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Reden lernen

Königin Elisabeths Vater, König George VI. stotterte. Eine Katastrophe zu seiner Zeit. Kamen doch die ersten Reden in Radio, Fernsehen und Stadien auf. Der Film "The King's Speech" erzählt mit welchen unorthodoxen Methoden sein Logopäde Lionel Logue den künftigen König Englands unterstützte.

Von Josef Schnelle | 17.02.2011
    "Und wenn mein Mann der Herzog von York wäre?" - "Der Herzog von York?" -
    "Der Herzog von York!" - Ich dachte der Termin wäre für Johnston. Vergeben Sie mir eure..." - "Königliche Hoheit" "Johnston wurde von der Navy während des Weltkrieges benutzt wenn der Feind nicht erfahren durfte, dass er an Bord war."


    Queen Mum versucht zu retten, was zu retten ist. Ihr Mann, der Herzog von York und künftiger König von Großbritannien hat Angst vor öffentlichen Auftritten. Von Kindsbeinen an stottert er. Er wiederholt keine Laute oder Wortteile. Die Wörter bleiben ihm jedoch buchstäblich im Halse stecken. Dann gluckst oder schluckt er kurz und kann mühsam wieder weiterreden. In den historischen Aufnahmen von seiner Rede zu Abschluss der Empire- Ausstellung im Wembley Stadion 1936 kann man sehen, wie er immer wieder die Augen schließt, sich dann wieder konzentriert um sich mit quälender Langsamkeit weiter am Manuskript abzuarbeiten. Doch dann ist bald Krieg und eine schmissige Rede wird erwartet, die das Land einschwören soll auf "Blut Schweiß und Tränen" und den virtuosen Rednern der Gegenseite: Hitler und Goebbels, deren Liebe zum Radio-Mikrofon grenzenlos ist, auch rhetorisch Paroli bieten soll. König Georg der VI, der eigentlich nur in der zweiten Reihe der königlichen höfischen Gesellschaft seine Zeit verbringen wollte, wird nach der plötzlichen Abdankung seines Bruders Edward, der eine zweifach geschiedene Bürgerliche heiratet, König des britischen Empires. Seine Rede muss zünden, das Stottern muss er los werden. Nach vielen erfolglosen Therapien verpflichtet seine Frau in letzter Not den verkrachten australischen Schauspieler Lionel Logue. Er soll es mit seinen unkonventionellen Methoden noch einmal versuchen. Aus dieser wahren Geschichte hat Tom Hooper seinen Film "The Kings Speech" entwickelt, der sich nun anschickt nach den britischen Bafta-Awards auch die meisten Oscars abzuräumen.

    "Kein Studium, kein Diplom, Keine Qualifikation - nur jede Menge Dreistigkeit."

    "The Kings Speech" funktioniert zunächst einmal wie eine der zahllosen Geschichte einer wunderbaren ungleichen Freundschaft, die schließlich zum Erfolg führt. Insofern ist der Film vergleichbar mit den Filmen über Musiker und Sportlerkarrieren, die im Hollywoodkino so beliebt sind. Man könnte sogar an den Boxerfilm "Rocky" von Silvester Stallone als Modell denken. Ein Außenseiter übernimmt als Trainer eine aussichtslose Aufgabe und kommt dann doch mit überraschend unkonventionellen Methoden zum Ziel. Zum Beispiel fläzt er sich auf den Königsthron der Windsors und bringt George den VI damit zu einem fehlerfreien Wutausbruch.

    Ich bin ihr König." - "Sie haben selber gesagt, dass sie das gar nicht sein wollen."
    - "Weil ich, weil ich - eine Stimme habe. - "Ja das haben Sie.


    Der Stoff ist natürlich eine ideale Spielvorlage für Schauspieler, die sich wie Colin Firth als disfunktionaler Stotterkönig und Geoffrey Rush als selbsternannter Bohemien-Therapeut, die Pointen mit sichtlicher Freude um die Ohren hauen. So ein Duell der Temperamente und Lebenseinstellungen ist für die Zuschauer stets vergnüglich und für die Darsteller eine vorzügliche Gelegenheit, sich wirklich ins Rampenlicht zu rücken, weswegen es bei den Oscars in der nächsten Woche ganz ungerecht wäre, nur einen der beiden Hauptdarsteller auszuzeichnen. Der Film ist eine britische Produktion und dient in den amerikanischen Branchenblättern schon als Beispiel dafür, dass die zumindest die ökonomische Zukunft des Kinos, nicht mehr von den geistlosen Fortsetzungsfilmen aus der Traumfabrik bestimmt werden wird. Niche-Pics - Nischen-Filme bezeichnete man Filme wie "The Kings Speech" bisher mit abfälligem Unterton. Jetzt wird aber klar, dass die schönen, kleinen vielfältigen Nischen dem erstarrten und selbstgefälligen "Mainstream" den Rang abgelaufen haben. Tom Hooper wirft die Klischees des monarchischen Insider-Films virtuos in die Luft und collagiert sie fern aller Ergriffenheit und streckenweise komisch zu einem Melodrama in der Tradition des klassischen Hollywoodfilms der 40er Jahre. Natürlich erlaubt sich Hooper einige Freiheiten gegenüber der historischen Wahrheit. George VI verlor sein Stotterleiden nie ganz. Noch 1952 musste für eine letzte Weihnachtsansprache von der BBC Satz für Satz nach langen Pausen aneinandergeschnitten werden. Eine schwere Krankheit hatte längst Besitz von ihm ergriffen. Therapeut Lionel Logue hatte längst erkannt, was auf George den VI zukommen würde:

    "Bitte tun sie das nicht." - "Wie bitte?" - "Die Lungen mit Zigaretten zu malträtieren. Das bringt Sie um." - "Meine Ärzte sagen, es entspannte den, den Rachen." - "Das sind alles Idioten." - " Wurden alle geadelt." - "Das macht es dann amtlich."

    George der VI starb 1952 an Lungenkrebs. Seine Nachfolgerin wurde Elisabeth die II. Sie hat den Film angeblich noch nicht gesehen. Wen sie nun adeln wird ist nicht bekannt. Vielleicht sollte sie erst einmal die Oscars abwarten.