Rund 90 Werke, Bilder dieses "Hans von Aachen" sind aus ganz Europa hierher zusammengetragen worden. Seine "Anbetung der Hirten", also das Weihnachtsthema, davon hängen Kopien und Variationen in 34 europäischen Museen. Und Hans von Aachens Porträt des Deutsch-Habsburgischen Kaisers Rudolph II. ist aus dem fernen Tokio angereist. Mit Blaulicht und Bodyguards, damit es nicht unter die Räuber fällt. Und so könnte uns jedes Bild dieses "Johannes- oder Hans von Ach", wie er damals geschrieben wird, eine spannende Reisereportage erzählen.
Beginnen wir mit einem Selbstporträt des 22-Jährigen. Ein selbstbewusstes, auch schalkhaft, fast besäuseltes Doppelbildnis. Das renommierte Feuilleton der "Zeit" schreibt in etwa, der schillernde Künstler Hans von Aachen habe sich darauf mit zwei Köpfen abgebildet, ein Gott und ein Schrat, ... also so etwas Koboldhaftes. Ausstellungskurator Dr. Thomas Fusenig:
"Man sieht einen lockigen Jüngling, der aus dem Bild heraus lacht. Hinter ihm steht eine zweite Figur, die ihm sehr stark ähnelt, fast identisch aussieht. Auch wieder mit gleichen Locken, auch ein Lachen. Und der im Hintergrund stehende Mann zupft dem Vorderen am Ohr."
Könnten wir davon ausgehen, dass das auch eine Visitenkarte war, das er von Köln mitgenommen hat um überhaupt etwas in Venedig, wo er dann hinfährt, vorzuweisen?
"Er war ja voll ausgebildeter Porträtmaler, als er Köln verlassen hat. Und tatsächlich hat er sich mit solchen Bildern in Italien quasi vorgestellt, nämlich bei einem richtigen Kunsthändler, wo er angeklopft hat um Arbeit zu erhalten. Da hat er ein lachendes Selbstbildnis vorgezeigt. Und tatsächlich Erfolg damit gehabt."
Ein Türöffner.
"Dass er sich hier quasi selbst als Modell auch vorführt und zeigt, was er in seinem Fach alles kann. Vom jungen Rembrandt wissen wir, dass er sich häufig selber im Spiegel betrachtet und auch gemalt hat, um seine Gesichtsausdrücke zu studieren. Und das ist auch eine Möglichkeit dieses Bild zu erklären, dass Hans von Aachen, tatsächlich allerdings 50 Jahre früher als Rembrandt, sich selber als Modell für Ausdrucksstudien nimmt. Damit wäre das Bild auch ganz außergewöhnlich, auch in der Kunst des 16. Jahrhunderts."
Dieser Künstler erblickt 1552 das Licht der Welt. In damals wirren Zeiten. Reformation und Rekatholisierung, also Gegenreformation. Und entgegen der Namensvermutung wird Hans von Aachen nicht in Aachen, sondern in Köln geboren. Seine Familie, mit niederländischen Wurzeln, soll von Aachen kommen. Kurzgefasst:
Die Eltern des Hannes oder Hennes erkennen früh das Talent des Knaben fürs Malen und Zeichnen. Und deswegen kommt der Junge in der Kölner Altstadt bei ei-nem Antwerpener Maler in die Werkstatt.
Die großen Maler jener Zeit, Albrecht Dürer, Peter Paul Rubens, auch Hans von Aachen glauben an die Notwendigkeit eines Studiums der italienischen Bilderpoeten. Dieser Farbenrausch der späten Renaissance, die Lichtregien. Wenn man in der Champoins-League der abendländischen Malerei mitspielen will, muss man in Italien gewesen sein. Und so packt der lachende Vagabund in Köln sein Talent, sein Lachen, nebst einigen Hemden und Hosen zusammen und reist vom Rhein an den Canale Grande. Es war ratsam eine solche Reise, das sind 1.500 Kilometer über den Brennerpass, im sicheren Geleitzug zu unternehmen. Vielleicht auf einem Handelskarren, halb sitzenden, halb nebenher laufend, und berghoch mit schiebend. Und wir stehen vor Hans von Aachens Tuschezeichnung mit dem biblischen Gleichnis vom "barmherzigen Samariter". Da liegt jemand, er ist sprichwörtlich "unter die Räuber gefallen". Bis auf die Unterhose ausgeraubt. Eine Zeichnung dieses Hans von Aachen am Anfang seiner Lehr- und Wanderjahre durch das Land, wo Goethes Zitronen blühen.
"Also es ist ja die Geschichte des barmherzigen Samariters, wo der Über-fallene am Wegesrand liegt. Und dann gehen verschiedene Reisende achtlos an ihm vorbei. Und erst der gute Samariter steigt dann tatsächlich von seinem Reittier und hilft dem Überfallenen. Und der barmherzige Samariter beugt sich hilfreich über ihn und pflegt dessen Wunden, in dem er hier ein Salböl auf die Schultern des Verletzten träufelt. Das zeigt tatsächlich wie gefährlich Reisen im 16. Jahrhundert war, weil die Wege nicht so befestigt waren wie wir das heute von den deutschen Autobahnen gewöhnt sind, sondern bedroht waren durch eine reiche Zahl von, nicht nur Steuereinnehmern, sonder auch wirklichen Räubern. Man hat eigentlich, bevor man losgereist ist, immer ein Testament gemacht."
Und dann fällt mir noch auf, wie viel Liebe der Hans von Aachen dem Gaul gewidmet hat.
"Karel van Mander berichtet, dass er schon als Kind seine Zeitgenossen beeindruckt hat. Und er erwähnt ausdrücklich eine Zeichnung eines Pferdes. Das hat einen Maler so beeindruckt, dass er dem Vater geraten hat, der Junge solle doch in eine Malerlehre gehen. Und dann natürlich auch der fast antik anmutende Körper des Überfallenen. Aber wenn man genauer hinschaut, sind die einzelnen Körperglieder sehr stark überlängt. Der Überfallene hat wunderbar lange Finger, fast Pianistenhände. Er ist auch eine sehr muskulöse Erscheinung, er ist sehr attraktiv. Und das ist angelehnt an künstlerische Vorbilder, die in Italien damals sehr aktuell waren. Und hier fallen einem vor allem die Beispiele aus der Sixtinischen Kapelle von Michelangelo ein. Die Sixtinische Kapelle war für die Zeitgenossen ein ganz großes künstlerisches Ereignis. Michelangelo hatte ein sehr langes Leben gehabt, sodass er tatsächlich ein sehr alter Mann war, als Hans von Aachen nach Italien kam. Aber er war eine wichtige Bezugsgröße."
Dieses so unscheinbare Bildchen von diesem unbekannten Hans von Aachen hängt immerhin im Louvre.
"Hans von Aachen kann sich im großen Kanon von Künstlern, der im Louvre vertreten ist, durchaus behaupten."
Der vormals junge Pinsellehrling vom Rhein analysiert also die anderen, die großen Meister. Klammer auf, Sixtinische Kapelle. Er muss ja auch seinen Lebensunterhalt hier verdienen. Er unternimmt ja keine Kavaliersreise eines neureichen Bubis, der sich bei ein, Weib und Gesang in Italien seine Hörner abstoßen darf. Hans von Aachen, HVA" abgekürzt, damit signiert er auch seine Bilder. Er bekommt in Rom einen Auftrag für die neu erbaute Mutterkirche des allmächtigen Jesuitenordens. Er malt "Die Anbetung der Hirten", die wir hier als Kupferstichkopie in der Ausstellung sehen und die heute in 34 europäischen Museen hängt.
"Hans scheint tatsächlich eine hohe soziale Kompetenz besessen zu haben, denn er hat sich viele Freunde in Italien gemacht. Das soziale Netzwerk, das er sich in Italien erworben hat und das ihm im späteren Verlauf seiner Karriere auch immer wieder nützlich ist. Und da sind natürlich auch interessant diese Verbindungen zu kirchlichen Institutionen wie den Jesuiten in Rom. Denn später wird er in München auch für die Jesuiten arbeiten. Wer in Rom Erfolg hat, der hatte auch gute Karrierechancen in anderen Teilen Europas."
So kommen wir mit HVA in die Stadt der Medici. Florenz. Einer Kunstmetropole sondergleichen. Wieder funktioniert das Netzwerk. Francesco I. di Medici lässt sich von Hans von Aachen porträtieren. Wir stehen vor dem opulenten Bild.
"Das ist ganz erstaunlich, dass Hans eben auch in Florenz, wo Francesco wirklich einen Musenhof unterhält und ganz viele Künstler auch in seinem Hofstaat vertreten sind, dass er es da schafft, so einen prestigeträchtigen Auftrag zu gewinnen. Er hat sich da schon zwölf Jahre in Italien umgetan. Und offensichtlich scheint er als Porträtist einen hohen Ruf genossen zu haben. Den Fürsten quasi im Format als Staatsporträt darzustellen, auf einem Thronsessel sitzend, mit einem pelzgefütterten Umhang. In dem er kombiniert ... sehr starke venezianische Porträttradition eines Tizian oder eines Tintorreto ... kombiniert mit altdeutscher Genauigkeit, die Details des Pelzes sind sehr genau ausgeführt. Und das entspricht quasi der Porträttradition, ja, in Nürnberg im 16. Jahrhundert."
Francesco, real ist er 44 Jahre alt, und der Hans hat ihn aber nicht als 39-Jährigen gemalt. Ein doch, ein sehr abgelebtes Gesicht.
"Natürlich ist es immer sehr schwierig einzuschätzen, wie das Verhältnis von Porträt und Porträtiertem ist. Hans von Aachen ist später mal gerügt worden, er sei eigentlich zu schmeichelhaft. In diesem Fall, man kann dunkle Seiten der Persönlichkeit ahnen."
Francesco I. ist Schwiegersohn des Deutschen Kaisers. Ausrufezeichen. Die ehemalige Bankiersfamilie hat aus ihren Reihen drei Päpste in Rom durchgedrückt. Und nicht jeder Medici stirbt in jenen Zeiten eines natürlichen Todes.
Hans von Aachen verlässt die Stadt der Künste, der Wissenschaften, der plötzlichen Todesfälle, verlässt Italien, nach fast 13 Jahren. Ihm zugetane Kunstsammler haben den bayrischen Herzog Wilhelm V. für den "italienischen Hofkünstler Deut-scher Nation" entzückt.
Und wir lauschen Musik, Laute und Harfe. Unsere nächste Reisenotiz. Hans von Aachen lernt in München den Leiter der herzoglichen Hofkapelle Orlando di Lasso kennen und auch dessen Tochter Regina di Lasso. Um es vorwegzunehmen, di Lasso wird der Schwiegervater des Hans von Aachen.
Und wir stehen nun vor einem überlebensgroßen Huldigungsporträt des Bayrischen Herzogs Wilhelm V.. Ein hagerer "Renaissancefürst", verschwenderisch mit Pelz drapiert. Sorgfältig inszeniert malt ihn Hans von Aachen zusammen mit seinem kleinen Sohn. Und dieses "Prinzlein", so wie ihn HVA wiedergibt, stielt seinem Vater die Show. Alice Taatgen:
"Also das ist der jüngste Sohn von der Herzog. Und der ist hier so sieben, acht Jahre alt. Das wissen wir, weil Kinder bis so sechs, sieben Jahre immer bei de Frauen am Hof gelebt haben. Haben die auch Mädchenkleider getragen. Also ab so sieben Jahre dann gingen die zur Männerabteilung und dann haben die auch Kleider wie Erwachsene getragen. Die trägt eine orangengelbe Hose und Jacke. Der steht hier noch wie ein kleines Kind, der hält seinen Papa bei der Jacke, so wie klein Kinder das machen, wenn sie etwas scheu sind. Der spielt mit seiner Kette."
Allein die Grazie wie er einen Finger in dieser Kette, in seiner Verlegen-heit, so da rein hängt.
Taatgen: "Und musste da fechten und reiten lernen. Vielleicht auch ein bisschen schon von dem Staatsgeschäft."
Und die Staatsgeschäfte, sprich Finanzen der Wittelsbacher laufen alles andere als "Laptop und Lederhose". Eine luxuriöse Hofhaltung ruiniert das ärmliche Land. Wilhelm V., baut in München den Jesuiten ein riesiges Kloster, davon steht –heute- noch Sankt Michael, die größte Renaissancekirche nördlich der Alpen. Hans von Aachen malt darin für die Jesuiten eine 4-Meterhohe "Kreuzigung Christi", die wir hier in der Ausstellung in einer Entwurfstudie sehen. HVA ist also spezialisiert auf Porträts der Spitzenklasse, auf Kirchengemälde im Sinne der Gegenreformation. Und die gleiche Künstlerhand, die anrührend die qualvolle Kreuzigung malt, versteht sich aber auch auf freizügige antike Sinnlichkeit. Als Beispiel nehmen wir hier sein "Urteil des Paris". Und wir sehen also auf dem Bild ein naives Bürschlein, mit einem Bio-Apfel und drei Grazien.
Taatgen: "Eine goldene Apfel und der soll an die schönste Göttin gehen. Aber die Götter untereinander können das nicht entscheiden. Jupiter entscheidet, dass dann ein Hirte die Entscheidung trifft. Und das ist Paris. Und jede Göttin macht ein Versprechen. Juno sagt, wenn sie mir die Äpfel geben, dann geb ich Dir Weltmacht. Und die Göttin Minerva sagt, wenn Du mir wählst gebe ich Dir ewige Weißheit. Und die Venus, die verspricht ihm die Liebe, die schönste Frau der Welt. Und ja, Paris wählt die Venus."
Diese drei Grazien, die sich bei diesem naiven Hirtenjungen zum Casting anstellen, die zeigen auch ihre Reize, die sind so gut wie nackt.
Taatgen: "Das war natürlich ein gutes Vorbild für schöne Frauen zu zeichnen. Schön zu sehen, dass Hans von Aachen außer alles was er konnte, auch noch Landschaften male konnte. Links steht noch eine wunderschöne Baum. Aber das ist auch alles gang locker ganz einfach ausgemalt."
Ganz einfach? Hans von Aachen, ein Hans im Glück (?), ein Hans-Dampf antik-barocker Sinnlich? Er pendelt knapp 10 Jahre zwischen der Münchener Resi-denz und der Fuggerstadt Augsburg. Wird mit Aufträgen überhäuft. Porträtiert natür-lich auch den Vorstandsvorsitzenden der Fugger, malt für dessen Grablege in der Augsburger Basilika. Hans von Aachen ist zu jener Zeit aber auch schon Hofmaler des Habsburger Kaisers Rudolph II..
1596 ist die Münchener Residenz dann wirklich pleite. HVA verlädt seine Ehefrau Renate, geborene di Lasso, verlädt seine Malerwerkstatt und sein eingespieltes Gehilfenteam auf mehrere Möbelwagen und rumpelt nach Prag. Kaiser Rudolph II. ist gleich alt wie sein Porträtist. Eine politische Skizzierung seiner Person und seiner Zeit.
Der 44-jährige Kaiser Rudolph II. gilt als ein weltfremder und menschen-scheuer Sonderling. Er vergräbt sich in einem Sammelsurium aus Wissenschaft, Kunst und Kuriositäten vor den konfessionellen Spannungen der Reformation und Gegenreformation. Das Reich ist paralysiert, selbst der Reichstag ist schließlich nicht mehr handlungsfähig. Ein Kaiser in Ohnmacht und Einsamkeit.
Wir stehen vor seinem Porträt. Sein gewaltiges Doppelkinn hat der Maler in einer aufwendig verzierten Halskrause versteckt
Fusenig: "Hans von Aachens Porträt des Kaisers ist das meist reproduzierte Bild auch über diese Zeit und über den Kaiser. Das ist ein kleines Bild von Hans von Aachen, das man auf jeden Fall kennt. Rudolph II. ist nachdenklich, fast melancholisch, hat einen etwas suchenden Blick, den er auf den Betrachter richtet. Also für einen Kaiser war es tatsächlich wichtig, dass er einen guten Porträtmaler hatte, der ein offizielles Bild von ihm entwarf. Und zwar für Geschenke an die Familie und an politische Verbündete. Und da war es natürlich auch wichtig, dass man in standesgemäßer Weise dargestellt wurde, die der Stellung des Fürsten angemessen beeindruckend waren."
Hans von Aachen bekleidet eine sehr vertrauliche, auch diplomatische Stellung. Hält beispielsweise für seine füllige Majestät bei führenden Fürstenhäusern "Brautschau". "Castet" die holden Kandidatinnen, porträtiert sie. Und wir stehen vor einem dieser Bewerbungsbilder. Die 19-jährige Erzherzogin Anna von Tirol. Sie trägt unermesslich reichen Schmuck, mitfinanziert von den Fuggern.
Rudolph II. wird dann diskret von seinem Bruder schließlich entmachtet. Hans von Aachen setzt man 1615, nach seinem Ableben, im Sankt Veits-Dom in Prag bei. Von dem Maler Hans von Aachen bleibt, vielleicht infolge des 30 jährigen Krieges, dessen Zerstörungen vielerorts noch länger als hundert Jahre andauern, nichts hängen. Nichts, außer seinen Bildern und Reisenotizen.
Literatur:
Thomas Fusenig, Hg: (AK) Hans von Aachen, Hofkünstler in Europa
Eliska Fucikova: Hans von Aachen (verschiedene Abhandlungen)
Karel van Mander (Zeitgenosse des Hans v. Aachen;1604)
Ludwig Holzfurtner: Die Wittelsbacher, Staat und Dynastie
Rudolf Reiser: Die Wittelsbacher von Bayern
G. v. Pölnitz: Die Fugger (Bankiers der Kaiser und Päpste)
R.W. Evans: Rudolf II., Ohnmacht und Einsamkeit
Wolfgang Boetticher: Orlando di Lasso und seine Zeit
Musik:
Orlando di Lasso, 6022894 Lassus&Palestrina "Bonjour mon Coeur"
Beginnen wir mit einem Selbstporträt des 22-Jährigen. Ein selbstbewusstes, auch schalkhaft, fast besäuseltes Doppelbildnis. Das renommierte Feuilleton der "Zeit" schreibt in etwa, der schillernde Künstler Hans von Aachen habe sich darauf mit zwei Köpfen abgebildet, ein Gott und ein Schrat, ... also so etwas Koboldhaftes. Ausstellungskurator Dr. Thomas Fusenig:
"Man sieht einen lockigen Jüngling, der aus dem Bild heraus lacht. Hinter ihm steht eine zweite Figur, die ihm sehr stark ähnelt, fast identisch aussieht. Auch wieder mit gleichen Locken, auch ein Lachen. Und der im Hintergrund stehende Mann zupft dem Vorderen am Ohr."
Könnten wir davon ausgehen, dass das auch eine Visitenkarte war, das er von Köln mitgenommen hat um überhaupt etwas in Venedig, wo er dann hinfährt, vorzuweisen?
"Er war ja voll ausgebildeter Porträtmaler, als er Köln verlassen hat. Und tatsächlich hat er sich mit solchen Bildern in Italien quasi vorgestellt, nämlich bei einem richtigen Kunsthändler, wo er angeklopft hat um Arbeit zu erhalten. Da hat er ein lachendes Selbstbildnis vorgezeigt. Und tatsächlich Erfolg damit gehabt."
Ein Türöffner.
"Dass er sich hier quasi selbst als Modell auch vorführt und zeigt, was er in seinem Fach alles kann. Vom jungen Rembrandt wissen wir, dass er sich häufig selber im Spiegel betrachtet und auch gemalt hat, um seine Gesichtsausdrücke zu studieren. Und das ist auch eine Möglichkeit dieses Bild zu erklären, dass Hans von Aachen, tatsächlich allerdings 50 Jahre früher als Rembrandt, sich selber als Modell für Ausdrucksstudien nimmt. Damit wäre das Bild auch ganz außergewöhnlich, auch in der Kunst des 16. Jahrhunderts."
Dieser Künstler erblickt 1552 das Licht der Welt. In damals wirren Zeiten. Reformation und Rekatholisierung, also Gegenreformation. Und entgegen der Namensvermutung wird Hans von Aachen nicht in Aachen, sondern in Köln geboren. Seine Familie, mit niederländischen Wurzeln, soll von Aachen kommen. Kurzgefasst:
Die Eltern des Hannes oder Hennes erkennen früh das Talent des Knaben fürs Malen und Zeichnen. Und deswegen kommt der Junge in der Kölner Altstadt bei ei-nem Antwerpener Maler in die Werkstatt.
Die großen Maler jener Zeit, Albrecht Dürer, Peter Paul Rubens, auch Hans von Aachen glauben an die Notwendigkeit eines Studiums der italienischen Bilderpoeten. Dieser Farbenrausch der späten Renaissance, die Lichtregien. Wenn man in der Champoins-League der abendländischen Malerei mitspielen will, muss man in Italien gewesen sein. Und so packt der lachende Vagabund in Köln sein Talent, sein Lachen, nebst einigen Hemden und Hosen zusammen und reist vom Rhein an den Canale Grande. Es war ratsam eine solche Reise, das sind 1.500 Kilometer über den Brennerpass, im sicheren Geleitzug zu unternehmen. Vielleicht auf einem Handelskarren, halb sitzenden, halb nebenher laufend, und berghoch mit schiebend. Und wir stehen vor Hans von Aachens Tuschezeichnung mit dem biblischen Gleichnis vom "barmherzigen Samariter". Da liegt jemand, er ist sprichwörtlich "unter die Räuber gefallen". Bis auf die Unterhose ausgeraubt. Eine Zeichnung dieses Hans von Aachen am Anfang seiner Lehr- und Wanderjahre durch das Land, wo Goethes Zitronen blühen.
"Also es ist ja die Geschichte des barmherzigen Samariters, wo der Über-fallene am Wegesrand liegt. Und dann gehen verschiedene Reisende achtlos an ihm vorbei. Und erst der gute Samariter steigt dann tatsächlich von seinem Reittier und hilft dem Überfallenen. Und der barmherzige Samariter beugt sich hilfreich über ihn und pflegt dessen Wunden, in dem er hier ein Salböl auf die Schultern des Verletzten träufelt. Das zeigt tatsächlich wie gefährlich Reisen im 16. Jahrhundert war, weil die Wege nicht so befestigt waren wie wir das heute von den deutschen Autobahnen gewöhnt sind, sondern bedroht waren durch eine reiche Zahl von, nicht nur Steuereinnehmern, sonder auch wirklichen Räubern. Man hat eigentlich, bevor man losgereist ist, immer ein Testament gemacht."
Und dann fällt mir noch auf, wie viel Liebe der Hans von Aachen dem Gaul gewidmet hat.
"Karel van Mander berichtet, dass er schon als Kind seine Zeitgenossen beeindruckt hat. Und er erwähnt ausdrücklich eine Zeichnung eines Pferdes. Das hat einen Maler so beeindruckt, dass er dem Vater geraten hat, der Junge solle doch in eine Malerlehre gehen. Und dann natürlich auch der fast antik anmutende Körper des Überfallenen. Aber wenn man genauer hinschaut, sind die einzelnen Körperglieder sehr stark überlängt. Der Überfallene hat wunderbar lange Finger, fast Pianistenhände. Er ist auch eine sehr muskulöse Erscheinung, er ist sehr attraktiv. Und das ist angelehnt an künstlerische Vorbilder, die in Italien damals sehr aktuell waren. Und hier fallen einem vor allem die Beispiele aus der Sixtinischen Kapelle von Michelangelo ein. Die Sixtinische Kapelle war für die Zeitgenossen ein ganz großes künstlerisches Ereignis. Michelangelo hatte ein sehr langes Leben gehabt, sodass er tatsächlich ein sehr alter Mann war, als Hans von Aachen nach Italien kam. Aber er war eine wichtige Bezugsgröße."
Dieses so unscheinbare Bildchen von diesem unbekannten Hans von Aachen hängt immerhin im Louvre.
"Hans von Aachen kann sich im großen Kanon von Künstlern, der im Louvre vertreten ist, durchaus behaupten."
Der vormals junge Pinsellehrling vom Rhein analysiert also die anderen, die großen Meister. Klammer auf, Sixtinische Kapelle. Er muss ja auch seinen Lebensunterhalt hier verdienen. Er unternimmt ja keine Kavaliersreise eines neureichen Bubis, der sich bei ein, Weib und Gesang in Italien seine Hörner abstoßen darf. Hans von Aachen, HVA" abgekürzt, damit signiert er auch seine Bilder. Er bekommt in Rom einen Auftrag für die neu erbaute Mutterkirche des allmächtigen Jesuitenordens. Er malt "Die Anbetung der Hirten", die wir hier als Kupferstichkopie in der Ausstellung sehen und die heute in 34 europäischen Museen hängt.
"Hans scheint tatsächlich eine hohe soziale Kompetenz besessen zu haben, denn er hat sich viele Freunde in Italien gemacht. Das soziale Netzwerk, das er sich in Italien erworben hat und das ihm im späteren Verlauf seiner Karriere auch immer wieder nützlich ist. Und da sind natürlich auch interessant diese Verbindungen zu kirchlichen Institutionen wie den Jesuiten in Rom. Denn später wird er in München auch für die Jesuiten arbeiten. Wer in Rom Erfolg hat, der hatte auch gute Karrierechancen in anderen Teilen Europas."
So kommen wir mit HVA in die Stadt der Medici. Florenz. Einer Kunstmetropole sondergleichen. Wieder funktioniert das Netzwerk. Francesco I. di Medici lässt sich von Hans von Aachen porträtieren. Wir stehen vor dem opulenten Bild.
"Das ist ganz erstaunlich, dass Hans eben auch in Florenz, wo Francesco wirklich einen Musenhof unterhält und ganz viele Künstler auch in seinem Hofstaat vertreten sind, dass er es da schafft, so einen prestigeträchtigen Auftrag zu gewinnen. Er hat sich da schon zwölf Jahre in Italien umgetan. Und offensichtlich scheint er als Porträtist einen hohen Ruf genossen zu haben. Den Fürsten quasi im Format als Staatsporträt darzustellen, auf einem Thronsessel sitzend, mit einem pelzgefütterten Umhang. In dem er kombiniert ... sehr starke venezianische Porträttradition eines Tizian oder eines Tintorreto ... kombiniert mit altdeutscher Genauigkeit, die Details des Pelzes sind sehr genau ausgeführt. Und das entspricht quasi der Porträttradition, ja, in Nürnberg im 16. Jahrhundert."
Francesco, real ist er 44 Jahre alt, und der Hans hat ihn aber nicht als 39-Jährigen gemalt. Ein doch, ein sehr abgelebtes Gesicht.
"Natürlich ist es immer sehr schwierig einzuschätzen, wie das Verhältnis von Porträt und Porträtiertem ist. Hans von Aachen ist später mal gerügt worden, er sei eigentlich zu schmeichelhaft. In diesem Fall, man kann dunkle Seiten der Persönlichkeit ahnen."
Francesco I. ist Schwiegersohn des Deutschen Kaisers. Ausrufezeichen. Die ehemalige Bankiersfamilie hat aus ihren Reihen drei Päpste in Rom durchgedrückt. Und nicht jeder Medici stirbt in jenen Zeiten eines natürlichen Todes.
Hans von Aachen verlässt die Stadt der Künste, der Wissenschaften, der plötzlichen Todesfälle, verlässt Italien, nach fast 13 Jahren. Ihm zugetane Kunstsammler haben den bayrischen Herzog Wilhelm V. für den "italienischen Hofkünstler Deut-scher Nation" entzückt.
Und wir lauschen Musik, Laute und Harfe. Unsere nächste Reisenotiz. Hans von Aachen lernt in München den Leiter der herzoglichen Hofkapelle Orlando di Lasso kennen und auch dessen Tochter Regina di Lasso. Um es vorwegzunehmen, di Lasso wird der Schwiegervater des Hans von Aachen.
Und wir stehen nun vor einem überlebensgroßen Huldigungsporträt des Bayrischen Herzogs Wilhelm V.. Ein hagerer "Renaissancefürst", verschwenderisch mit Pelz drapiert. Sorgfältig inszeniert malt ihn Hans von Aachen zusammen mit seinem kleinen Sohn. Und dieses "Prinzlein", so wie ihn HVA wiedergibt, stielt seinem Vater die Show. Alice Taatgen:
"Also das ist der jüngste Sohn von der Herzog. Und der ist hier so sieben, acht Jahre alt. Das wissen wir, weil Kinder bis so sechs, sieben Jahre immer bei de Frauen am Hof gelebt haben. Haben die auch Mädchenkleider getragen. Also ab so sieben Jahre dann gingen die zur Männerabteilung und dann haben die auch Kleider wie Erwachsene getragen. Die trägt eine orangengelbe Hose und Jacke. Der steht hier noch wie ein kleines Kind, der hält seinen Papa bei der Jacke, so wie klein Kinder das machen, wenn sie etwas scheu sind. Der spielt mit seiner Kette."
Allein die Grazie wie er einen Finger in dieser Kette, in seiner Verlegen-heit, so da rein hängt.
Taatgen: "Und musste da fechten und reiten lernen. Vielleicht auch ein bisschen schon von dem Staatsgeschäft."
Und die Staatsgeschäfte, sprich Finanzen der Wittelsbacher laufen alles andere als "Laptop und Lederhose". Eine luxuriöse Hofhaltung ruiniert das ärmliche Land. Wilhelm V., baut in München den Jesuiten ein riesiges Kloster, davon steht –heute- noch Sankt Michael, die größte Renaissancekirche nördlich der Alpen. Hans von Aachen malt darin für die Jesuiten eine 4-Meterhohe "Kreuzigung Christi", die wir hier in der Ausstellung in einer Entwurfstudie sehen. HVA ist also spezialisiert auf Porträts der Spitzenklasse, auf Kirchengemälde im Sinne der Gegenreformation. Und die gleiche Künstlerhand, die anrührend die qualvolle Kreuzigung malt, versteht sich aber auch auf freizügige antike Sinnlichkeit. Als Beispiel nehmen wir hier sein "Urteil des Paris". Und wir sehen also auf dem Bild ein naives Bürschlein, mit einem Bio-Apfel und drei Grazien.
Taatgen: "Eine goldene Apfel und der soll an die schönste Göttin gehen. Aber die Götter untereinander können das nicht entscheiden. Jupiter entscheidet, dass dann ein Hirte die Entscheidung trifft. Und das ist Paris. Und jede Göttin macht ein Versprechen. Juno sagt, wenn sie mir die Äpfel geben, dann geb ich Dir Weltmacht. Und die Göttin Minerva sagt, wenn Du mir wählst gebe ich Dir ewige Weißheit. Und die Venus, die verspricht ihm die Liebe, die schönste Frau der Welt. Und ja, Paris wählt die Venus."
Diese drei Grazien, die sich bei diesem naiven Hirtenjungen zum Casting anstellen, die zeigen auch ihre Reize, die sind so gut wie nackt.
Taatgen: "Das war natürlich ein gutes Vorbild für schöne Frauen zu zeichnen. Schön zu sehen, dass Hans von Aachen außer alles was er konnte, auch noch Landschaften male konnte. Links steht noch eine wunderschöne Baum. Aber das ist auch alles gang locker ganz einfach ausgemalt."
Ganz einfach? Hans von Aachen, ein Hans im Glück (?), ein Hans-Dampf antik-barocker Sinnlich? Er pendelt knapp 10 Jahre zwischen der Münchener Resi-denz und der Fuggerstadt Augsburg. Wird mit Aufträgen überhäuft. Porträtiert natür-lich auch den Vorstandsvorsitzenden der Fugger, malt für dessen Grablege in der Augsburger Basilika. Hans von Aachen ist zu jener Zeit aber auch schon Hofmaler des Habsburger Kaisers Rudolph II..
1596 ist die Münchener Residenz dann wirklich pleite. HVA verlädt seine Ehefrau Renate, geborene di Lasso, verlädt seine Malerwerkstatt und sein eingespieltes Gehilfenteam auf mehrere Möbelwagen und rumpelt nach Prag. Kaiser Rudolph II. ist gleich alt wie sein Porträtist. Eine politische Skizzierung seiner Person und seiner Zeit.
Der 44-jährige Kaiser Rudolph II. gilt als ein weltfremder und menschen-scheuer Sonderling. Er vergräbt sich in einem Sammelsurium aus Wissenschaft, Kunst und Kuriositäten vor den konfessionellen Spannungen der Reformation und Gegenreformation. Das Reich ist paralysiert, selbst der Reichstag ist schließlich nicht mehr handlungsfähig. Ein Kaiser in Ohnmacht und Einsamkeit.
Wir stehen vor seinem Porträt. Sein gewaltiges Doppelkinn hat der Maler in einer aufwendig verzierten Halskrause versteckt
Fusenig: "Hans von Aachens Porträt des Kaisers ist das meist reproduzierte Bild auch über diese Zeit und über den Kaiser. Das ist ein kleines Bild von Hans von Aachen, das man auf jeden Fall kennt. Rudolph II. ist nachdenklich, fast melancholisch, hat einen etwas suchenden Blick, den er auf den Betrachter richtet. Also für einen Kaiser war es tatsächlich wichtig, dass er einen guten Porträtmaler hatte, der ein offizielles Bild von ihm entwarf. Und zwar für Geschenke an die Familie und an politische Verbündete. Und da war es natürlich auch wichtig, dass man in standesgemäßer Weise dargestellt wurde, die der Stellung des Fürsten angemessen beeindruckend waren."
Hans von Aachen bekleidet eine sehr vertrauliche, auch diplomatische Stellung. Hält beispielsweise für seine füllige Majestät bei führenden Fürstenhäusern "Brautschau". "Castet" die holden Kandidatinnen, porträtiert sie. Und wir stehen vor einem dieser Bewerbungsbilder. Die 19-jährige Erzherzogin Anna von Tirol. Sie trägt unermesslich reichen Schmuck, mitfinanziert von den Fuggern.
Rudolph II. wird dann diskret von seinem Bruder schließlich entmachtet. Hans von Aachen setzt man 1615, nach seinem Ableben, im Sankt Veits-Dom in Prag bei. Von dem Maler Hans von Aachen bleibt, vielleicht infolge des 30 jährigen Krieges, dessen Zerstörungen vielerorts noch länger als hundert Jahre andauern, nichts hängen. Nichts, außer seinen Bildern und Reisenotizen.
Literatur:
Thomas Fusenig, Hg: (AK) Hans von Aachen, Hofkünstler in Europa
Eliska Fucikova: Hans von Aachen (verschiedene Abhandlungen)
Karel van Mander (Zeitgenosse des Hans v. Aachen;1604)
Ludwig Holzfurtner: Die Wittelsbacher, Staat und Dynastie
Rudolf Reiser: Die Wittelsbacher von Bayern
G. v. Pölnitz: Die Fugger (Bankiers der Kaiser und Päpste)
R.W. Evans: Rudolf II., Ohnmacht und Einsamkeit
Wolfgang Boetticher: Orlando di Lasso und seine Zeit
Musik:
Orlando di Lasso, 6022894 Lassus&Palestrina "Bonjour mon Coeur"