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Prozess
Betrug beim Kunsthandel

Eine Schadenssumme von 22,5 Millionen Euro: Der Kunsthändler Helge Achenbach steht wegen Betrugs und Urkundenfälschung ab heute vor einem Kölner Gericht. Geklagt hatte Berthold Albrecht, ein Erbe des Aldi-Imperiums.

Stefan Koldehoff im Gespräch mit Mascha Drost | 09.12.2014
    Mascha Drost: Gleich zu Anfang geht es um den Prozess gegen den Kunsthändler Helge Achenbach. Seit heute steht er vor Gericht, weil er sich mit einem Mann angelegt hat, dessen Imperium das billige Einkaufen ist: Mit Berthold Albrecht, einem Erbe des Aldi-Imperiums. Mit kleinen Preisen kann man sehr viel Geld verdienen – so viel, dass man sich im Monatstakt ein hochkarätiges Kunstwerk kaufen kann, oder ein Luxusauto nach dem anderen. Berthold Albrecht vertraute da dem Kunsthändler Achenbach, der ihn allerdings mächtig übers Ohr gehauen haben soll, wenn man der Anklage glauben kann, die heute verlesen wurde.
    Stefan Koldehoff aus unserer Redaktion war für uns beim Prozessauftakt dabei, ist jetzt bei mir im Studio. Um was oder besser wie viel geht es denn genau?
    Stefan Koldehoff: Na ja, wenn Sie eine Stückzahl meinen, dann geht es um 23 Fälle. Wenn Sie Namen meinen, um Ernst Ludwig Kirchner, Pablo Picasso, Roy Lichtenstein, Gerhard Richter, Georg Baselitz, Picabia, Murakami, Albert Oehlen und und und.
    Drost: Alles dabei?
    Koldehoff: Genau. Aber das wahrscheinlich Interessante ist die Schadenssumme: 22,5 Millionen Euro stehen da im Raum. Das ist der Betrag, dessentwegen nicht nur Helge Achenbach, sondern auch ein Mitarbeiter, Stefan Horst Hemken, wegen Betrugs, Urkundenfälschung und Untreue vor Gericht stehen. Der Hintergrund dieser ganzen Geschichte ist, dass die beiden zusammen mit einer Privatbank, der Berenberg Bank nämlich, ein Art Advising, eine Kunstberatung angeboten hatten, also potenziellen und auch potenten, finanzstarken Kunden angeboten haben, wir beraten euch nicht nur beim Aufbau eurer Kunstsammlung, sondern wir besorgen euch die Werke auch.
    Drost: Was sind jetzt genau die Vorwürfe, die heute verlesen wurden?
    Koldehoff: Die Vorwürfe sind, dass man sich dabei nicht an Absprachen gehalten habe. Die Absprachen sollen gelautet haben: Diese Art Advising GmbH, die besorgt die Kunstwerke und gibt sie zum Einkaufspreis eins zu eins an die Kunden weiter. Berthold Albrecht haben Sie gerade schon genannt. Man könnte auch Christian Boehringer noch nennen, ebenfalls ein Unternehmer, der geschädigt worden ist.
    Der Gewinn für diese Kunstberatungsfirma, der sollte aus Provisionen kommen: Die Werke eins zu eins weitergegeben, und darauf durften dann aber bei Kunstwerken fünf Prozent und bei Oldtimern - auch um die ging es, auch die wurden gesammelt - drei Prozent Marge aufgeschlagen werden. Und das ist natürlich bei Preisen - so ein Auto kostete gerne auch schon mal zehn Millionen Euro - kein Klacks.
    Der Vorwurf ist jetzt der, dass man sich an diese Vereinbarung nicht gehalten habe, dass die ursprünglichen Einkaufsrechnungen gefälscht, wie die Staatsanwältin heute gesagt hat, worden sind, Preise abgedeckt, aus Dollar-Preisen plötzlich Euro-Preise geworden sind, Summen erhöht wurden, davon dann noch mal Umsatzsteuer berechnet und davon dann die Provision berechnet wurde. Letztlich hätten dann, so die Anklageschrift, tatsächlich die Sammler mehr bezahlt, als sie gedacht haben.
    Drost: Haben sich denn die Angeklagten heute geäußert?
    Koldehoff: Nein, sie haben sich zur Sache überhaupt nicht geäußert. Sie haben für kommenden Montag Einlassungen, wie das bei Gericht ja heißt, angekündigt. Aber der Anwalt von Helge Achenbach, der hat eine Erklärung verlesen - nach einem kleinen Hin und Her mit dem Richter und der Staatsanwältin, ob das denn überhaupt an der Stelle möglich sei. Es war dann möglich -, und daraus ließ sich so ein bisschen die Verteidigungsstrategie schon ablesen. Das ist eine zweifache: Einmal bestreitet die Verteidigung von Achenbach, dass es überhaupt diese festen Absprachen, drei Prozent bei Autos, fünf Prozent bei Kunstwerken ...
    Drost: Ist das eigentlich üblich?
    Kunst eine Anlageform äußerst populär
    Koldehoff: Ja, dass Kunsthandel verdient, ist schon üblich, und da sind drei beziehungsweise fünf Prozent eher wenig. Wenn Sie in einer Galerie ein Bild kaufen, dann können Sie davon ausgehen, dass die ungefähr die Hälfte, ein bisschen weniger vielleicht daran verdienen. Das ist nicht das Ungewöhnliche. Das ist auch gar nicht das, was in Abrede gestellt wird.
    Die Staatsanwältin sagt nur, wenn es da ein vereinbartes Kommissionsgeschäft gab, die Zusage, du bekommst es von mir weiter, ich kaufe es für Dich in Kommission, dann muss man sich auch daran halten. Die Verteidigung sagt nun aber, das hat es so in der Form gar nicht gegeben. Viele Werke waren sehr schwer zu bekommen, da musste Herr Achenbach Reisen für unternehmen, Gespräche führen und so weiter, und deswegen war es ihm durchaus gestattet, noch Aufschläge draufzuschlagen. Da wird jetzt die entscheidende Frage sein: Gibt es für das eine, nämlich die feste Vereinbarung, oder für das andere tatsächlich einen Beleg. Das werden wir abwarten müssen.
    Zweites Argument, das ebenfalls heute schon anklang: Es sei ja niemand geschädigt worden. Herr Achenbach habe angeblich allen Kunden eine Rücknahmegarantie von fünf bis sieben Jahren gegeben: Wenn es euch nicht mehr gefällt, oder ihr findet es zu teuer, dann gebt ihr es mir zurück. Davon habe niemand Gebrauch gemacht, also seien doch alle zufrieden gewesen, und das deswegen, weil diese Bilder (Gemälde von Ernst Ludwig Kirchner für zwei Millionen gekauft) inzwischen deutlich an Wert gestiegen seien. Da sagte dann der Verteidiger von Helge Achenbach wörtlich: Wo kein Geschädigter ist, da ist auch kein Betrug. Das sieht die Staatsanwaltschaft anders.
    Drost: Ganz kurz zum Schluss: Man hat zur Zeit den Eindruck, die Kunst findet sich vor Gericht genauso oft wieder wie im Museum, Betrug, Fälschung, Provenienz. Woran liegt das?
    Koldehoff: Das liegt, glaube ich, daran, dass die Kunst eine Anlageform ist, die in den letzten Jahren sehr, sehr populär geworden ist. Nachdem das Schweizer Bankengeheimnis faktisch nicht mehr existiert, nachdem Luxemburg und Liechtenstein sich verpflichtet haben, Zinserträge an die Finanzbehörden in Deutschland zu melden, da flüchten viele in die Kunst mit ihren Investitionen. Das merkt man an den Preisen, die am Markt im Moment gezahlt werden, und man merkt es aber ganz offenbar auch an der Sorglosigkeit. Wenn es ums Geld geht, läuft in den Dimensionen vieles per Handschlag und Fotokopie.
    Drost: Stefan Koldehoff, Redakteur bei "Kultur heute" und Kunstexperte – vielen Dank!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.