Wer kennt eigentlich finnische Comics? Außer vielleicht die Mumins, diese nilpferdähnlichen Wesen, die in Wäldern leben und von der finnlandschwedischen Zeichnerin und Schriftstellerin Tove Jansson vor bald 60 Jahren erfunden wurden. Ein Ort bietet sich in Helsinki besonders an, um mehr über aktuelle finnische Comics zu erfahren.
"Wir betreiben das Comics Center in Helsinki. Darin befinden sich eine Galerie, zwei Räume für Comic-Workshops, die wir abhalten, aber auch ein kleines Café und eine Comic-Buchhandlung."
Kalle Hakkola, der Direktor des Comics Centers, ist ein freundlicher Mann um die 40 mit kurz geschorenen Haaren und sehr blauen Augen. Seit sechs Jahren gibt es das staatlich geförderte "Finnische Comics Center". Es liegt im Norden der Stadt, genau gegenüber befindet sich die Kunsthochschule. Das Comics Center ist Anlaufstelle für finnische Comic-Zeichner und auch für Verlage.
"Finnland ist so ein kleines Land, die Zahl der Leser ist so gering. Und deshalb drucken die finnischen Comic-Verlage oft zweisprachige Editionen: finnischer Text mit englischen Untertiteln. Die Bücher können dann sofort von einem internationalen Publikum gelesen werden."
In diesem Jahr ist Finnland Ehrengast der Frankfurter Buchmesse und zu diesem Anlass hat Kalle Hakkola gemeinsam mit dem Hamburger Comic-Zeichner Sascha Hommer einen "Comic Atlas Finnland" auf Deutsch herausgegeben. In Großformat und in Farbe stellt der Comic Atlas zwölf junge finnische Zeichnerinnen und Zeichner mit längeren Auszügen ihrer Arbeiten vor.
"Ich musste diese Geschichte erzählen. Es passiert so selten, dass eine Person einfach verschwindet und nicht wieder auftaucht. Und für mich war es sehr wichtig, diese Szene, in der mein Vater verschwindet, zu zeichnen. Ich habe lange nicht gewagt, es mir vorzustellen, und es hat mich sehr viel Mut gekostet."
Auch die finnische Comic-Zeichnerin Hanneriina Moisseinen ist im Comic Atlas vertreten, mit einem Auszug aus ihrem Comic "Isä" – "Vater". Sie erzählt darin vom Verschwinden ihres eigenen Vaters. Die Künstlerin war damals zwölf Jahre alt.
"Durch das Zeichnen habe ich mich langsam wieder an ihn erinnert. Zuerst an seine Arme, dann an die Farbe seiner Haut. Das war so wichtig für mich. Und irgendwann hab ich verstanden, dass er wirklich einmal eine reale Person war – und nicht nur ein Geist."
Hanneriina Moisseinen, eine junge Frau mit dunkelbraunen Haaren, lebt wie fast alle finnischen Comic-Zeichner in Helsinki. Geboren und aufgewachsen aber ist sie in Karelien im Osten Finnlands, an der Grenze zu Russland.
"Hinter unserem Haus fing der Wald an, und wir waren immer draußen, in der Natur. Haben Beeren gesammelt oder geangelt, sind über den See gerudert. Wir waren immer nur draußen, zu allen Jahreszeiten. Und eigentlich hat mich die Natur erzogen."
Auch in anderen Geschichten im Comic Atlas spielt die Natur eine große Rolle, und mit der Kindheit oder noch weiter zurückliegenden Ereignissen befassen sich ebenfalls mehrere Künstler. Erstaunlich verschieden sind dabei die Zeichenstile und Techniken. Bunte, fast kindlich anmutende Filzstiftzeichnungen finden sich neben sehr grafischen Schwarz-Weiß-Arbeiten, die an Holzstiche erinnern. In Hanneriinas Comic über den Vater finden sich neben den Bleistiftzeichnungen sogar Seiten mit von ihr selbst bestickten Stoffbahnen.
"Meistens lesen die Menschen Comics ziemlich schnell. Und ich wollte sie bremsen, wollte die Zeit anhalten. Und ich glaube, mit den bestickten Seiten funktioniert das ziemlich gut."
Doch solche internationalen Comic-Publikationen sind nur ein Teil der Arbeit des Comics Centers in Helsinki.
"Einmal im Jahr veranstalten wir das Helsinki Comic Festival, das ziemlich umfangreich und wichtig in der Comic-Szene ist. Wir organisieren aber auch viele Comic-Projekte und Ausstellungen im Ausland. Die finnischen Comic-Künstler sind es gewohnt, viel auf Reisen zu sein."
"Comic Atlas Finnland"
herausgegeben von Sascha Hommer und Kalle Hakkola
Aus dem Finnischen von Elina Kritzokat
240 Seiten, teilweise farbig, 34 Euro
herausgegeben von Sascha Hommer und Kalle Hakkola
Aus dem Finnischen von Elina Kritzokat
240 Seiten, teilweise farbig, 34 Euro