Freitag, 03. Mai 2024

Archiv


Raus aus dem Koch-Topf

CDU-Landeschef Roland Koch hat den Abgang angekündigt. Der langjährige Kronprinz Bouffier soll an die Spitze rücken, gegen den jovialen Schulterklopfer konnte Roland Koch seine spröde junge Wunschkandidatin Silke Lautenschläger innerparteilich offenbar nicht durchsetzen. Generationswechsel - vorerst vertagt.

Von Anke Petermann | 10.06.2010
    CDU-Landeschef Roland Koch hat den Abgang angekündigt, seine potenzielle junge Nachfolgerin Silke Lautenschläger wirft gleich mit das Handtuch, die gesamte Partei ist im Umbruch. Doch die drei Dutzend junger Christdemokraten aus dem Bezirk Südhessen reden im Bürgertreff Mörfelden geschlagene zwei Stunden lang über das Thema Haushaltsführung im öffentlichen Sektor.

    Erst danach ist das Erdbeben im Landesverband Thema, inoffiziell. Roland Koch führte die Partei mit eiserner Hand und spaltete die hessische Öffentlichkeit mit gewagten Wahlkampfthemen. So mancher ältere Katholik nahm ihm die unterschwelligen Appelle an ausländerfeindliche Instinkte übel. Doch die Jungen in der Partei freuten sich über die Erfolge, die der Frontmann mit seinem polarisierenden Stil einfuhr. Jetzt trauern sie.

    "Ich denke, die Junge Union hat eine besondere Situation, weil die meisten, die hier sitzen, mit Roland Koch quasi aufgewachsen sind. Also ich weiß, ich bin 1999 in die Junge Union eingetreten, also mit Roland Koch quasi, als er Hessen übernommen hat. Natürlich geht da eine Ära zu Ende, aber ich blicke sehr zuversichtlich in die Zukunft, weil ich denke, dass die CDU mit Nachwuchskräften gut aufgestellt ist. Ich denke, mit Volker Bouffier hat man einen sehr guten Nachfolger gefunden, wenn es denn so kommen soll."

    Also, ich finde es erst mal unheimlich schade, dass Roland Koch sich entschieden hat, sich ins Privatleben zurückzuziehen. Er hat die CDU immerhin in die Regierung geschafft, die absolute Mehrheit verschafft mit seiner Politik, das ist jetzt weg, da ist schon ein gewisses Vakuum da, aber ich vertrau da Roland Koch, dass er als Nachfolger jemanden gefunden hat, der das Ganze schon ordentlich so weiterführen wird."

    Der langjährige Kronprinz Bouffier soll an die Spitze rücken, gegen den jovialen Schulterklopfer konnte Roland Koch seine spröde junge Wunschkandidatin Silke Lautenschläger innerparteilich offenbar nicht durchsetzen. Generationswechsel - vorerst vertagt. Als langjähriger Parteivize und als Kabinettsmitglied habe Bouffier wie Koch ständig Partei- mit Landesinteressen verwechselt und den Staat zur Beute der CDU gemacht - darin ist sich die linke Opposition einig.

    Grünen-Chef Tarek al Wazir hat die Parteispendenaffäre im Hinterkopf und den laufenden Untersuchungsausschuss zu möglicher Vetternwirtschaft in Bouffiers Innenministerium.

    "Volker Bouffier war ja jahrelang Teil des Systems Koch, und wir sind gespannt, ob er jetzt die Kraft findet, sich neu zu erfinden und die hessische CDU neu zu erfinden."

    Bouffier:
    "Ich finde es gut, wenn die Grünen in Hessen das unter Demokraten selbstverständliche Gespräch jetzt anbieten, das ist gut so. Das begrüße ich ausdrücklich. Und wenn die dabei sind, jetzt ihr Verhältnis zur CDU und auch zu mir neu zu justieren, ist das auch in Ordnung. Neu erfinden muss ich mich nicht. Also ich bemüh mich jetzt nicht um die Bewertung von Herrn Al Wazir, die kenne ich ja seit elf Jahren im Amt, aber ich bin froh, wenn er bereit ist, mir eine Chance zu geben, das unterscheidet ihn von anderen."

    Ein Seitenhieb des designierten Parteichefs auf den Hauptgegner SPD. Der dienstälteste Innenminister war immer bereit, Sicherheitsgesetze zu verschärfen, Überwachung zu verstärken. "Schwarzer Sheriff" ist sein Spitzname. 58 und damit sechs Jahre älter als der scheidende Parteivorsitzende Koch ist Bouffier. Statt Generationswechsel ein Law-and-order-Politiker alten Schlags - enttäuscht das den Parteinachwuchs nicht?

    "Als Innenminister muss man natürlich ein harter Hund sein, also ich glaube, da ist schon hartes Durchgreifen gefragt. Dass er jetzt vielleicht auch die Möglichkeit hat, sich mit weicheren Themen zu profilieren, wird sich zeigen. Also ich sehe inhaltlich keine großen Änderungsbedürfnisse."

    Wiegelt Sebastian Schmitt ab und wählt in Sachen Alter unkonventionelle Vergleiche:

    "Ja, ich würde eher sagen, dass das dann schon eher der Gordon Brown oder der Joseph Ratzinger ist - Lachen - also ich meine, es ist schwierig, jemand Älteres als jüngeren Nachfolger zu präsentieren ..."

    In der Tat - doch die Basis wird's schlucken. Die Hessen-CDU gilt als streng hierarchisch organisierter Kampfverband, in dem die Führung durchregiert. Wobei der Nachwuchs die ersten kleinen Brüche erkennt:

    "Also man hat' s beim letzten Landesparteitag gemerkt, wo es das erste Mal seit langer Zeit, also auch das erste Mal, seit ich dabei bin, Kampfkandidaturen gab, also das ist schon ein bisschen gelockert.

    Bis jetzt war es eine Partei, die auf einen Mann zugeschnitten war, und das ist jetzt eine Sache, die sich ändern muss und die sich ändern wird, weil er zurückgetreten ist. Und von daher ist es an der Zeit, von dem neuen Mann auch Leute zu berücksichtigen, die in der zweiten, dritten Reihe sind, und einen Generationswechsel so langsam Gestalt werden zu lassen."

    Werden die personellen Veränderungen die Hessen-CDU in Bündnisfragen aufgeschlossener machen? In einigen hessischen Kommunen, so in der größten Stadt Frankfurt am Main, koalieren die Christdemokraten seit Jahren mit den Grünen. Auf Landesebene aber waren die Fronten bisher verhärtet. "Ypsilanti, Al Wazir und die Kommunisten stoppen" hatte die CDU im Landtagswahlkampf 2008 plakatiert. Daraufhin hatte Grünen-Chef Al Wazir Roland Koch eine zeitlang den Händedruck verweigert. Auch das Ende der Ära Koch wird wohl nicht gleich eine schwarz-grüne Liebesaffäre einläuten. Denn wie die Altvorderen so sieht der CDU-Nachwuchs die linken Parteien außerhalb des bürgerlichen Spektrums. Ein wenig klingt es wie das Echo auf den alten Wahlkampf-Slogan:

    "Die Grünen sind nun mal eine Partei - so sinnvoll manche Sachen in der Programmatik auch sein mögen - die noch bis vor kurzem mit Kommunisten die Regierung bilden wollten, mit solchen Leuten jetzt direkt einfach so weiter zu machen, mit demselben Personal, ist ein bisschen schwierig."

    Neue Bündnisoptionen für Hessen: vorerst nicht in Sicht. Die Jungen in der CDU bleiben auf Linie.