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Reise ins Ungewisse

Für die deutsche Handball-Nationalmannschaft der Männer hat die heiße Phase der Vorbereitung auf das nächste große Turnier begonnen. Vom 19. bis 31. Januar werden in Österreich die 9. Europameisterschaften ausgetragen. Deutschland zählt erneut zum Kreis der Mitfavoriten, die Erwartungshaltung im Land ist groß.

Von Jens Mickler |
    Die Hiobsbotschaft erreichte Bundestrainer Heiner Brand Anfang Oktober: Pascal Hens erbittet sich eine Pause in der Nationalmannschaft und wird die Europameisterschaft nicht spielen. Die Aufregung in Handball-Deutschland war groß. Ausgerechnet der gefährliche Rückraum-Shooter, ein Mann von Weltklasse-Format, würde dem deutschen Team bei der EM in Österreich fehlen. Brand blieb jedoch gelassen. Vielleicht auch, weil er längst um die wahre Stärke des Hens-Nachrückers wusste. Lars Kaufmann ist einer der wenigen im deutschen Team, die bereits jetzt EM-Form erreicht haben. Das zeigten erst wieder die beiden Test-Länderspiele Anfang der Woche gegen Weißrussland. Auch Heiner Brand findet nur lobende Worte für den Mann von Frisch-Auf Göppingen.

    "Lars hat sich sicherlich sehr gut entwickelt. Ich weiß noch am Anfang, als ich ihn dazugenommen habe, als er noch in Delitzsch spielte, hat man mich belächelt, wie ich so bekloppt sein könnte. Die Angriffswucht hat er immer und die Bereitschaft zu gehen, aber er hat durchaus auch spielerisch gute Szenen. Ich kann ihn zudem in der Abwehr auf verschiedenen Positionen einsetzen. Mir macht er sehr viel Spaß."

    Der Bundestrainer müsste Lars Kaufmann eigentlich in Watte packen, damit sich sein neues Juwel ja nicht noch verletzt in den verbleibenden sechs Wochen bis zum EM-Start. Kaufmann selbst beschäftigt sich erst gar nicht mit einem möglichen Ausfall.

    "Wir haben ja noch zwei andere Spieler auf dieser Position. Wenn man sich da zu sehr Gedanken macht, passiert es erst recht. Deswegen mache ich mir darüber keine Gedanken. Ich versuche, mich fit zu halten und auch die Vorbereitung ordentlich zu trainieren, damit ich dann die Power habe, die ich für die EM brauche."

    Während Brands Sorgenfalten im linken Rückraum, der sogenannten Königsposition im Handball, also auf ein erträgliches Maß geschrumpft sind, gibt es an anderen Schlüsselstellen im Nationalteam Probleme. Im rechten Rückraum zeigt Holger Glandorf, einer von zehn verbliebenen Weltmeistern im Team, ungekannte Schwächen. Auf der Spielmacherposition bleibt nur zu hoffen, dass Michael, genannt Mimi, Kraus seine Knieprobleme in den Griff bekommt und rechtzeitig fit wird. Die Leistungen seines Ersatzmanns Martin Strobel waren zuletzt nämlich nicht länderspieltauglich. Und auf der Kreisposition ist der Einsatz von Sebastian Preiß eher unwahrscheinlich. Preiß wurde erst im Oktober an der Achillesferse operiert. Es ist kein Zufall, dass jeweils Spieler des TBV Lemgo die Problemzonen des DHB-Teams bilden. Der wegen seiner Vielzahl an Nationalspielern einst auch TBV Deutschland genannte Klub aus Ostwestfalen leistet sich derzeit eine sportliche Durstrecke, die Bundestrainer Brand nicht gefallen dürfte. Doch wieder bleibt er ruhig.

    "Ich mache mir da keinen großen Sorgen. Bei Mimi natürlich, dass er körperlich fit werden muss. Das ist ganz klar. Glandorf hat sicher in der gesamten Saison einige Schwankungen im Spiel, aber ich denke, da kann man sich drauf verlassen, und Martin Strobel hat eigentlich auch angedeutet, dass er wieder einen kleinen Schritt nach oben gemacht hat."

    Bleiben neben den drei deutschen Torhütern Bitter, Lichtlein und Heinevetter, die zur Creme de la Creme im europäischen Handball gehören, die Außenpositionen. Während auf der linken Seite Uwe Gensheimer von den Rhein-Neckar Löwen den etablierten Torsten Jansen aus Hamburg und Dominik Klein aus Kiel ordentlich Druck macht, ist das Rennen auf Rechtsaußen ganz offen. Stephan Schröder vom HSV Hamburg spielte zuletzt sehr stark, auch Christian Schöne vom Kaufmann-Klub Frisch-Auf Göppingen rechnet sich noch Chancen aus, wie er sagt.

    "Ich denke, wir haben jetzt noch den Dezember vor uns mit sieben Spielen. Da muss man erstmal zeigen und sich über die Liga empfehlen und dann hofft jeder, dass er dabei ist. Auf der Rechtsaußen-Position gibt es drei vier Leute, die infrage kommen. Von daher ist sicherlich alles ziemlich eng beieinander, aber es sind noch vier Wochen hin. Ich hoffe, dass ich dabei bin. Alles andere kann ich nicht entscheiden."

    Das macht nämlich der Bundestrainer. Und der hofft genau die 16 Spieler zu finden, die vom 19. Januar an in Innsbruck zunächst einmal die Vorrunde überstehen sollen. Das wird schon schwer genug, denn dort warten in Polen, Slowenien und Schweden gleich drei ganz unangenehme Gegner. So wird es ein steiniger Weg bis ins Halbfinale, das das deutsche Team bei der EM vor zwei Jahren in Norwegen noch erreicht hatte. Heiner Brand will daran anknüpfen und sich die Erfolge mit harter Arbeit statt starker Einzelkönner holen.

    "Wir haben überall noch Steigerungsbedarf. Ich meine, von der Torwartposition an, aber da werden die auch noch besser werden. Abwehr, Angriff, Gegenstoß - wir können nur immer dran arbeiten und hoffen, dass wir einen Schritt nach vorne machen."