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Radiolexikon: Schulterluxation

Oft genügt ein Sturz oder eine heftige Bewegung des Oberarms und die Schulter ist ausgekugelt. Orthopäden diagnostizieren dann eine "Schulterluxation". Sie zählt zu den am häufigsten auftretende Gelenkverrenkungen überhaupt..

Von Mirko Smiljanic |
    Die Sonne scheint, es ist warm – ideal für eine Fahrradtour. Leider aber auch ideal für Fahrradunfälle, deren Zahl in den letzten Jahren übrigens kräftig gestiegen ist! Auch solche ohne Beteiligung von Autos. Eine Unachtsamkeit, und schon ist es passiert, ...

    "... ich bin mit dem Fahrrad auf die Schulter gestürzt und habe seitdem ganz starke Schmerzen in der Schulter und kann sie nicht mehr bewegen, ... "

    ... Fahrräder haben eben keine Knautschzone, ...

    "... ja, in einer Kurve weggerutscht und dann draufgefallen, ..."

    ... was höllische Schmerzen verursacht hat: Die Fahrradtour war beendet, ohne medizinische Hilfe ging da gar nichts mehr. Und die führte den Schulterlädierten in die Klinik für Orthopädie am Kölner Krankenhaus der Augustinerinnen – im Volksmund auch schlicht Severinsklösterchen genannt.
    "Zunächst muss man mal abklären, ob eventuell ein Bruch des Schultergelenkes vorliegt ...",

    ... Dr. Marc Fischbacher, Oberarzt, ...

    "... zu diesem Zweck werden meist Röntgenbilder angefertigt in zwei Ebenen, wenn eine Fraktur ausgeschlossen werden kann und die Schulter noch ausgerenkt steht, dabei muss man die sehr dringend wieder einrenken."

    Glück gehabt im Pech, der Knochen war nicht gebrochen, die Schulter aber ausgerenkt. Mark Fischbach diagnostizierte eine Schulterluxation – was übrigens auch für den Laien von außen gut sichtbar ist.

    Wenn die Schulter ausgerenkt steht, dann ist die Schultersilhouette verändert, der Oberarmkopf, also die Kugel des Schultergelenks, steht tiefer und meistens nach vorne, sodass man häufig schon die veränderte Silhouette sehen kann, wenn man sie nicht sehen kann, so kann man sie häufig tasten, denn direkt unter dem knöchernen Schulterdach befindet sich eine tastbare Lücke.

    Schulterluxationen sind fast immer die Folge von Unfällen – sei es nun beim Fahrradfahren, beim Sport – Handballer gehören zur Toprisikogruppe – oder beim Toben. Das spiegelt sich auch im Alter der Patienten wider: Zwischen 15 und 35 Jahren sind die meisten. Pro einer Million Einwohner – Männer sind häufiger betroffen als Frauen – treten Schulterluxationen etwa 150 bis 200 Mal pro Jahr auf. Kling wenig, ist es aber nicht. Ausgerenkte Schultern sind die häufigste Luxation eines Gelenkes überhaupt. Und dafür gibt es medizinische Gründe: Schultern sind extrem bewegliche Gelenke, und damit besonders anfällig für Verletzungen. Der Schulterkopf liegt – ganz anders als etwa beim Hüftgelenk – fast ungeschützt in der Pfanne.
    "Das kann man sich so vorstellen, als wenn ein Golfball auf einem Golftee liegt, das ist eine relativ instabile Situation, die Schulter ist ja ein wesentlich muskel- und kapselgeführtes Gelenk, und durch erhebliche Krafteinwirkung kommt es eben dazu, dass die Kugel von der Pfanne runterrutscht, und das meist nach vorne und unten."

    Es grenzt schon an ein Wunder, dass Schultern nicht ständig ausrenken, werden sie doch nur von einem komplizierten System von Muskeln und Sehnen gehalten.

    "Die Pfanne ist ja kleiner als der Kopf, und die hat am Rand so eine knorpelige Rinne, wie so ein Einmachring, der hindert die Schulter nach vorne, nach hinten, nach oben oder unten rauszurutschen, aber die wesentliche Halterung wird durch die Muskulatur hervorgerufen, die zentriert den Kopf in die Pfanne, ..."

    ... Professor Alfred Karbowski, Chefarzt der Klinik für Orthopädie am Kölner Krankenhaus der Augustinerinnen. Ausgerenkte Schulter sind in der Regel schmerzhaft – was nicht weiter verwundert, Schulterluxationen zerren und dehnen die beteiligten Muskeln und Sehnen. Hier und da reißt auch mal etwas ab. Dr. Marc Fischbacher.

    "Bei jüngeren Patienten ist es so, dass diese Knorpellippe, die die Gelenkpfanne vergrößern soll, vom Gelenkrand abreißt, das haben nahezu alle jüngeren Patienten, also jünger als 25 Jahre, die einen erheblichen Unfallmechanismus erlitten haben. Bei älteren Patienten, das gilt so ab 35, kommt zusätzlich noch zum Einreißen der Rotatorenmanschette oder Rotatorenhaube, das ist so eine Muskel-Sehnen-Haube, die das Schultergelenk im Wesentlichen führt, da kann es dann eben zu Begleitverletzungen kommen."

    Die Behandlung einer ausgerenkten Schulter richtet sich nach den Begleitverletzungen. Sind Knorpellippe und Rotatorenmanschette unverletzt, muss nicht operiert werden. Dann reicht es, das herausgerutschte Gelenk wieder in die richtige Position zu bringen. Dafür gibt es verschiedene Methoden, die aber alle nach dem gleichen Prinzip funktionieren: Der Arzt zieht am Oberarm und dreht ihn gleichzeitig nach außen. Mit etwas Glück schnappt der Gelenkkopf in die Pfanne.

    "Das kann man bei sehr kooperativen Patienten mit leichten Schmerzmitteln machen und einem leichten Dauerzug, das geht sehr gut, wenn die Patienten selbst mitmachen können, wenn die sehr schmerzgeplagt sind, muss man das unter Umständen unter Vollnarkose reponieren."

    Zeigen die Röntgenbilder Verletzungen, ist eine Operation allerdings unumgänglich.

    "In der Regel guckt man erst, ist die Gelenklippe abgerissen, dann wird die Gelenklippe genäht, da gibt es spezielle arthroskopische Techniken, da muss man die Schulter gar nicht mehr aufmachen, oder wenn Muskeln verletzt sind, wie können wir die Muskeln so raffen, dass diese Muskelhaube wieder so ist, wie sie sein soll."

    Und was sagen die Orthopäden, wenn jemand selbst Handanlegen und seine Schulter einrenken will? Hartgesottene machen das ja auch schon mal bei ausgerenkten Fingergelenken.

    "Patienten, die schon sehr häufig Schultergelenksausrenkungen hatten, die könnten das unter Umständen selber wieder einrenken, das setzt aber voraus, das es schon strukturelle Schäden am Gelenk gibt, dass das schon ausgeleiert ist. Als Laie sollte man, wenn man den Verdacht hat, dass das Schultergelenk erstmalig ausgerenkt ist, die Finger davon lassen, es könnte auch Bruch vorliegen und wenn man versucht, in diesen Bruch eine Einrenkung zu machen, ist das eher schädlich für die Schulter."

    Ist das Gelenk wieder eingerenkt und die Operation überstanden, beginnt die Rekonvaleszenz – und die dauert je nach Alter des Patienten und nach Schwere der Verletzungen vergleichsweise lange.

    "Dann muss man nach Operation zwei Wochen die Schulter sehr streng ruhigstellen, dann kann man langsam anfangen, unter krankengymnastischer Betreuung die Schulter wieder zu bewegen. Es wird angestrebt, dass die Schulter nach sechs Wochen nahezu den alten Bewegungsradius erreicht hat, dann ist allerdings noch keine Sportfähigkeit gegeben, das kann sich durch drei Monate oder sechs Monate hinziehen, bis die Sportfähigkeit wieder gegeben ist oder die Belastungsfähigkeit für Überkopftätigkeiten, also Automechaniker, solche Dinge können unter Umständen bis zu einem halben Jahr dauern, bis das wieder möglich ist."

    Die nächste Fahrradtour muss wohl ins kommende Jahr verschoben werden.

    "Zuerst war das so, dass ich die Schulter nur ganz wenig bewegen durfte, das wurde dann aber immer mehr, am Anfang hat der Krankengymnast das hauptsächlich bewegt, dann durfte ich aber mit der Zeit auch immer mehr selbst machen, und bald darf ich mit einem bisschen Krafttraining wieder anfangen."