Wie wird das Klima auf der Erde in einhundert oder zweihundert Jahren sein? Ich weiß es nicht. Ich glaube auch nicht, dass ich es wissen kann. Und ganz wichtig: Ich glaube nicht, dass es überhaupt jemand wissen kann. Das ist eine Menge Unglauben auf einmal. Ich weiß. Aber keine Angst, es kommt jetzt keine Abrechnung à la "Die Klimalüge" oder "Der Klimaschwindel". Das wäre ebenfalls eine falsche Gewissheit, nur spiegelverkehrt zum gängigen Katastrophenglauben.
Dieser Satz aus der Einleitung des Buches bringt Maxeiners Ansatz auf den Punkt. Es geht dem Autor keineswegs darum, den Klimawandel beziehungsweise den menschlichen Einfluss auf diesen zu leugnen. Auch findet sich nirgends der Rat, die Menschheit solle einfach weitermachen wie bisher. Maxeiners Kampf gilt den falschen Gewissheiten, die sich in der Öffentlichkeit verfestigen, den Mythen - oder sollte man sagen: bewussten Manipulationen? , die sich wissenschaftlich nicht belegen lassen:
Jetzt kippt also das Klima. Und wieder sind sich alle einig. So wird zumindest behauptet. Stimmt aber nicht. Der treueste Begleiter des Wissenschaftlers ist der Konjunktiv, und wer die wissenschaftliche Literatur aufmerksam studiert, wird auf ganze Schwämme davon treffen. Das ist auch normal und gut so. Nicht gut ist die wilde Entschlossenheit von Politikern, Funktionären, Aktivisten und vielen Medien, den Konjunktiv und das Fragezeichen in dieser Sache abzuschaffen.
Maxeiner selbst ist Publizist, kein Wissenschaftler, doch in der Materie kennt er sich aus - und er versteht, diese zu vermitteln. Die ersten einhundert Seiten des Buches sind eine tour de force durch den Stand der Forschung. Der Leser erfährt manches über die Bedeutung der Meere für das globale Klima, den Einfluss kosmischer Strahlung auf die Temperaturschwankungen, die begrenzte Aussagekraft theoretischer Modelle und computerbasierter Prognosen.
Wer sich etwas intensiver mit der Klimamaterie beschäftigt, kommt so immer wieder zu der Erkenntnis: Nichts ist so klar, wie es auf den ersten Blick scheint oder behauptet wird. Schon eine vermeintlich ganz einfache Sache wie die Ermittlung der Globaltemperatur entpuppt sich als hoch kompliziertes Verfahren mit tausend Fragezeichen.
In der öffentlichen Wahrnehmung aber würden eben diese Fragezeichen immer mehr verschwinden. Darum geht es im zweiten Teil des Buches. Beispiel: Die so genannte Jahrtausendflut an der Elbe 2002, die tatsächlich alles andere war als das. Während Meteorologen der Universität Leipzig belegten, dass es sich bei der Flut keineswegs um ein singuläres Ereignis handelte, dass Elbe und Oder im Gegenteil in den vergangenen 150 Jahren milder geworden seien, stießen derlei Erkenntnisse, so Maxeiner, auf taube Ohren:
Diejenigen Wissenschaftler, die einen Zusammenhang zwischen Hochwasser und dem vom Menschen gemachten Klimawandel bezweifelten, wurden kaum gehört. Wer nicht jene Aussagen liefert, die der Erwartungshaltung der Medien entsprechen, wird totgeschwiegen. Viele Wissenschaftler hielten auch den Mund, weil sie sich nicht den Zorn der emotionalisierten Öffentlichkeit zuziehen wollten.
Denn mit der Angst der Öffentlichkeit lassen sich Geschäfte machen. 80 Milliarden Euro, so Maxeiner, seien seit Anfang der 1990er Jahre in die Klimaforschung investiert worden. Lautstarke Zweifel am Menschen gemachten Klimawandel würden Stellen und Fördermittel gefährden. Ähnliche Mechanismen seien in den Medien, vor allem aber unter Umweltorganisationen, Funktionären und Politikern zu beobachten:
Seit dem Ende des Kalten Krieges im Jahre 1989 mangelt es der Politik des Westens zusehends an einer mitreißenden Idee, gleichsam einer neuen Utopie. Und diese glaubt man jetzt offenbar gefunden zu haben. Der negativen Utopie der Klimakatastrophe soll mit einer gemeinsamen Anstrengung, nämlich dem Projekt der Weltrettung, begegnet werden ... Eine Politik, die nicht in der Lage ist, die Krankenkassenbeiträge zu stabilisieren, gibt nun vor, die Welttemperatur in 100 Jahren um zwei Grad regulieren zu können. Und das Schöne dabei: Man kann mit dem so genannten Klimaschutz alles rechtfertigen, jedes Verbot, jede Steuererhöhung ... Während die Menschen die Stabilisierung der Gesundheitskosten innerhalb einer Wahlperiode überprüfen können, ist eine Erfolgskontrolle beim Klimaschutz - wenn überhaupt - erst in 100 Jahren möglich. Eine beruhigende Aussicht für jeden Politiker, der wiedergewählt werden möchte.
Schade ist, dass sich Maxeiner mit der Rolle des Kritikers und Entschleierers begnügt. Einen Weg, den die Entscheidungsträger trotz aller mit dem Klimawandel verbundenen Unsicherheiten beschreiten sollten, lässt sich - wenn überhaupt - nur erahnen. Sei's drum. Hurra, wir retten die Welt! bietet viele interessante Ein- und Ansichten. Maxeiner legt den Finger in manche Wunder, wendet sich zudem an eine breite Leserschaft. Die Wissenschaft lebt von der Kontroverse. Die Politik und öffentliche Debatte, so möchte man hinzufügen, auch.
Marc-Christoph Wagner über Dirk Maxeiner: Hurra, wir retten die Welt! Wie Politik und Medien mit der Klimaforschung umspringen. Der Band ist im wjs-Verlag erschienen, 230 Seiten kosten Euro 19,90.