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Prozess
Wulff kämpft vor Gericht um seinen Ruf

In Hannover ist der erste Verhandlungstag im Prozess gegen den ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff nach knapp drei Stunden beendet worden. Zum Auftakt beteuerte er seine Unschuld.

14.11.2013
    "Dies ist sicher kein einfacher Tag", sagte der 54-Jährige, als er am Landgericht Hannover eintraf. "Aber ich bin mir ganz sicher, dass ich auch den allerletzten Vorwurf ausräumen werde, weil ich mich immer korrekt verhalten habe im Amt, und ich möchte mich nach dem Verfahren mit großer Freude wieder all der Themen annehmen, die mir immer am Herzen gelegen haben."Richter Frank Rosenow schloss die Verhandlung heute nach knapp drei Stunden. Zuvor hatte Wulff rund 45 Minuten lang die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurückgewiesen. "Die persönlichen Schäden, die meine Familie und ich erlitten haben, werden bleiben. Wahrscheinlich ein Leben lang", sagte Wulff. "Ich erwarte jetzt, dass Recht gesprochen wird." Der Prozess wird am kommenden Donnerstag mit der Vernehmung der ersten vier Zeugen fortgesetzt.Prozess dreht sich um 753,40 EuroVon zahlreichen Vorwürfen ist aus strafrechtlicher Sicht in der Anklageschrift nur einer übrig geblieben: In dem Prozess geht es nur noch um 753,40 Euro. Diesen Betrag soll der Filmunternehmer David Groenewold für Hotel, Abendessen und einen Oktoberfestbesuch des Ehepaares Wulff im Jahr 2008 übernommen haben.Der damalige niedersächsische Ministerpräsident Wulff warb einige Monate später bei Siemens um finanzielle Unterstützung für Groenewolds Film "John Rabe". Wulff wird daher Vorteilsannahme vorgeworfen. Für Wulff geht es also um deutlich mehr als die besagte Geldsumme - er kämpft um seinen Ruf. Zum ersten Mal steht ein ehemaliges deutsches Staatsoberhaupt vor Gericht. 22 Prozesstage sind bislang angesetzt, 46 Zeugen geladen.Thierse kommt Prozess "unverhältnismäßig" vorDass wegen 753,40 Euro nun ein "quälendes Gerichtsverfahren" geführt werde, komme ihm unverhältnismäßig vor, sagte der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse im Deutschlandfunk. "Ist der Wulff-Prozess wirklich nötig?", fragte "Bild" in ihrer Donnerstagsausgabe. Die Boulevardzeitung hatte den Skandal um den damaligen Bundespräsidenten und die Aufklärung entscheidend vorangetrieben. Bis heute wird diskutiert, ob Wulff ein Opfer der Medien ist oder nicht.Das große Interesse der Journalisten zu Prozessbeginn war deshalb wenig überraschend. Für die Verteidiger des wegen "Vorteilsgewährung" mitangeklagten Unternehmers Groenewold war es allerdings zu groß, respektive seine Berücksichtigung: Es seien zu wenig Plätze für normale Prozessbesucher vorhanden und zu viele für die Medienvertreter, rügten sie. Und sorgten mit ihrem Antrag dafür, dass das Verfahren nach wenigen Minuten vom Vorsitzenden Richter Frank Rosenow für eine halbe Stunde unterbrochen wurde.