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Reformen beim polnischen Rundfunk

Seit die Kaczynski-Zwillinge in Polen an der Macht sind, geraten die Medien immer mehr unter Druck. Doch während Zeitungen und private Fernsehsender weiter kritische Berichte liefern, haben die Kaczynskis beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk bereits ihre Finger im Spiel. An den Schalthebeln sitzen dort bereits ihre Parteigenossen. Beim polnischen Radio regt sich nun aber Protest.

Von Sonja Volkmann-Schluck | 14.10.2006
    Wie jeden Morgen weckt das erste Programm des polnischen Radios seine Hörer mit den "Signalen des Tages". Die Sendung "Sygnaly dnia" gilt als eine der wichtigsten im polnischen Hörfunk - auch für die Politiker. Denn jeden Tag kommen hier Minister, Abgeordnete und die Opposition zu Wort. Seit dem Regierungswechsel vor einem Jahr werden sie von teilweise ganz neuen Redakteuren interviewt, erklärt Radiojournalist Juliusz Gluski vom ersten Programm.

    " Am Anfang kamen Kollegen, die wir kannten und auch mochten. Talkshow-Journalisten zum Beispiel aus dem polnischen Fernsehen. Dafür wurden aber bald andere entlassen. Angeblich sollen sie während des Sozialismus Agenten des Geheimdienstes gewesen sein - doch das sind nur Gerüchte. Doch ein richtiges Problem für unsere Redaktion ist unser neuester Kollege. Tomasz Sakiewicz, Chefredakteur der rechtskonservativen Gazeta Polska."

    Tomasz Sakiewicz ist deshalb ein Problem, weil er vor kurzem in den Verdacht geriet, ein direkter Handlanger der Brüder Kaczynski zu sein. In seiner Titelgeschichte hatte er nämlich den Programmchef des privaten Fernsehsenders TVN beschuldigt, zu Zeiten des Kommunismus mit dem polnischen Geheimdienst zusammengearbeitet zu haben. Ein Vorwurf, der den Brüdern Kaczynski mehr als gelegen kam, denn kurz zuvor hatte der Fernsehsender heimlich ihren Staatssekretär bei dem Versuch gefilmt, gegen Geld eine Stimme zu kaufen. Der Verdacht liegt nahe, dass Sakiewicz den Kaczynskis mit seinem Artikel aus der Patsche helfen wollte - und zur Belohnung nun morgens die Nachrichten lesen und Politiker interviewen darf, meint der Radiojournalist Juliusz Gluski.

    " Der Hörer muss jetzt den Eindruck bekommen, wir seien ein Regierungssender. Ganz wichtig ist aber doch, dass wir Mitarbeiter so gut es geht neutral bleiben."

    Dass Politiker versuchen, den Rundfunk in Polen zu beeinflussen, ist eigentlich nichts neues. Ein mächtiger Rundfunkrat, der von den Regierungsparteien besetzt wird, beaufsichtigte schon immer die Hörfunk- und Fernsehlandschaft. Neu ist allerdings, dass der Rat nun dank eines neuen Mediengesetzes auch in die Berichterstattung eingreift, wie der Chef des polnischen Rundfunks, Krzysztof Czabanski, auch offen erklärt.

    " Bislang habe ich den Eindruck, dass etwa 90 Prozent der Beiträge, Interviews und Kommentare sehr stark linksgerichtet sind. Das soll sich ändern, ich möchte, dass auch das Zentrum und das rechte Spektrum der Politik im Programm wieder mehr zu Wort kommen."

    Bis auf das Kulturprogramm haben inzwischen alle Wellen des polnischen Radios neue Chefs. Alle kommen aus dem Umfeld der Kaczynskis. Auch die Redakteure bei der Jugendwelle Radio Bis bekommen die neue Linie zu spüren. So wurde vor kurzem eine Sendung abgesetzt, die kritisch über Nationalismus berichten sollte, sagt Moderator Michal Owczarek.

    " Politik kommt nicht zur Sprache. Das ist einerseits gut, weil uns kein Chef hineinreden kann, was wir zu sagen haben. Auf der anderen Seite ist es auch sehr schade, dass wir über Politik überhaupt nicht reden dürfen, denn gerade jetzt, wo alle über Politik reden, würden wir doch gerne mal die eine oder andere Anspielung machen."

    Dass einige Mitarbeiter zwar das richtige Parteibuch, aber keine Radioerfahrung haben, macht sich auch auf der Antenne bemerkbar. Im Hörerforum des ersten Programms sind wütende E-Mails zu lesen, wie schlecht der neue Redakteur Tomasz Sakiewicz beispielsweise die Presseschau präsentiert habe. Auch Juliusz Gluski und seine Kollegen vom ersten Programm haben einen Protestbrief ins Internet gestellt. Und immerhin - einen kleinen Erfolg haben sie schon erzielt.

    " Wenn es schon dabei bleibt, dass Sakiewicz hier das Programm mitgestaltet, dann haben wir gesagt, müssen wir ihn zumindest ankündigen dürfen.. Er darf jetzt also nicht mehr sagen: Hier ist das erste Programm, das dürfen nur wir alten Redakteure. Wir hoffen, dass dem Hörer jetzt klar ist, dass Thomasz Sakiewicz nur einer von vielen ist , die im polnischen Rundfunk zu Wort kommen dürfen, aber dass er nicht die Stimme unseres Radios ist."