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Raus aus der Gefahrenzone

Irland ist unter den Euro-Rettungsschirm geschlüpft. Die Iren müssen nun starke Einschnitte in Kauf nehmen und der Bankensektor muss komplett umstrukturiert werden. Über die Höhe der europäischen Hilfe für Irland wird noch diskutiert.

Von Doris Simon | 23.11.2010
    Am Ende eines langen Tages mit vielen Gesprächen über die Situation in seiner Heimat ist der irische Europaabgeordnete Gay Mitchell zuversichtlich: Jetzt, wo Irland unter den Euro-Rettungsschirm geschlüpft sei, sei das Land erstmal aus der Gefahrenzone, die Reformen würden endlich angepackt.

    "Das ist ein Neubeginn und der Anfang der wirtschaftlichen Erholung. Und je schneller wir die Maßnahmen ergreifen, zu denen wir gezwungen sind im Haushalt und Bankensektor, umso schneller wird Irland wieder auf die Beine kommen. Die Leute in Irland wollen einen Abschluss, einen Strich ziehen, sie haben Opfer gebracht, und jetzt wollen sie wieder nach vorne schauen im Leben - von daher ist das ein guter Tag gewesen."

    Noch ermitteln die Experten von EU, EZB und Internationalem Währungsfonds vor Ort in Dublin, wie viel europäische Hilfe Irland am Ende braucht, von 90 Milliarden Euro ist die Rede. Im Gegenzug stehen den Iren schmerzhafte Einschnitte bevor und der Bankensektor muss komplett umstrukturiert werden. Französische und deutsche Politiker verlangen außerdem, dass Irland seine extrem niedrige Körperschaftssteuer von 12,5 Prozent heraufsetzt. Sie lockt seit Jahren Unternehmen aus anderen EU-Ländern an. Solidarität sei schließlich keine Einbahnstraße, findet der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber.

    Unsinn, reagiert der irische Europaabgeordnete Gay Mitchell auf die Forderung seines Fraktionskollegen Ferber von der CSU.

    "Wir geben den Deutschen ja auch nicht vor, wie hoch sie ihre Körperschaftssteuer festlegen, das würden die uns nie erlauben, und wir erlauben es den Deutschen nicht."

    Irische Dumpingsteuersätze, schimpft der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold über die 12,5 Prozent irische Körperschaftssteuer - für den deutschen Wirtschafts- und Währungsfachmann sind sie ein weiterer Beleg, dass der Euro-Stabilitätspakt vorn und hinten nicht ausreicht: Der berücksichtige eben nicht die unterschiedlichen Steuerpolitiken der Mitgliedsländer und schaue auch nicht darauf, wie hoch dort die private Verschuldung sei - ein wichtiger Faktor in vielen der Euro-Problemländer. Mit der Rettungsaktion für Irland, da ist sich der deutsche Grünen-Abgeordnete sicher, sei keineswegs das Ende der Krise um den Euro eingeläutet.

    "Wir müssen uns auf einiges noch gefasst machen. Portugal, Spanien haben gegenüber Deutschland nach wie vor große Wettbewerbsprobleme, und die gehen nicht davon weg, dass man Irland und Griechenland rettet, sondern wir brauchen endlich eine gemeinsame Wirtschaftspolitik in Europa, die dafür sorgt, dass nicht mehr jeder seine Privilegien weiter führt - die einen überschulden sich, die anderen machen Lohn- und Sozialdumping -, sondern wir brauchen eine gemeinsame Politik in der Eurozone. Ohne diese gemeinsame Wirtschaftspolitik werden wir aus der Krise nicht herauskommen."

    Deutschland, fordert der grüne Europaabgeordnete, müsse unbedingt etwas unternehmen, um endlich die Binnennachfrage anzukurbeln, um dazu beizutragen, die wirtschaftlichen Ungleichgewichte in der EU abzubauen. Das sieht auch Elisa Ferreira so: Die portugiesische Sozialdemokratin ist Berichterstatterin zu genau diesem Thema im Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europäischen Parlamentes. Ferreira wundert sich, dass Bundeskanzlerin Merkel vor dem G20-Gipfel China aufforderte, global mehr Verantwortung zu zeigen:

    "Ich will nicht unhöflich sein, aber im europäischen Verbund sollte Deutschland mehr Verantwortung zeigen. Schließlich ist die Eurozone eine politische Union. So könnte Bundeskanzlerin Merkel sich für weniger Einschränkung bei Lohnerhöhungen und damit für eine stärkere Binnennachfrage einsetzen, sodass Deutschland zur Wachstumsmaschine für ganz Europa wird und nicht nur für das eigene Land."

    Die europäische Hilfe für Irland sieht die portugiesische Europaabgeordnete Ferreira mit gemischten Gefühlen: Sie glaubt nicht, dass Portugals Probleme nun kleiner werden, dass die Zinsaufschläge an den Märkten für portugiesische Staatsanleihen sinken. Gemeinsam seien allen Ländern mit Problemen in der Eurozone doch nur zwei Dinge: das hohe Defizit und die Schulden. Die portugiesische Europaabgeordnete sieht den einzigen langfristigen Ausweg in gemeinsamen Euro-Staatsanleihen, auch wenn Deutschland absolut dagegen sei.