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Brasilien
Bolsonaro hebt Schutz indigener Gebiete auf

Rund 13 Prozent des brasilianischen Staatsgebietes wird von Indigenen bewohnt und war bislang geschützt - das hat auch den Regenwald gerettet. Doch Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro will die Schutzgebiete für Bergbau, Energiegewinnung und andere wirtschaftliche Ausbeutung freigeben.

Von Ivo Marusczyk | 08.02.2020
Indigene Frauen schreien politische Parolen bei einem Protest gegen die Umweltpolitik des rechten Präsidenten Bolsonaro und den Verlust ihrer traditionellen Siedlungsgebiete. Bolsonaro will vor allem das Amazonasgebiet stärker wirtschaftlich nutzen und weitere Rodungen zulassen.
Protest indigener Frauen gegen die wirtschaftliche Nutzung ihrer traditionellen Siedlungsgebiete (picture alliance/Tuane Fernandes/dpa)
Präsident Bolsonaro spricht von einem großen Schritt und einem Traum, der jetzt wahr werden solle. Seine Gegner werfen ihm vor, nun den lange geplanten großen Angriff auf die Gebiete der Indigenen einzuleiten.
Der Rechtsaußen-Politiker hat ein Gesetz auf den Weg gebracht, das die indigenen Gebiete Brasiliens zur Ausbeutung frei gibt. Unternehmen sollen in den Reservaten künftig Bodenschätze wie Gold, Erdgas und Öl fördern dürfen. Auch der Bau von Kraftwerken soll möglich werden. Die Indigenen, denen diese Gebiete gehören, müssten zwar gefragt werden, sie hätten aber kein Veto-Recht, um die wirtschaftliche Nutzung zu verhindern.
Eine Mutter bereitet im brasilianischen Dorf Kamayura im Xingu Nationalpark für ihre Kinder das aus Maniok hergestellte Lebensmittel Beiju zu. Dabei schauen ihr die Kinder und ein Mann mit einem Gewehr zu.
Die indigene Bevölkerung befragt werden, hat aber kein Veto-Recht. (Getty Images South America / Ezra Shaw )
Roberto Klein vom Bergbauministerium, das das neue Gesetz erarbeitet hat, sagt: "Natürlich wird man den Konsens mit den Indigenen suchen - es wäre schwierig dort etwas ohne deren Zustimmung aufzubauen. Aber ein Veto haben sie nur, wenn es um Goldabbau durch Nicht-Indigene geht."
Schutz der Indigenen Gebiete wird aufgehoben
In der Praxis wird der bestehende Schutz der indigenen Gebiete durch das geplante Gesetz aufgehoben. Es geht um ein Milliardengeschäft. 486 Reservate gibt es über ganz Brasilien verteilt. Viele sind winzig, aber gerade im ökologisch wertvollen Amazonasbecken wurden den Völkern zum Teil auch große Urwaldgebiete übertragen. Das größte indigene Gebiet, das Reservat der Yanomami im äußersten Norden Brasiliens, ist größer als Ungarn. Zusammen nehmen die indigenen Gebiete ein Achtel der Fläche Brasiliens ein. Auf diese Reservatsflächen haben Bolsonaro und die Lobbys, die hinter ihm stehen, es abgesehen. Umweltschützer sind entsetzt. Denn bis jetzt sind indigene Gebiete gut geschützt. In den meisten Territorien der indigenen Völker sind die Wälder noch weitgehend intakt.
Amazonas in Brasilien, Flusslandschaft
In den Schutzgebieten sind die Wälder noch weitgehend intakt - bislang (imago images / Danita Delimont / Alida Latham)
Danicley Aguiar von Greenpeace sagt deshalb: "Der Vorschlag, die Indigenen-Gebiete für Bergbau, Agro-Business, und Kraftwerke zu öffnen, ist eine große Bedrohung für Amazonien. Er verletzt die Rechte der Indigenen Völker, die in der Verfassung verankert sind."
Und der Oppositionspolitiker Rodrigo Agostino argumentiert: "Brasilien exportiert schon jetzt viele Rohstoffe. Und viel davon wird in Amazonien gefördert. Aber dazu musste man noch nie indigene Gebiete ausbeuten. Wir meinen, dass der Bergbau dort die Indigenen unnötigen Gefahren aussetzt. Außerdem schafft er soziale Konflikte und fördert noch Misshandlungen der Indigenen."
Bolsonaro interessiert sich nicht für Umweltschutz
Bolsonaro hat für solche Einwände allerdings nur Spott übrig. Und er macht deutlich, dass die Meinung von irgendwelchen Umweltschützern ihn nicht interessiert, sondern nur nervt.
"Es wird Druck von Umweltschützern geben, ach, diese Umwelt-Leute …. Wenn ich kann werde ich sie irgendwann mal in Amazonien festsetzen, sie haben die Umwelt ja so gern. Und dann stören sie hier in den Städten nicht mehr."
Der Kongress könnte die Öffnung der indigenen Gebiete noch verhindern, aber dort ist der Einfluss der Agrarlobby und der Industrie sehr groß. Die betroffenen Völker werden wie üblich gar nicht gefragt. Ihnen bleibt nur, an die internationale Gemeinschaft zu appellieren. Die bekannten Häuptlinge Davi Kopenawa und Raoni Metuktire reisten deswegen nach Großbritannien.
"Ich rufe Europa auf, uns anzuhören und zu helfen. Der weiße Mann kommt in mein Haus und zerstört es, dazu hat er kein Recht. Er begeht einen Fehler. Der weiße Mann missachtet die Natur, nur wir achten sie."
"Was heute passiert ist, dass die Regierung dort den Tod der Indigenen anordnet, sie wollen uns Indigenen schlimme Dinge antun. Deswegen bitte ich euch, mit der Regierung zu reden und Druck auszuüben, damit sie die Indigenen in Ruhe auf ihrem Land leben lassen. Ohne Konflikt und ohne Indigenen zu täten. Darum wollte ich euch bitten. ich will in Frieden leben, ohne Kampf, ohne sich gegenseitig umzubringen. So will ich es. Ich will keine Kämpfe."
Davi Kopenawa Yanomami
Yanomami-Führer Davi Kopenawa (dpa/ UPPA/Photoshot / Felipe Trueba)
Bolsonaro setzt seine rücksichtslose Politik fort
Doch in Brasilien setzt Bolsonaro seine rücksichtslose Politik fort. Auch auf anderen Ebenen. So machte er einen evangelikalen Missionar zum Abteilungsleiter für isolierte Völker in der FUNAI, der Behörde für Indigene. Diese Abteilung ist dafür verantwortlich, Stämme zu schützen und abzuschirmen, die isoliert, ohne Kontakt zur Zivilisation in entlegenen Urwaldgebieten leben. Doch ausgerechnet die Missionsgesellschaft des neuen Behördenleiters ist in der Vergangenheit immer wieder in diese Gebiete eingedrungen - und hat beim Versuch, sie zu bekehren, vermutlich mehrfach tödliche Krankheiten in ihre Dörfer getragen.