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Referendum in Griechenland
Berlin alarmiert über Tsipras' Vorstoß

Die Ankündigung von Alexis Tsipras, die griechische Bevölkerung über die Rettungsangebote der EU abstimmen zu lassen, sorgt auch im politischen Berlin für Aufregung. Bundesaußenminister Steinmeier greift Tsipras scharf an, Wirtschaftsminister Gabriel sagt sogar eine Israel-Reise ab. Die Opposition appelliert an die Bundeskanzlerin.

Von Johannes Kulms | 28.06.2015
    Der Reichstag am Abend
    Am Montag will Kanzlerin Merkel die Spitzen der Fraktionen im Bundestag in der Griechenland-Frage bei einem Sondertreffen informieren. (dpa/Paul Zinken)
    "Verärgerung" und "Entsetzen" – das sind zwei Worte, die man an diesem Tag immer wieder im politischen Berlin hören und lesen kann, vor allem von Seiten der Regierungsparteien. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sagte im Deutschlandfunk mit Blick auf die griechische Regierung:
    "Sie hat in der Nacht zu Samstag praktisch die Zusammenarbeit aufgekündigt und die Verhandlungen abgebrochen. Ich war bis dahin optimistisch, dass es zu einer Einigung kommen würde. Aber die Ankündigung eines Referendums über die Angebote der Europäischen Union, über die Angebote der Eurozone, mit der Empfehlung, diese abzulehnen, ist ein destruktiver Akt."
    Auch Oppermanns Parteikollege, Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, griff Alexis Tsipras scharf an. Die griechische Regierung nehme ihre Bürger in Geiselhaft, um Europa mehr Konzessionen abzutrotzen, so Steinmeier gegenüber der "Welt am Sonntag".
    Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel sagte wegen der Griechenland-Krise eine zweitägige Reise nach Israel am Morgen kurzfristig ab – nur wenige Stunden vor dem geplanten Abflug.
    Kanzlerin Merkel hat sich noch nicht öffentlich geäußert
    Ein Indiz dafür, wie sehr die Ereignisse dieses Wochenendes auch das politische Berlin durcheinanderwirbeln. Schon den ganzen Tag über dürfte es viele Gespräche und Telefonate geben. Denn auch wenn der Ärger über den Referendums-Vorstoß des griechischen Premierministers Tsipras groß ist, wächst auch die Sorge davor, dass die Griechenland-Krise vollkommen eskaliert und das Land ins Chaos stürzt.
    Öffentlich hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel noch nicht geäußert, seitdem am Samstagabend die Griechenland-Krise eine dramatische Wendung nahm und die Euro-Finanzminister beschlossen, das Hilfsprogramm für Griechenland nicht weiter zu verlängern.
    Für Montagmittag um 13.30 Uhr hat Merkel die Partei- und Fraktionsspitzen aller im Bundestag vertretenen Parteien zu einem Sondertreffen ins Kanzleramt eingeladen, um dort über den aktuellen Stand in der Griechenland-Krise zu informieren.
    Die Opposition appelliert unterdessen an die Bundeskanzlerin, sich stärker einzuschalten. Angela Merkel dürfe sich nicht hinter den Euro-Finanzministern verstecken, sagt der Bundesvorsitzende der Partei Die Linke, Bernd Riexinger. "Greift Merkel nicht ein, wäre das ihr größter Fehler und der Beginn einer Dauerkrise", so Riexinger.
    Auch die Grünen verlangen ein stärkeres Engagement von Merkel und den anderen europäischen Staats- und Regierungschefs. In der Zuspitzung der Krise dürften nicht die Finanzminister das letzte Wort haben, erklärten die beiden Vorsitzenden der Grünen-Bundestagsfraktion, Kathrin Göring-Eckhardt und Anton Hofreiter.
    Bei aller Verärgerung mahnt SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann an, Griechenland nicht aufzugeben:
    "Ich sehe auch nicht, dass eine Zahlungsunfähigkeit von Griechenland von heute auf morgen zum Ausstieg aus dem Euro führt. Wir werden dann eine Übergangssituation haben. Und in dieser Situation müssen wir uns Gedanken darüber machen, wie ein Wiederaufbauprogramm in Griechenland auf den Weg gebracht werden kann."
    Der haushaltspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Eckardt Rehberg, wirft Tsipras verantwortungsloses Handeln vor. Aus ideologischer Verblendung trete der griechische Premier die Interessen des griechischen Volkes mit den Füßen. Doch gleichzeitig macht auch Rehberg klar: Die Tür für weitere Gespräche ist und bleibt offen.