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Realschulreform
Auf dem Weg zum Schulfrieden im Ländle

Von Michael Brandt | 21.11.2014
    So versöhnlich klang die baden-württembergische GEW-Vorsitzende Doro Moritz schon lange nicht mehr, auch wenn ihr das Lob für Minister Andreas Stoch offensichtlich nicht ganz leicht fällt:
    "Insofern bin ich sehr froh über diese Entscheidung der Regierungsfraktionen und ich danke an der Stelle - ja - unserem Kultusminister."
    Ungefähr eineinhalb Jahre ist es her, dass sich drei baden-württembergischen Realschullehrerverbände beim Kultusminister meldeten, mit einer Liste mit 8600 Unterschriften. Die Realschullehrer hatten massive Sorgen, dass die neue Landesregierung die Realschule vernachlässige, dass sie ein Dasein im Schatten der Gemeinschaftsschule fristen solle.
    "Und jetzt weiß man ja, dass die Übergabe von Unterschriften auch ein durchaus konfrontatives Element haben kann. Deswegen war es mir wichtig, mit den Beteiligten an einem Tisch zu sitzen, das haben wir im Februar 2013 dann auch getan."
    Seitdem ist in aller Stille ein Konzept entstanden, nach dem auch die Realschulen in den kommenden Jahren weiterentwickelt werden sollen.
    Zentrales Element ist dabei, dass die Schüler in Realschulen künftig auch den Hauptschulabschluss mache können. Das ist bislang in Baden-Württemberg nur mit einer sogenannten Schulfremdenprüfung möglich, wenn die Gefahr besteht, dass ein Schüler am Ende der zehnten Klasse ganz ohne Schulabschluss dasteht.
    "Wir müssen auch den Schülerinnen und Schülern, die möglicherweise Schwierigkeiten haben, den Realschulabschluss zu erreichen, eine Perspektive an der Realschule anbieten."
    Damit das funktioniert, muss aber die gesamte Struktur der Schulzeit in der Realschule umgebaut werden. Klasse fünf und sechs werden eine sogenannte Orientierungsstufe, in der alle Schüler gemeinsam unterrichtet werden sollen, aber schwächere im Unterricht besonders gefördert werden sollen. Im pädagogischen Fachjargon: zieldifferenter Unterricht in einer gemeinsamen Klasse.
    In den Klasse sieben und acht soll das so weiter gehen, aber Schüler, die erkennbar nicht mitkommen, sollen auch in getrennten Kursen besonders unterrichtet und gefördert werden. Auf Pädagogisch:
    "Das können im Bereich der Klassen sieben und acht Instrumente der Binnendifferenzierung sein, es können aber auch Elemente der äußeren Differenzierung, wenn Sie so wollen, eines leistungsdifferenzierenden Kurssystems sein."
    Ab Klasse neun werden die potenziellen Hauptschulabsolventen und die potenziellen Realschulabsolventen dann getrennt.
    Eingeführt werden soll das ganze zum Schuljahreswechsel 2016/2017, aber die Vorbereitungen, zum Beispiel die Schulung der Lehrer für die individuelle Förderung im Unterricht, beginnt sofort.
    Und vor allem: Ab sofort steht Geld zur Verfügung, um die dafür nötige Zahl der Poolstunden, also Stunden, in denen Realschullehrer Zeit für Fortbildung haben, zu schaffen.
    Im Endausbau, wenn die neue Realschule läuft, würde das bei der heutigen Zahl der ungefähr 500 zusätzliche Lehrerstellen bedeuten – rund 60 Millionen Euro pro Jahr also.
    Nicht zuletzt damit sind die Realschulverbände die vor eineinhalb Jahren mit der Unterschriftenliste vor der Tür standen, natürlich zufrieden. Der eine Verband will die Details noch prüfen. Kurt Pilsner von der einflussreichen Arbeitsgemeinschaft der Realschulrektoren klingt schon jetzt sehr zufrieden
    "Vor eineinhalb Jahren hat man ja nicht bloß hinter vorgehaltener Hand gesagt: Die Realschule wird abgewickelt. Aber jetzt wird sie echt weiterentwickelt."
    Die CDU-Opposition, die sich ungefähr vor einem Jahr die Rettung der Realschulen auf die Fahnen geschrieben hat, ist einerseits zufrieden, weil es in der Sache voran geht. Andererseits will sie natürlich noch abwarten und prüfen, denn jetzt fehlt ihr ein Thema für den Wahlkampf.
    Insgesamt sieht es so aus, als ob die grün-rote Landesregierung dem Schulfrieden in Baden-Württemberg ein gutes Stücke näher gekommen ist.