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Reform des Verkehrszentralregisters
Zu wenige Verkehrspsychologen

Die Reform des Verkehrszentralregisters in Flensburg, die ab dem 1.5. wirksam wird, bedeutet nicht nur eine Umstellung für Autofahrer. Fahrschulen müssen ihre Seminare für Verkehrssünder völlig neu konzipieren. Doch dafür fehlt es an Verkehrspsychologen.

Von Ludger Fittkau | 30.04.2014
    Eine Hand tippt vor einem Auto-Lenkrad in ein Handy.
    SMS schreiben im Auto wird nach der Reform höher bestraft. (dpa/picture alliance/Arno Burgi)
    Eine Baustelle in der Hans-Böckler-Straße, in einem Koblenzer Gewerbegebiet. Im Gebäudekomplex an der aufgerissenen Straße befindet sich die Geschäftsstelle des Fahrlehrer-Verbandes Rheinland, in dem rund 600 Fahrlehrer an Rhein und Mosel organisiert sind.
    Die Baustelle vor dem Haus passt zur inhaltlichen Baustelle, die die ab dem 1.5. gültige Reform der Flensburger Verkehrssünderdatei für die deutschen Fahrlehrer geschaffen hat.
    Heinrich Haas, der Vorsitzende des Verbandes, beschäftigt sich berufsbedingt schon seit Langem mit den Punkte-Neuregelungen rund um die Verkehrssünderdatei:
    "Bisher konnte man sagen, bis zu einem gewissen Betrag, da gibt es einen Punkt. Das kann man also heute nicht mehr sagen. Beispielsweise wenn man in eine Zone rein fährt und hat die Plakette nicht, dann gibt es keinen Punkt mehr, aber das Bußgeld ist erhöht worden auf 80 Euro."
    Höhere Bußgelder für leichtere Ordnungswidrigkeiten - im Gegenzug dazu sollen in die Flensburger Verkehrssünderdatei nur noch Verstöße aufgenommen werden, die sicherheitsgefährdend sind. Schon bei acht Punkten droht künftig der Führerscheinentzug, betont Heinrich Haas:
    "Die Punkte, die man hat, werden in ein neues Register aufgenommen. Und was neu ist: Alle die Punkte, die man nach dem 1.5. bekommt, da wird jedes einzelne Delikt dann auch getilgt. Bisher war es so, dass es eine Tilgungshemmung gab und die fällt ab dem 1.5. weg."
    Seminare völlig neu konzipieren
    Bisher verhinderte nämlich jede neue Verkehrssünde, dass die zuvor erfassten Punkte insgesamt getilgt wurden. Jetzt werden sie je nach Delikt in einem Zeitraum zwischen zweieinhalb und zehn Jahren abgebaut.
    Das neue Gesetz schafft auch eine schwierige Baustelle für die deutschen Fahrlehrer.
    Sie müssen nämlich die Fahreignungsseminare für Verkehrssünder, die Punkte loswerden müssen, völlig neu konzipieren. Ab sofort müssen in den Seminaren pädagogische und psychologische Elemente kombiniert werden.
    Heinrich Haas, der Vorsitzende des Fahrlehrverbandes, klickt in seinem Büro auf seinem Laptop Folien mit Grafiken an. Auf ihnen wird erklärt, wie die Fahreignungsseminare für Verkehrssünder künftig aussehen müssen. Eine Zeichnung zeigt einen Menschen, der mit einem anderen Menschen im Gespräch ist:
    "Das ist ein Verkehrspsychologe, der darf nur einen Teilnehmer haben. Und das ist also das Besondere. Und das sind die Aufbauseminare, bisher waren es maximal zwölf Teilnehmer. Doch in Zukunft darf der Pädagoge höchstens sechs Teilnehmer haben und der Psychologe nur einen."
    Diese neu gestalteten Seminare sind neben dem neuen Punktesystem und den höheren Bußgeldern etwa fürs Fahren ohne Plakette in einer Umweltzone Kernstück der Reform der Verkehrssünderdatei. Doch obwohl das Gesetz jetzt in Kraft gesetzt wird, können die neuen Seminare noch nicht angeboten werden, so Heinrich Haas. Vor allen deswegen, weil es noch zu wenig anerkannte Verkehrspsychologen für die neuen Eignungstests gibt:
    "Auf Nachfrage konnte man mit bestätigen, dass sowohl in Rheinland-Pfalz als auch in NRW noch kein Verkehrspsychologe anerkannt ist."
    Höhere Strafen für Handybenutzung
    Nichts mit Verkehrspsychologie, sondern eher mit Technikverliebtheit hat es für den erfahrenen Fahrlehrer Heinrich Haas zu tun, dass viele Fahrer immer noch gerne am Steuer ihr Handy in die Hand nehmen. Auch das wird künftig höher bestraft - zu Recht, findet Heinrich Haas:
    "Das ist eigentlich traurig, dass immer wieder zu sehen ist, dass das Handy benutzt wird. Man ist da doch nicht so konzentriert und deshalb ist es korrekt, wenn man hier stärkere Strafen ausspricht. Und es gibt heute so viele Techniken, dass man das nicht in der Hand halten muss, sondern dass man eine Freisprechanlage hat."
    In den nächsten fünf Jahren soll das neue Verkehrssündersystem evaluiert werden, um zu schauen, ob es auch funktioniert. Automobilklubs kritisierten schon jetzt, dass es genauso kompliziert sei wie das Alte. Es ist also gut möglich, dass die Verkehrssünderdatei in wenigen Jahren wieder so aussieht, wie heute die Straße vor dem rheinischen Fahrlehrerverband in Koblenz: Wie eine Baustelle.

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