Donnerstag, 28. März 2024

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Rekordeinnahmen aus der Kirchensteuer
"Diese Zahlen sind den Kirchen selbst peinlich"

Die beiden großen Kirchen in Deutschland verzeichnen Rekordeinnahmen bei der Kirchensteuer: Mehr als 11,4 Milliarden bekamen sie 2015 - und das trotz sinkender Mitgliederzahlen. Den Kirchen spielt hierbei vor allem die gute Konjunktur in die Hände.

Christiane Florin im Gespräch mit Susanne Fritz | 23.06.2016
    Zwei Frauen und ein Mann sitzen am in der Marktkirche in Hannover.
    Die beiden großen Kirchen in Deutschland haben nach den neuesten für das Jahr 2014 vorliegenden Zahlen mehr Mitglieder verloren als in den Jahren zuvor. (picture alliance / dpa/ Julian Stratenschulte)
    Die Kirchensteuer ist in Deutschland an die Einkommensteuer gekoppelt. Bei guter Konjunktur und guter Entwicklung der Löhne und Gehälter fällt sie entsprechend hoch aus. So auch aktuell: Die katholische und die evangelische Kirche nahmen im Jahr 2015 zusammen mehr als 11,4 Milliarden Euro ein - ein Rekord. "Angesichts der Konjunkturlage war das absehbar", sagt Deutschlandfunk-Religionsredakteurin Christiane Florin. "Interessant finde ich, wie die Kirchen damit umgehen." Die Zahlen würden nicht eben als Erfolgsmeldung hinausposaunt. "Ich habe manchmal den Eindruck, dass den Kirchen diese hohen Zahlen im Moment selbst peinlich sind, weil auch die Austrittszahlen hoch sind", so Florin.
    Das deutsche Kirchensteuersystem ist weltweit einzigartig und sorgt für eine komfortable Finanzierung. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages errechnete kürzlich, dass die katholische Kirche in Deutschland knapp 230 Euro pro Mitglied und Jahr zur Verfügung hat, die evangelische gut 220 Euro. In Österreich kommt die katholische Kirche dagegen lediglich auf knapp 80 Euro je Mitglied, in Italien erhält die sie über eine Abgabe gut 22 Euro je Mitglied, in Frankreich kommen die beiden Kirchen auf rund 20 Euro pro Mitglied.
    Kirchensteuer wird kaum infrage gestellt
    Zwar gibt es nach jedem Skandal in der Kirche wieder Diskussionen über die Kirchensteuer. "Aber der Druck reicht nicht aus, um grundsätzlich über das System nachzudenken", sagte Florin. Auch die Politik habe wenig Interesse an einer Veränderung, weil sie in der Kirche eher einen Verbündeten sehe, einen Faktor, der die Gesellschaft zusammenhalte.
    Ein großer Teil der Mittel aus der Kirchensteuer fließt in die Seelsorgebetrieb, in die Arbeit in den Gemeinden, in Personalkosten und Gebäudeunterhalt. Ein Teil wird für Bildung und Akademien aufgewandt, ein weiterer Teil fließt in Entwicklungshilfeprojekte. "Natürlich könnten die Kirchen ein Zeichen setzen und sagen, wir kämen statt mit acht Prozent der Einkommensteuer auch mit fünf Prozent aus", so Florin. Allerdings sei die steigende Zahl der Kirchenaustritte finanziell nur in guten wirtschaftlichen Zeiten wie derzeit zu verschmerzen. Auf mittlere Sicht wirke sich der Mitgliederschwund doch aus.