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Rechtsextreme Hetze
Drohschreiben gegen Politiker lösen neue Debatte aus

Nach den Morddrohungen gegen zwei Politiker wird in Deutschland über den Umgang mit rechter Hetze diskutiert. Bundespräsident Frank Walter Steinmeier sprach sich für einen besseren Schutz von Politikern vor roher Gewalt aus. Das Bundesjustizministerium will den Umgang mit Hasskommentaren besser regeln.

Von Gudula Geuther | 20.06.2019
Die Drohschreiben gegen Kommunalpolitiker reihen sich ein in frühere Schreiben. Diesmal allerdings nehmen die Autoren – die sich als "Musiker des Staatsstreichorchesters" bezeichnen – auch Bezug auf das Verbrechen an Walter Lübcke. Morddrohungen richten sich gegen die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker und den Altenaer Bürgermeister Andreas Hollstein. Beide waren bereits bei rechtsextrem motivierten Attentaten verletzt worden. Für die Grüne Innenexpertin Irene Mihalic deutet sich in dem Schreiben eine neue Eskalationsstufe rechtsextremer Agitation und Gewalt an, wie sie der taz sagte. Am Abend hatte Bundespräsident Frank Walter Steinmeier auf dem Evangelischen Kirchentag betont:
"Vertrauen verdienen die zig-Tausende, die in Kärrnerarbeit unserer Demokratie ihren Dienst leisten, im Kreistag, im Gemeinderat, in Rathäusern und Parlamenten. Sie verdienen nicht nur unser Vertrauen. Sie verdienen Respekt, sie verdienen vor allem Schutz vor jeder Form von Herabwürdigung, von Hetze und roher Gewalt."
Und er hatte hinzugefügt:
"Vielleicht erleben wir gerade in diesen Tagen, wie kurz der Weg von verrohter Sprache bis zur Straftat ist."
Mehr Achtung für Kommunalpolitiker
Das Verbrechen müsse umfassend und schnell aufgeklärt werden. Auch das entscheide über Vertrauen in Rechtsstaat und Demokratie. Der frühere Bürgermeister von Tröglitz in Sachsen Anhalt, Markus Nierth, wünschte sich im Inforadio des rbb vor allem mehr Achtung für Kommunalpolitiker. Er war 2015 von Rechtsextremisten bedroht worden und vom Amt zurückgetreten. Seine Familie und er hätten ein Stück weit ihre Heimat verloren.
"Aus einem Grund heraus: Weil doch zu viele sich weggeduckt haben, weil es Unterstützung doch eher von außen gab, und die schweigende Mitte, selbst wenn sie uns wohlgesonnen ist, sich weggeduckt hat."
Die Drohungen gegen den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke waren nach einem Tweet Erika Steinbachs wieder aufgeflammt. Sie hatte Äußerungen Lübckes von 2015 erneut ins Netz gestellt. Die frühere CDU-Politikerin und jetzige Vorsitzende der AfD-nahen Erasmus-Stiftung rechtfertigte das im Deutschlandfunk.
"Ich wiederhole auch Dinge immer wieder um in Erinnerung zu rufen, warum dieses Land in eine solche Situation geraten ist, wie wir sie heute vorfinden."
Die Verantwortung für Hasskommentare bis hin zu Todesdrohungen, die darauf folgten, wies sie von sich.
"Für einen Kommentar ist immer derjenige verantwortlich, der ihn abgibt."
Tauber gibt AfD-Politikern Mitschuld an Mord an Lübcke
Unter anderem der frühere CDU-Generalsekretär Peter Tauber hatte Steinbach und einzelnen AfD-Politikern eine Mitschuld an dem Verbrechen zugewiesen. In der ARD-Sendung Maischberger stimmte ihm der frühere Unions-Fraktionschef Friedrich Merz zu.
"Das teile ich. Und zwar deshalb, weil ich seit einiger Zeit beobachte, wie die politische Sprache in diesem Land verroht. Wir haben es mit einer fatalen Verrohung der Sprache und der Umgangsformen zu tun. Und dort, wo Sprache verroht, verrohen Umgangsformen. Und dort wo Umgangsformen verrohen, geschehen politische Anschläge."
Justiz-Staatssekretär Gerd Billen rief im Tagesspiegel dazu auf, sich mehr um die Opfer von Hass und Extremismus im Netz zu kümmern. Unabhängig von dem Verbrechen an Walter Lübcke arbeitet das Bundesjustizministerium an einer Weiterentwicklung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes, das den Umgang mit Hasskommentaren regelt. Ob konkrete Erkenntnisse aus dem Fall Lübcke einfließen werden, ließ er offen.