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Rätselhafte Bandenbildung

Ethologie. – Kooperation ist im Tierreich weit verbreitet. Bei den Rotstirnmakis auf Madagaskar kooperieren Männchen einer Gruppe sogar, um die Weibchen einer fremden Gruppe zu erobern. Der Grund ist nicht klar, denn nur ein Männchen kann sich hinterher fortpflanzen. Ein deutscher Primatenforscher will jetzt mit einem Computerprogramm dem Grund dieser Zusammenarbeit näher kommen. Auf der 10. Tagung der deutschen Gesellschaft für Primatologie in Leipzig berichtete er darüber.

Von Kristin Raabe |
    Diese seltsamen Laute, stammen aus den Wäldern von Madagaskar von den so genannten Rotstirnmakis. Es sind kleine Tiere mit einem weichen bräunlichen Fell, einem rotbraunem Schopf über der schwarzen Nase und großen Augen. Rotstirnmakis sind Lemuren, die eine vergleichsweise ursprüngliche Affengruppe darstellen und fast ausschließlich auf der Insel Madagaskar überlebt haben. Die Rotstirnmakis werden schon seit Jahren intensiv von Deutschen Primatenforschern beobachtet. Sie leben in kleinen Gruppen von etwa drei Weibchen und drei Männchen. Vor allem das Verhalten der männlichen Rotstirnmakis, gibt den Forschern Rätsel auf.

    "Die wandern zusammen und zwar wandern die zusammen aus ihrer Geburtsgruppe aus, und zwar mit allen Männchen die da drin sind und die übernehmen dann komplett eine andere Gruppe Weibchen indem sie dort alle anderen Männchen rausschmeißen, das ist fast das intensivste an Kooperation das wir uns vorstellen können bei Primaten, weil da geht es um die Mitgliedschaft in einer Weibchengruppe. Da läuft die Reproduktion ab, da geht es richtig um die Wurst. Wenn dabei kooperiert wird, dann ist das richtig wichtig."

    Oliver Schülke vom Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig hat auf Madagaskar selbst Lemuren beobachtet. Die Rotstirnmakis hat allerdings seine Frau studiert. Beide Forscher interessieren sich für die Hintergründe von kooperativem Verhalten. Bei den Rotstirnmakis ist die große Frage, warum die Männchen bei der Eroberung einer neuen Gruppe miteinander kooperieren. So richtig zum Zug kommt bei den Weibchen nämlich nur das dominante Männchen. Die anderen haben keinen offensichtlichen Nutzen von der Kooperation. Es sei denn sie wären untereinander verwandt: Dann würden sie durch die Unterstützung ihres Verwandten sicherstellen, dass wenigstens ein Teil ihrer eigenen Gene an die nächste Generation weitergegeben wird. Schülke:

    "Kooperation zwischen Männchen ist aber aus einem relativ einfachem Grunde viel Problematischer, weil die Ressource, um die Männchen am stärksten konkurrieren nicht teilbar ist. Die konkurrieren um Zugang zu fertilen Weibchen und jede Eizelle kann nur einmal befruchtet werden, das kann man also hinterher nicht aufteilen. Kooperation zwischen Weibchen ist viel einfacher, sich vorzustellen wie das zustande gekommen ist, wenn sich da zwei Tiere gegenseitig unterstützen und es geht hauptsächlich um Nahrungsressourcen, dann kann man das Beste gegen alle anderen verteidigen und es hinterher untereinander verteilen, das können Männchen nicht machen. Das ist wahrscheinlich ein Grund warum Männchen weniger stark miteinander kooperieren werden."

    Warum die männlichen Rotstirnmakis trotzdem so auffällig kooperieren, könnte nur eine Analyse ihrer Verwandtschaftsbeziehungen klären. Das ist aber wie bei vielen Affenarten nicht so einfach: Es fehlen zuverlässige genetische Marker, um Verwandtschaftsverhältnisse durch Genuntersuchungen sicher zu klären. Deswegen hat Oliver Schülke gemeinsam mit einem Statistiker ein Computerprogramm entwickelt, dass eine Aussage darüber erlaubt, wie viele verwandte Männchen innerhalb einer Gruppe sein müssten. Die Daten, die die Forscher dort eingeben sind rein demographische Informationen. Beispielsweise, wie viele Männchen in welchem Zeitabstand geboren werden, wie viele von ihnen das Erwachsenenalter erreichen und wie groß die Anzahl der Männchen in einer Gruppe ist und wie und wann die Männchen die Gruppe verlassen. Schülke:

    "Das Ergebnis, dass diese Informationen produzieren, sieht dann so aus, dass ein erwachsenes Männchen, sowohl bei Lemuren, als auch bei Languren, im Durchschnitt zwei nah verwandte Männchen in der Population findet, die müsste man jetzt aber auch erst mal finden und dann müsste man es schaffen in der gleichen Gruppe zu landen, um dann hinterher auch zu kooperieren. Das ist also eine Situation, wo ich es nicht erwarten würde Verwandtenselektion zu finden."

    Alle jungen männlichen Rotstirnmakis verlassen ihre Geburtsgruppe und wandern in eine neue Gruppe ein. Dass sie dort auf einen Verwandten treffen erscheint eher unwahrscheinlich. Die Beobachtung, dass sie beim Erobern der Weibchen trotzdem kooperieren, erscheint nun umso erstaunlicher.