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Projekt "Tauschmobil"
Dinge kostenlos tauschen

Auf einem Markt im Prenzlauer Berg in Berlin betreibt die Soziologin und Entrümpelungsberaterin Gabi Rimmele ihr "Tauschmobil". Jeder kann etwas mitnehmen und auch Dinge da lassen. Das funktioniert so gut, dass Rimmele ihre Erfahrungen in einem Buch zusammengefasst hat.

Von Martina Groß | 07.09.2015
    Sonnabend ist Markttag in der Seelower Straße im Prenzlauer Berg. Stände mit frischem Gemüse, frisch gebackener Hefekuchen, saure Gurken aus dem Topf, Grillwürstchen brutzeln. Für jeden ist etwas dabei. An einem Ende des kleinen Marktes stehen Tische mit Bücherkisten und Kinderkleidung. Darunter Schuhe. Eine Stange mit Frauen- und Männerkleidung. Alles kommt nach und nach aus einem braunen Kastenwagen heraus. "Tauschmobil" ist darauf geschrieben. Der Wagen gehört Gabi Rimmele. Seit 2012 steht sie jeden Sonnabend bei Wind und Wetter hier auf dem Markt.
    "Also mittlerweile hat sich das Prinzip des Tauschmobils schon rumgesprochen, also die meisten wissen wie das funktioniert. Die meisten wissen auch, dass man etwas mitnehmen darf, wenn man nichts bringt. Dass man auch Sachen abgeben darf, ohne dass man etwas mitnehmen muss im Gegenzug. Und es läuft total entspannt. Und schön ist dann immer wieder, wenn dann jemand neu kommt, der das noch nicht kennt. Das ist einfach eine Freude, sagen zu können: Das dürfen Sie alles mitnehmen, das kostet nichts. Auch dieses Geldsystem auszuhebeln an der Stelle."
    Zusammenhang zwischen innerem und äußerem Chaos
    Gabi Rimmele ist Sozialarbeiterin und Entrümpelungsberaterin. Gerade ist ihr Buch "Tausche Chaos gegen Leichtigkeit" im Patmos Verlag erschienen. Viele ihrer Erfahrungen mit dem Tauschmobil sind in das Buch eingeflossen. Darin betrachtet sie die Zusammenhänge zwischen äußerem und innerem Chaos. Sie gibt Anregungen und Anleitungen, wie man eine für sich als richtig empfundene Struktur findet. Um dorthin zu gelangen, zeigt sie kleine nachvollziehbare Schritte auf, wie man sich von Dingen trennen kann, die sich im Laufe des Lebens angehäuft haben und längst Ballast sind. Dazu gehört, die Dinge genau zu betrachten, ihren Wert für sich bestimmen und dann vielleicht wegzugeben, zum Beispiel an das Tauschmobil.
    "Guten Morgen. Ich sehe ja, was hier vor sich geht. Fegen sie durch."
    Eine Frau mit blonden Haaren bringt eine Haarspange mit Glitzer und Federn. Wie sie sagt, kommt sie am Sonnabend öfter vorbei.
    "Ich wohne gleich hier um die Ecke, ein Haus weiter. Ich habe schon viele hübsche Sachen hier mitnehmen dürfen. Und ich habe einiges auch schon abgegeben."
    "Ja, das ist die Gelegenheit, auch mal die eigenen Schränke dann zu überprüfen, was da eigentlich raus kann. Und weiß, da freut sich jemand anderes drüber, das macht das Ausrangieren viel leichter."
    Zwischen 200 und 300 Menschen kommen jeden Sonnabend und bringen, was sie nicht mehr brauchen mit oder sie nehmen etwas mit. Eine Frau sieht sich gerade drinnen im Tauschmobil um, wo Gläser, Vasen und Haushaltsgegenstände in einem Regal stehen und Kisten mit anderen Dingen. Was für die einen vielleicht wertlos geworden ist, bekommt hier einen neuen Wert.
    "Genau, hier habe ich ein schönes Tuch gefunden und hier habe ich ein Spiel gefunden, das ich schon in der Kinderzeit hatte. Das ist entweder für die Enkel oder für die Tochter für die Arbeit."
    20 Menschen helfen beim "Tauschmobil" mit
    Bei manchen Dingen, wie zum Beispiel der halb abgebrannten Kerze kann man sich kaum vorstellen, dass sich noch ein neuer Besitzer finden wird. Ganz anders bei der Kinderkleidung. Eine Helferin sortiert den Nachschub, der gerade gekommen ist, in Kisten ein. Alles wird angesehen und erst dann einsortiert. Mittlerweile helfen über 20 Menschen mit beim "Tauschmobil". Einige Tüten sind heute schon abgegeben worden, vieles davon hat schon neue Besitzer gefunden.
    "Vorigen Sonnabend war denn hier auch eine Frau, die Kriegsflüchtlinge betreut. Und da waren 70 Kinder. Und da haben wir hier rausgesammelt. Und die hat sich gefreut, als wenn Weihnachten wäre, so hat die sich gefreut."
    In einer anderen Kiste, die mit kleinem Spielzeug gefüllt ist, hat ein kleines Mädchen ein Flugzeug gefunden. Es macht täuschend echte Geräusche. Unter dem Tisch steht eine Kiste gefüllt mit Plüschtieren.
    "Wenn das Tauschmobil da ist, ist die Welt in Ordnung."
    Das Tauschmobil ist zum Herzstück des Marktes geworden und Treffpunkt für die unterschiedlichsten Menschen aus dem Kiez.
    "Also, es macht so viel Freude jeden Samstag. Manchmal frage ich mich, was ich früher an meinen Samstagen gemacht habe. Ja, wirklich."
    Buchinfos:
    Gabi Rimmele: "Tausche Chaos gegen Leichtigkeit. So entrümpeln Sie Ihr Leben", Patmos Verlag, Preis: 14,99 Euro.