einer arabischen Sprache mit dazu.

    "Wir alle schauen Nachrichten, wissen, was im Nahen Osten los ist. Viele Dinge konnte man mir aber nicht erklären. Und ich wollte dann selbst auf die Suche gehen. Ich finde die Kultur, die Sprache unheimlich interessant. Sowohl Türkisch, Persisch als auch Arabisch sind für mich faszinierende Sprachen. Und es ist etwas Fremdes, was einfach neugierig macht."

    "Ich habe nach meinem Abitur ein Auslandsjahr in Palästina gemacht. Und darüber bin ich dann so in die Islamwissenschaften reingerutscht."

    Beide Studentinnen sind überzeugt, dass im Zuge der politischen Entwicklungen Islamwissenschaften immer wichtiger werden - und sie sind im gleichen Atemzug enttäuscht über eine Entscheidung des Freiburger Uni-Rektorates. Demzufolge nämlich soll die bisher bestehende reguläre Professur für Turkologie, die einzige übrigens in Baden-Württemberg, den Sparzwängen zum Opfer fallen und gestrichen werden. Das kann Valerie Köberle überhaupt nicht verstehen.

    "Es gibt mittlerweile Studiengebühren, die es früher, in der Zeit, als die Islamwissenschaften hier ruhmreich waren, nicht gab. Freiburg ist Exzellenz-Universität geworden. Und wenn mir da jemand erzählt, dass keine finanziellen Möglichkeiten da sind, da muss ich ein wenig Kopfschütteln."

    Gerade die Turkologie, also die Wissenschaft über die Turkvölker, gewinne zunehmend an Bedeutung, beispielsweise vor dem Hintergrund der Diskussionen über einen möglichen EU-Beitritt der Türkei. Da bedürfe es in Zukunft gut ausgebildeter Experten. Die Streichung des Lehrstuhls für Turkologie sei daher alles andere als zeitgemäß.

    Das Rektorat der Freiburger Uni hält allerdings dagegen. Zum einen: Die Professur werde nicht ersatzlos gestrichen. Vielmehr plane man die Einrichtung einer sogenannten Junior-Professor für Turkologie. Und im Gegensatz zum bisherigen Lehrstuhl erhalte die sogar eine deutlich verbesserte Ausstattung, so Rudolf Werner Dreier, Sprecher der Universität Freiburg:

    "Also bislang war es ja so, dass der Professor sozusagen eine 'nackte Professur' hatte, also ohne eigenen Sach- und Hilfskraftetat. Das heißt: Der Juniorprofessor wird zusätzlich auch über eigene Sachmittel verfügen."
    Beispielsweise für die Beschaffung von Literatur, aber auch zur Beschäftigung von wissenschaftlichen Hilfskräften. Deshalb handele es sich bei der Umwandlung einer regulären in eine Juniorprofessur in diesem Fall um eine Verbesserung statt um eine Verschlechterung. Im Übrigen habe es sich bei der regulären Professur für Turkologie um eine sogenannte "Poolstelle" gehandelt. Die werde je nach Bedarf vom Rektorat von Anfang an in einem bestimmten Fachbereich angesiedelt, aber eben stets zeitlich befristet. Rudolf Werner Dreier:

    "Alle Professuren, und eben auch Zeitprofessuren, müssen sich eben auf den Prüfstand stellen. Und Universität kann ja nur funktionieren, wenn man auch flexibel bleibt und schaut, wie man nach sechs Jahren dann auch weitergeht. Und das müsste auch für jeden Professor klar sein- nach einer gewissen Zeit, dass man sich evaluieren lässt. Und die Prognosen sind eben jetzt so eingetroffen. Das ganze, denke ich, ist eine ganz normale Sache an einer Universität, die auf Leistung hin orientiert ist."

    Damit spielt der Freiburger Uni-Sprecher auf die verhältnismäßig geringe Resonanz der Islamwissenschaften an: Bei gerade mal 48 Studierenden und 13 Neueinschreibungen im Hauptfach sei der Studiengang immer noch sehr gut bedient. Die Studierenden geben sich damit aber nicht zufrieden. Eine Juniorprofessur in der Turkologie sei allenfalls eine Professur zweiter Klasse, findet Valerie Köberle:

    "Also man muss dazu auch sagen: Wenn jetzt diese Turkologie-Professur in eine Juniorprofessur umgewandelt wird, dann ergibt sich gerade für fortgeschrittene Studierende die folgende Problematik: Der Juniorprofessor ist ja nur sechs Jahre da. Und nach diesen sechs Jahren wird die Stelle wieder frei und kann sozusagen wieder neu verhandelt und diskutiert werden, was in sechs Jahren auch der Fall sein wird, weil das Rektorat sich dann wieder überlegt, die Stelle ganz zu streichen. Wenn jetzt jemand hier den Master anfängt und wirklich auf Turkologie spezialisiert ist, hat die Person das Problem: Eventuell möchte sie später mal promovieren und eine Dissertation schreiben. Und das kann natürlich der Juniorprofessor, der dann nur sechs Jahre da ist, nicht durchgehend betreuen. Also die Betreuungssituation ist mehr als fraglich."

    Deshalb lassen Valerie Köberle und einige ihrer Kommilitonen nichts unversucht, die Streichung der regulären Professorenstelle doch noch zu verhindern: Sie starteten Anfragen an Politiker auf Regional- und Landesebene, organisierten Proteste vor der Uni, traten mit ihrem Anliegen an die Öffentlichkeit. Immerhin richtete die SPD im baden-württembergischen Landtag bereits eine kleine parlamentarische Anfrage an den baden-württembergischen Wissenschaftsminister Peter Frankenberg; die Antwort steht allerdings noch aus.

    Von Seiten der Uni gibt es dagegen keine Anzeichen, die reguläre Professorenstelle zu erhalten. Eine Abwertung des Faches Islamwissenschaften könne man in der Umwandlung in eine Juniorprofessur nicht erkennen, hieß es. Valerie Köberle hat sich mittlerweile entschlossen, nach Abschluss ihres Bachelorstudiums Freiburg zu verlassen und ihren Master bei den Islamwissenschaften der Uni Leipzig zu machen:

    "Klar fangen hier weniger an, den Master zu machen. Also ich persönlich weiß auch, warum ich mich wegbeworben habe. Es ist eine persönliche Entscheidung, weil man hat einfach keine Sicherheit hier, über die Qualität der Lehre."