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Quantenspuk im Großen

Physik. - Verschränkung ist ein Phänomen aus der Physik, das selbst vielen Experten irgendwie unheimlich ist. Zwei verschränkte Teilchen stehen in einer nahezu telepathischen Verbindung: Obschon kilometerweit entfernt, verhalten sich die beiden immer gleich. Bislang kennt man das Phänomen nur aus dem Mikrokosmos der Quanten und Atome. Doch Physiker aus Hannover wollen in einem spektakulären Experiment zeigen, dass die Verschränkung im Prinzip auch in größerem Maßstab möglich ist

Von Frank Grotelüschen |
    Stellen sie sich vor, Sie nehmen einen Knobelbecher, würfeln zehn Minuten lang und schreiben jede Zahl auf eine Liste. Im Büro nebenan tut Ihr Kollege dasselbe. Wenn die zehn Minuten vorbei sind, vergleichen Sie beide Listen - und stellen fest, dass Sie und Ihr Kollege exakt dieselben Zahlen gewürfelt haben! Doch halt: Bevor Sie anfangen, an Uri Geller zu glauben - solch eine spukhafte Fernwirkung gibt es nicht. Oder besser gesagt: Es gibt sie bislang nur im Mikrokosmos, in der Welt der Atome und der Lichtteilchen - also dort, wo die seltsamen Regeln der Quantenphysik gelten. Verschränkung, so heißt dieser Effekt, und er geht auf Albert Einstein zurück.
    "Er hat in der Quantentheorie diesen Effekt gefunden. Er hat gesehen: Wenn die Quantentheorie so richtig ist, wie sie damals aufgeschrieben wurde, dann müsste es diesen Effekt zumindest bei sehr kleinen Teilchen geben", "

    sagt Roman Schnabel, Juniorprofessor am Albert-Einstein-Institut in Hannover. Verschränkung bedeutet, dass sich zwei Quanten, zum Beispiel zwei Lichtteilchen, unter bestimmten Bedingungen verhalten wie telepathische Zwillinge: Sie stehen auch dann noch miteinander in Verbindung, wenn sie nach ihrer gemeinsamen Geburt weit auseinander geflogen sind. Ändert zum Beispiel eines der Teilchen seine Richtung, in der es schwingt, geht das unmittelbar auf den Zwilling über: Auch er ändert seine Schwingungsrichtung - und zwar ohne jeden Zeitverzug. Einstein hatte diese Verschränkung 1935 ins Gespräch gebracht. Doch dass sie tatsächlich existiert, daran glaubte er nicht.

    " "Er fand das sehr abstrus, weil er meinte, es gäbe ja überhaupt keine Kraft, die so etwas bewirken könnte. Das müsste also eine spukhafte Fernwirkung sein. Denn es ist in der Tat so: Die beiden verschränkten Teilchen könnten dabei auch noch beliebig weit voneinander entfernt sein - Lichtjahre womöglich."

    Doch Einstein sollte irren. Im Laufe der letzten Jahrzehnte fanden Physiker in unzähligen Laserexperimenten heraus, dass es diese Verschränkung tatsächlich gibt - zumindest bei winzigen Quanten wie Lichtteilchen und Atomen. Und nun glaubt Roman Schnabel, dass sie auch bei makroskopischen, also ganz handfesten Gegenständen existieren sollte. Um das zu überprüfen, hat er sich folgendes Experiment ausgedacht:

    "Unsere Idee war, dass wir zwei Spiegel nehmen, zwischen denen Laserstrahlen hin- und herlaufen. Diese Spiegel sollen handtellergroß sein, vielleicht sogar mehr als ein Kilogramm pro Stück wiegen."

    Damit die Verschränkung klappt, müssen die Spiegel quasi in Isolierhaft gehalten werden. Man muss sie möglicht perfekt von der Außenwelt abschirmen: Eine Halterung aus extrem feinen Quarzfäden soll Vibrationen ausgleichen, und Vakuumpumpen sollen die gesamte 10 Meter lange Apparatur luftleer pumpen und damit Temperaturschwankungen ausschalten. Dann wollen die Physiker einen Laserstrahl zwischen den Spiegeln hin- und herlaufen lassen. Genau dabei soll dann die Verschränkung von selbst entstehen, wie von Geisterhand.

    "Das heißt: Der eine Spiegel ist mit dem anderen verschränkt und auch mit dem Laserlicht, das zwischen diesen beiden Spiegeln hin- und herläuft. Unser Plan ist, einmal pro Millisekunde die gegenseitige Entfernung der beiden Spiegel zu messen und parallel auch die gegenseitige Geschwindigkeit zwischen diesen beiden Spiegeln zu messen. Wir schreiben diese Messdaten auf - ähnlich, wie wir das bei den Würfeln gemacht haben. Und dann wird man feststellen, dass diese Zahlen tatsächlich immer identisch waren."

    Damit wäre die Verschränkung für den Makrokosmos nachgewiesen - wenn auch nur für eine Zeitspanne von ein paar Millisekunden. Länger nämlich lassen sich Spiegel und Laserstrahl nicht als von ihrer Umgebung isoliert ansehen. Doch manche Physiker wie der Brite Roger Penrose meinen, man könne Gegenstände wie Spiegel grundsätzlich nicht verschränken. Dazu seien sie schlicht zu schwer; ihre Gravitationswirkung würde die Verschränkung zerstören.

    "Das würde bedeuten, unser Experiment würde nicht gelingen. Anders herum denken wir aber, dass das möglich ist. Wir könnten dann mit unserem erfolgreichen Experiment diese Hypothese von Herrn Penrose widerlegen."

    Zurzeit fangen Schnabel und seine Leute gerade an, ihr Spiegelexperiment aufzubauen. Mit ersten Ergebnissen rechnen sie in zwei Jahren.