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Puzzlen mit Genen

Genetik. - Weizen ist neben Mais und Reis eine der wichtigsten Nahrungspflanzen der Welt. Doch für Genetiker ist Weizen, gelinde gesagt eine große Herausforderung. Das Erbgut sprengt übliche Dimensionen. Es enthält alle Chromosomen von nicht nur einem, sondern gleich drei unterschiedlichen Ur-Weizentypen – mit der entsprechenden Gen-Vielfalt. In "Nature" berichten Forscher jetzt über Fortschritte bei der Entschlüsselung des Weizen-Genoms.

Von Lucian Haas |
    Das Genom von Reis wurde schon vor zehn Jahren weitgehend entschlüsselt. Bei Mais gelang das vor drei Jahren. Beim Weizen hingegen, der dritten wichtigen Säule der Welternährung, zweifelten Forscher lange daran, ob das überhaupt machbar sein könnte.

    "Weizen hat das größte und komplizierteste Genom, das jemals zu entschlüsseln versucht wurde. Es ist mehr als fünf Mal so groß wie das menschliche Genom. Zudem besteht das Weizenerbgut aus drei unabhängigen Genomen, die jeweils von einem nahen Verwandten von Weizen stammen. Das bedeutet: Von jedem Weizengen gibt es gleich drei Varianten, die sehr ähnlich sind."

    Michael Bevan ist Pflanzengenetiker am John Innes Center im britischen Norwich. Gemeinsam mit einer internationalen Gruppe von Wissenschaftlern arbeitet er daran, das riesige Gen-Puzzle des Weizenerbguts trotz solcher Schwierigkeiten zu lösen. Und es besteht Hoffnung: Die Forscher haben jetzt eine erste Analyse von Sequenzdaten des gesamten Weizengenoms vorgelegt.

    "Unsere Analyse ist noch lange nicht komplett. Die Sequenz besteht noch aus vielen Einzelteilen. Gleichwohl konnten wir nahezu alle Gene des Weizens identifizieren und stellen nun diese Daten jedermann zur weiteren Nutzung zur Verfügung."

    Das Weizenerbgut umfasst rund 17 Milliarden Basenpaare. Darin enthalten sind laut den neuen Erkenntnissen 94.000 bis 96.000 Gene – mehr als vier Mal so viele wie beim Menschen. Zwei Drittel dieser Gene konnten die Forscher sogar soweit entschlüsseln, dass nun klar ist, zu welchem Teilerbgut des Weizens sie gehören. Am Institut für Bioinformatik des Helmholtz-Zentrums München wurden dafür eigens neue Methoden entwickelt, um so komplexe Sequenzanalysen überhaupt machen zu können, berichtet der Arbeitsgruppenleiter Klaus Mayer:

    "Es gab in den letzten zwei bis drei Jahren ziemlich revolutionäre technische Entwicklungen. Man kann jetzt mit relativ sparsamen Methoden relativ große Mengen an Sequenzdaten erzeugen. Und wir haben in den letzten Jahren auch sehr, sehr gut gelernt, wie man diese Sequenzdaten ordnet und entschlüsselt."

    Die neue Übersicht der Weizengene ist für Pflanzenzüchter sehr wertvoll. Peter Langridge, Leiter des Australischen Zentrums für funktionelle Pflanzengenomik an der Universität Adelaide, war an der Studie nicht beteiligt. Er sagt:

    "Das ist wirklich spannend. Das wird das Kartieren und Isolieren einzelner Weizengene viel einfacher machen als bisher."

    Sind der Ort und die Funktion von Genen im Pflanzenerbgut genau bekannt, wird es leichter, neue Sorten mit gewünschten genetischen Eigenschaften zu züchten. Bei Reis wurden mit der genbasierten Präzisionszucht in den vergangenen Jahren schon große Erfolge erzielt. Die Komplexität des Weizenerbguts hingegen schreckte viele Pflanzenzüchter bisher davon ab, überhaupt mit Weizen zu arbeiten. Das könnte sich in Zukunft ändern, meint Peter Langridge.

    "Ich sehe darin eine Chance. Weizen ist wahrscheinlich auch deshalb ein so erfolgreiches Getreide, weil es dieses große und komplexe Genom besitzt. Das macht Weizen viel anpassungsfähiger – beispielsweise an unterschiedliche Klimabedingungen – als alle anderen Getreidearten."

    Gerade mit Blick auf die Welternährung in Zeiten des Klimawandels könnte der Weizenzucht in der Zukunft eine wachsende Bedeutung zukommen. Der tiefe Einblick ins komplexe Weizengenom wird dabei helfen. Die aktuelle Analyse ist dafür ein wichtiger Zwischenschritt. Bis 2016 will das Internationale Weizen-Genomsequenz-Konsortium nicht mehr nur eine grobe Genkarte, sondern eine genaue Sequenz samt der Zuordnung der Gene zu jedem der 21 Weizen-Chromosome vorlegen.