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Rassismus in Brasilien
Wie ein schwarzer Rechter die Geschichte umschreiben will

Die Palmares-Stiftung gilt in Brasilien als eine der wichtigsten Kulturinstitutionen des Landes. Benannt nach einer Siedlung, die um 1600 von entflohenen Sklaven gegründet wurde, dient sie der Förderung der schwarzen Kultur. Ihr neuer Präsident will die Geschichte vom Widerstandskampf nun umschreiben.

Von Peter B. Schumann | 07.06.2020
Eine Statues des schwarzen Widerstandskämpfers Zumbi dos Palmares steht in der brasilianischen Stadt Bahia
Eine Statue des brasilianischen Widerstandskämpfers Zumbi dos Palmares: Sergio Camargo, Präsident der Palmares-Sitftung , bezeichnet ihn als einen "Hurensohn, der Schwarze versklavt hat". (imago images / Danita Delimont)
Präsident Bolsonaro hat in Sergio Camargo einen Aktivisten gefunden, der ihm bei seinem Kulturkampf "gegen die kommunistische Unterwanderung" perfekt helfen kann. Denn dieser hat sich in vielfachen journalistischen Beiträgen als ein Vertreter der rechten, brasilianischen Werteunion empfohlen, die die Gräuel der Kolonialzeit und der Militärdiktatur beschönigt und ein neues Geschichtsbild durchsetzen will.
Auf Facebook schrieb Camargo beispielsweise, dass es in seinem Land nur einen "Nutella-Rassismus" gäbe. Und weiter: "Wirklicher Rassismus existiert nur in den USA. Der Sklavenhandel war zwar schrecklich, aber er nützte den Nachkommen, denn sie lebten besser als die Schwarzen in Afrika. Heute beschweren sie sich immer noch über Rassismus, weil sie dumm und von der Linken desinformiert sind." Damit liegt dieser Camargo ganz auf der Ziellinie seines Präsidenten.
Verachtung für Befreiungskämpfer Zumbi dos Palmares
Die "Fundação Palmares" ist 1988 nach der Diktatur gegründet worden und erlebte Anfang des letzten Jahrzehnts durch die linke Regierung von Lula da Silva und den ersten farbigen Kulturminister Gilberto Gil einen großen Aufschwung. Sie sorgte durch viele Maßnahmen für eine hohe Anerkennung der historischen Leistung des Befreiungskampfes der Schwarzen.
Ein verkleideter Demonstrant mit Binde über der Augenpartie und einer Zeitung, die Jair Bolsonaro abbildet, im Mund, nimmt an Protesten gegen den neuen Präsidenten Brasiliens teil.
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Seit Jair Messias Bolsonaro Ende 2018 zum brasilianischen Präsidenten gewählt wurde, hat sich die kulturelle Situation des Landes dramatisch verändert. Sogar von einem Kulturkampf wird gesprochen.
Die Stiftung wurde nach jener Siedlung Palmares genannt, die um 1600 von entflohenen Sklaven gegründet worden war. Sie hat fast ein Jahrhundert den Angriffen der Kolonialregierungen getrotzt, sich sogar zu einer Republik der Schwarzen entwickelt und in ihrer besten Zeit bis zu 30.000 Bewohner umfasst. Ihr wichtigster, längst legendärer Anführer war Zumbi dos Palmares, den nicht nur die schwarze Bevölkerung Brasiliens bis heute als Befreiungskämpfer verehrt. Camargo, der Präsident der Palmares-Stiftung, hat für ihn nur Verachtung.
"Ich muss diesen Zumbi nicht bewundern, denn für mich ist er ein Hurensohn, der Schwarze versklavt hat."
So äußerte er sich in einem Gespräch mit Funktionären der Stiftung. Eine Tonaufzeichnung wurde dem "Estado de São Paulo", eine der größten Tageszeitungen, zugespielt und von dieser in der vergangenen Woche verbreitet. Darin forderte er seine Angestellten unter anderem auf, jeden Linken, der der personellen Säuberung des Instituts entgangen ist, ihm sofort zu melden, "damit ich diesen Schweinehund rausschmeißen kann."
Umschreibung des schwarzen Widerstandskampfes
Solche Töne ist Brasilien zwar durch den Staatspräsidenten gewöhnt. Doch dann ging ein Sturm der Entrüstung durch die Medien, als Camargo auch noch die Dachorganisation der schwarzen Bevölkerung für das Verschwinden eines Handys verantwortlich machte und sagte:
"Wer das gemacht haben könnte? Na, die Schwarzen-Bewegung. Sie sind hier eingedrungen, diese schwarzen Vagabunden, dieser verdammte Abschaum."
Sergio Camargo will Schluss machen mit diesem "von der Linken manipulierten historischen Revanchismus". Er will die Geschichte vom Widerstandskampf der Schwarzen umschreiben – und dies ausgerechnet mithilfe dieser Stiftung. Außerdem will er künftig allen Leuten seines Glaubens, die Rassist genannt werden, von der Fundação durch ein Siegel bescheinigen lassen, dass sie "garantiert nicht rassistisch" sind.
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Darstellung von Rassisten als "Opfer"
Für ihn sind solche Überzeugungstäter "Opfer", die – wörtlich – "ungerechterweise der rassistischen Diskriminierung durch eine öffentliche Diffamierungskampagne der Linken" bezichtigt wurden.
"Das ist eine Verdrehung der Stiftungsziele. Sie provoziert eine aggressive und feindliche Haltung und stellt eine Verniedlichung des Rassismus sowie eine Diskriminierung aller Schwarzen Brasiliens dar."
Die "Schwarze Koalition für Menschenrechte" hat inzwischen Klage bei der Bundesstaatsanwaltschaft in Brasilia eingereicht und fordert die unverzügliche Amtsenthebung von Camargo wegen "fortgesetzter Verletzung der Stiftungsnormen und Eingriff in die Grundrechte der Schwarzen".
Wenn es schon nicht so leicht ist, den rechtsextremen Staatspräsidenten durch ein Impeachment loszuwerden, so wird es vielleicht gelingen, diesem Präsidenten der "Fundação Palmares" das Handwerk zu legen.