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Putins Rede zur Lage der Nation
"Wir wollen Leader sein"

In seiner 10. Rede zur Lage der Nation hat Russlands Präsident Wladimir Putin seinen Zuhörern die Leviten gelesen und sich auch einen Seitenhieb Richtung Westen nicht verkneifen können. Auf die Vorgänge in der Ukraine ging er nur kurz ein.

Von Gesine Dornblüth | 12.12.2013
    Wladimir Putins Rede zur Lage der Nation war ein Ritt durch nahezu alle Felder der Innen- und Außenpolitik. Und er las seinen Zuhörern, darunter die Abgeordneten des Parlaments, Mitglieder der Regierung und Vertreter der Regionen, die Leviten. Im Mai vergangenen Jahres, gleich nach seinem Amtsantritt, hatte Putin diverse Maßnahmen zur Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Situation in Russland angeordnet.
    "Seitdem sind anderthalb Jahre vergangen. Wissen Sie, was ich feststelle? Die Umsetzung geschieht entweder so, dass die Gesellschaft negativ darauf reagiert, oder es geschieht gar nichts. So erreichen wir unsere Ziele nie."
    Das Wirtschaftswachstum in Russland ist ins Stocken gekommen. Dazu Putin:
    "Natürlich spüren wir die Folgen der weltweiten Wirtschaftskrise. Aber man muss es direkt sagen: Die Hauptgründe für die Verlangsamung des Wachstums liegen nicht im Ausland, sondern in unserem Land."
    Putin vermittelte in seiner siebzigminütigen Rede das Bild eines Kümmerers, der sogar für Detailfragen Lösungen weiß. Er forderte zum Beispiel, Kindergärten so zu bauen, dass sie auch als Vorschulen nutzbar sind. Oder Aufsätze von Schülern am Ende des Schuljahres in die Abschlussnoten einzubeziehen. Dem Parlament trug er diverse konkrete Gesetze auf. Das Publikum applaudierte meist eher angestrengt.
    "Nicht geschlechtslose und unfruchtbare sogenannte Toleranz"
    So deutlich seine Kritik an Zuständen in Russland ausfiel, so positiv und selbstbewusst äußerte sich Putin zur Außenpolitik.
    "Wir waren immer stolz auf unser Land. Wir wollen nicht als Supermacht gesehen werden, als weltweiter oder regionaler Hegemon. Wir wollen aber Leader sein. Und dabei internationales Recht verteidigen sowie die nationale Souveränität von Völkern achten. Das ist absolut objektiv und erklärbar für einen Staat wie Russland mit seiner großen Geschichte und Kultur. Mit seiner jahrhundertelangen Erfahrung nicht geschlechtsloser und unfruchtbarer sogenannter Toleranz, sondern der Erfahrung des organischen Zusammenlebens verschiedener Völker in einem Staat."
    Dieser Seitenhieb gegen den Schutz sexueller Minderheiten in den westlichen Ländern kam an. Putin bekräftigte erneut die Rolle traditioneller Werte, von Religion und Familie.
    Auf die aktuellen Ereignisse in der Ukraine ging Putin nur kurz ein. Er hoffe, alle politischen Kräfte dort würden einen Kompromiss finden. Die Ukraine habe bereits vor einem halben Jahr den Wunsch geäußert, als Beobachter an den Treffen der Zollunion aus Russland, Weißrussland und Kasachstan teilzunehmen.
    "Wir zwingen niemandem etwas auf. Aber wenn unsere Freunde mit uns zusammenarbeiten wollen, sind wir auf Expertenebene dazu bereit. Unser Integrationsprojekt beruht auf Gleichberechtigung, auf wirklichen wirtschaftlichen Interessen. Wir werden den Prozess der eurasischen Integration weiter vorantreiben. Und wir werden ihn keinen anderen Integrationsprozessen gegenüberstellen, auch nicht so einem ausgereiften wie dem europäischen. Wir gehen davon aus, dass sich beides ergänzen kann. Und natürlich setzen wir die Arbeit mit unseren europäischen Partnern für ein neues Basisabkommen fort."
    Auf die geplante Amnestie anlässlich des heutigen 20. Jahrestages der russischen Verfassung ging der Präsident nicht ein. Putin hatte am Montag einen Gesetzesentwurf für die Amnestie in die Duma eingebracht, von dem möglicherweise auch einige Kremlkritiker profitieren werden.