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Radsport
Umstrittener Giro-Start in Israel

Der Giro d'Italia startet in diesem Jahr zum ersten Mal außerhalb Europas. Für Israel ist das Event eines der teuersten Sportereignisse in der Geschichte des Landes. Einige Athleten gehen allerdings mit gemischten Gefühlen an den Start - besonders die Sicherheitslage bereitet vielen Sorgen.

Von Holger Gerska | 02.05.2018
    Sportministerin Miri Regev bei der Pressekonferenz zum Start des Giro d'Italia.
    Sportministerin Miri Regev bei der Pressekonferenz zum Start des Giro d'Italia. (imago sportfotodienst)
    Die Liste der Gegner dieses Giro d’Italia-Starts in Israel ist lang und ziemlich prominent. Angeführt wird sie von Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch und EU-Politikern. Aber nach Lage der Dinge wird es trotz aller Aufregung mit einem 10 Kilometer langen Zeitfahren in Jerusalem losgehen. Der viermalige Weltmeister in dieser Disziplin Tony Martin gehört zu den Favoriten, kommt aber mit einem mulmigen Gefühl an den Start:
    "Generell war das erstmal ein schönes Zeichen. Sport verbindet ja auch viel und ich glaube das hätte auch viel positive Energie freisetzen können. Natürlich: Was jetzt in den letzten Wochen und Monaten passiert ist, konnte zum Zeitpunkt der Planung des Giro-Starts noch keiner absehen. Insofern ist, glaube ich, niemandem ein Vorwurf zu machen."
    "Die Leidtragenden sind letztendlich wir Sportler"
    Tony Martin meint vor allem die politisch extrem brisante Verlagerung der US-Botschaft von Tel Aviv zum Startort Jerusalem – geplant für die nächsten Tage - und die permanenten Unruhen im Gaza-Streifen mit dutzenden Todesopfern. Gefeiert werden soll mit diesem größten Sportereignis aller Zeiten in Israel der 70. Jahrestag der Staatsgründung. Sportler wie Robert Wagner wollen aber einfach in Ruhe Sport treiben:
    "Die Leidtragenden sind letztendlich wir Sportler. Es sollte denn auch der Sport im Vordergrund stehen, aber wird es leider nicht."
    Drei Renntage lang gastiert der Giro d’Italia in Israel. Dem Zeitfahren in Jerusalem folgen am Wochenende Etappen nach Tel Aviv und Eilat. Begleitet von einem riesigen Sicherheitsaufgebot, wobei niemand besser als ein Radsportler weiß, das ein Radrennen nicht wirklich zu schützen ist und ein leichtes Ziel abgibt. Rüdiger Selig, Sprinter aus der deutschen Bora-Mannschaft sieht es pragmatisch:
    "Wo ist man schon sicher? Also ich denke, die Veranstalter werden das schon alles gut absichern. Ich kann mir nicht vorstellen, dass da ein Start stattfinden würde, wenn es unsicher wäre."
    "Geld regiert die Welt!"
    Aber die italienischen Giro-Organisatoren haben auch bis zur letzten Minute einen Plan B in der Tasche. Darauf setzt Tony Martin. Er hat sich natürlich vor der Abreise intensiv mit der Lage vor Ort beschäftigt:
    "Klar hört man viel Schlimmes über Gaza. Ich muss sagen, ich verlasse mich da wirklich auf die Organisatoren, dass die eine gute Einschätzung der Gefahrenlage machen und uns dann wirklich unter guten Bedingungen starten lassen. Oder eben den Plan B rausholen."
    Bleibt die Frage, warum der Plan B nicht längst zum Plan A wurde? Die wohl beste Antwort gibt der deutsche Giro-Starter Rüdiger Selig:
    "Da ist halt immer auch das Geld ein bisschen mit im Spiel. Geld regiert die Welt! Ich hab keine Ahnung, was da geflossen ist oder was da passiert. Es gibt meiner Meinung nach schönere Ort wo man hätte starten können. Gerade für den Giro in Italien gibt es so viele schöne historische Orte."
    Historisch wird natürlich auch der Start in der Altstadt von Jerusalem. Und ansonsten können alle Beteiligten nur hoffen, dass in den drei Radsporttagen in Israel nur sportlich Geschichte geschrieben wird.