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Quietschen fürs Futter

Anatomie. - Fast ein Viertel aller Säugetierarten weltweit sind Fledermäuse. Die Fledermäuse in Europa fangen vor allem Insekten mit Hilfe ihres Echo-Ortungssystems. Dänische Biologen haben nun untersucht, ob und wenn ja wie unterschiedliche Fledermausarten ihre Rufe an die jeweilige Umgebung anpassen können.

Von Jochen Steiner |
    Ihre Ergebnisse stellen sie heute im Fachmagazin "Nature" vor.

    "Fledermäuse sind im Tierreich sozusagen die Weltmeister, weil sie nicht nur mit Hilfe ihres Gehörs, mit der Echoortung hören, sondern sich auch damit orientieren."

    Professorin Annemarie Surlykke von der Universität Odense in Dänemark ist von den kleinen fliegenden Säugetieren fasziniert. Schon seit vielen Jahren studiert sie ihr Verhalten und ihre Lautäußerungen. Die allermeisten Rufe von Fledermäusen sind für das menschliche Ohr nicht hörbar, sie liegen im Ultraschall-Bereich. Dabei gilt folgende Regel:

    "Man weiß schon lange: je kleiner die Fledermaus, desto höher die Frequenz ihrer Rufe."

    Kleine Fledermausarten brauchen diese hohen Frequenzen, um ihre Beutetiere, winzige Insekten, aufzuspüren.

    "Das ist genauso, als ob man ein Licht- mit einem Elektronenmikroskop vergleicht. Um wirklich kleine Strukturen erkennen zu können, muss man kurze Wellen einsetzen. Diese Wellenlänge sollten in der gleichen Größenkategorie liegen wie das zu untersuchende Objekt, zum Beispiel Zellkerne, die man in einem Lichtmikroskop nicht sehen kann."

    Um winzige Insekten zielsicher orten und fangen zu können, müssen die nächtlichen Jäger also kurze Wellenlängen wählen, das bedeutet, hohe Frequenzen im Ultraschallbereich.

    "Die Leute waren mit dieser Erklärung lange Zeit zufrieden, aber sie haben sich nicht hingesetzt und gerechnet!"

    Das haben Annemarie Surlykke und ihr Team getan. Denn ihnen war etwas aufgefallen:

    "Wenn man sich die tatsächlichen Größen der Beutetiere und die tatsächlichen Wellenlängen ansieht, dann kann einfach berechnet werden, dass kleine Fledermäuse ihre Beute selbst dann noch geortet hätten, wenn sie zwei- bis dreifach niedrigere Frequenzen, also längere Wellen gewählt hätten."

    Doch warum sollten die kleinen Arten höhere Frequenzen produzieren als eigentlich nötig? Hängt es vielleicht nicht nur von der Beutegröße ab? Um diese Fragen zu klären brachten die Forscher Vertreter von sechs verschiedenen Arten, allesamt aus der Familie der Glattnasenfledermäuse, in ein stockfinsteres Labor.

    "Wir haben sie dann im Labor fliegen lassen. Mit mehreren Mikrofonen konnten wir gleichzeitig ein und denselben Ruf aus unterschiedlichen Winkeln aufnehmen."

    Und so hören sich zum Beispiel die Rufe einer vergleichsweise großen Art wie der Breitflügelfledermaus an, 40-fach verlangsamt und für das menschliche Ohr in der Höhe angepasst:

    Und so die der gerade einmal fünf Gramm leichten Mückenfledermaus, deren Körper nur fünf Zentimeter misst:

    Der relative Unterschied in den Frequenzen ist deutlich zu hören, die kleine Mückenfledermaus stößt höhere Rufe aus. Surlykke und ihre Kollegen werteten die Aufnahmen am Computer aus und kamen zu folgendem Ergebnis:

    "Wir haben herausgefunden, dass diese Fledermäuse mit ihren sehr unterschiedlichen Größen und ihren unterschiedlichen Frequenzen in der gleichen Umgebung, in unserem Flug-Labor, alle die exakt gleichen Schallkegel ausgestoßen haben, also die Weite und die Länge des Schallkegels waren immer gleich."

    Das bedeutet, dass Fledermäuse ihre Rufe an die jeweilige Umgebung aktiv anpassen können. Insekten, die weit weg fliegen, können nur mit einem engem Schallkegel zielsicher geortet werden. Große Fledermäuse schaffen das mit vergleichsweise niedrigen Frequenzen, kleine Arten aber nur mit hohen. Denn es ist vom Verhältnis von Wellenlänge zu Körper- beziehungsweise Maulgröße abhängig, wie gerichtet ein Tier Rufe ausstoßen kann. Kleine Arten wie die Mückenfledermaus müssen also sehr hohe Frequenzen hervorbringen, ihre geringe Größe zwingt sie dazu. Ansonsten würden die winzigen Jäger ziemlich tapsig durch die Nacht fliegen.