Archiv


Renitente Professoren

Dicke Luft in Sachsen. Dort klappt es nicht mit dem Hochschulkonsens. An der Technischen Universität in Dresden sollte heute ein neuer Senat zusammenkommen. Wichtigster Tagesordnungspunkt, eine Abstimmung über den sächsischen Hochschulkonsens. Dabei hat die Universitätsleitung große Zustimmung erwartet. Bestandteil des Hochschulkonsenses ist die Schließung der Juristischen Fakultät Dresden. Das passt den Jura-Professoren in Dresden nicht. Sie haben gegen die Zusammensetzung des Senats vor dem sächsischen Verwaltungsgericht geklagt und Recht bekommen.

    Becker: Dicke Luft in Sachsen. Dort klappt es nicht mit dem Hochschulkonsens. An der Technischen Universität in Dresden sollte heute ein neuer Senat zusammenkommen. Wichtigster Tagesordnungspunkt, eine Abstimmung über den sächsischen Hochschulkonsens. Dabei hat die Universitätsleitung große Zustimmung erwartet. Bestandteil des Hochschulkonsenses ist die Schließung der Juristischen Fakultät Dresden. Das passt den Jura-Professoren in Dresden nicht. Sie haben gegen die Zusammensetzung des Senats vor dem sächsischen Verwaltungsgericht geklagt und Recht bekommen. Die Jura-Professoren wollen heute Nachmittag die Presse darüber informieren. Vor der Sendung habe ich mit Martin Schulte gesprochen, dem Dekan der Juristischen Fakultät Dresden und ihn gefragt, was er dort verkünden will.

    Schulte: Erfreulicherweise sind ja da zwei Entscheidungen ergangen, die die Position der Kollegen, die einen Antrag auf einstweilige Anordnung gestellt haben, bestärken, und darüber will ich berichten, und vor allen Dingen natürlich auch über die Konsequenzen, die diese Entscheidung für die weitere Entwicklung haben wird.

    Becker: Wie sieht es denn aus? Warum haben die Kollegen denn gegen diese Senatsbildung überhaupt Klage eingereicht?

    Schulte: Die Kollegen haben Klage erhoben, weil es letztlich darum geht, dass ihre Mitwirkungsrechte in der akademischen Selbstverwaltung gewahrt werden müssen. Das ist nach Ansicht der Kollegen im Augenblick nicht der Fall, weil die Proporzregelung, die gegenwärtig besteht, im Senat ein Proporzverhältnis von 1 zu 2,7 zu 2,7 zu 1 zwischen den verschiedenen Hochschulgruppen vorsieht. Das sieht in anderen Bundesländern ganz anders aus, insbesondere im Hinblick darauf, dass die Stellung der Professoren dort sehr viel stärker ist.

    Becker: Das heißt, die Professoren möchten gerne ihre eigenen Interessen anders vertreten wissen im Senat als es bisher der Fall war?

    Schulte: Richtig. Es geht dort natürlich um sehr grundlegende Entscheidung. Insbesondere natürlich sollte es heute um diesen Hochschulkonsens gehen, aber auch darüber hinaus sind dort natürlich Berufungsentscheidungen, Berufungslisten, Berufungsvorschläge zu beraten, und da ist es von ganz besonderer Bedeutung, dass die Mitwirkungsrechte der Hochschullehrer gewahrt werden.

    Becker: Nun ist ja die Zustimmung zum Hochschulkonsens auch in Dresden schon formuliert worden, in dem Fall aber nicht durch den Senat, der ja in dem Fall nicht beschlussfähig war, sondern durch Kuratorium und Rektoratskollegium zustande gekommen. Was können Sie denn jetzt als Senat, der in dem Fall aber immer noch nicht beschlusskräftig ist, wenn es dabei bleibt, was können Sie denn jetzt noch tun, um zum Beispiel diesen Hochschulkonsens abzubiegen?

    Schulte: Also ich glaube, dass der Hochschulkonsens zunächst einmal gar nicht zustande kommen kann, denn der Staatsminister für Wissenschaft und Kunst hat immer gesagt, dass er verlangt, dass die nötigen Beschlüsse durch den Senat vorher getroffen werden. Das ist gegenwärtig nicht möglich. Das wird erst dann möglich sein, wenn wir wieder einen beschlussfähigen Senat haben. Ob es dann noch zu diesem Hochschulkonsens kommen wird, halte ich für sehr fraglich. Ich glaube vielmehr, dass man das Projekt "Hochschulkonsens" aufgeben sollte und dass man zu konstruktiven Gesprächen zurückkehren sollte, die sich mit der Entwicklung der sächsischen Hochschulpolitik beschäftigen, die aber nicht auf der Grundlage dieses Hochschulkonsenses mehr geknüpft werden können.

    Becker: Vielleicht noch mal für die Hörerinnen und Hörer zur Erinnerung. Wir haben ja schon häufig darüber berichtet, warum auch gerade die Juristische Fakultät gegen diesen Hochschulkonsens ist. Vielleicht können Sie das noch mal kurz zusammenfassen.

    Schulte: Ja, das tue ich sehr gerne. Der Grund ist ganz einfach der: Dieser Hochschulkonsens sieht als Sparmaßnahme schlicht und ergreifend den Wegfall des rechtswissenschaftlichen Studienganges an der Juristischen Fakultät der TU Dresden vor. Damit wird ein Sparpotential zulasten einer einzigen Fakultät gebracht. Es ist überhaupt nicht untersucht und geprüft worden, inwieweit das Sparpotential und die Lasten verteilt werden könnten über verschiedene Fakultäten. Vielmehr hat man gleichsam, man könnte es ein Bauernopfer nennen, eine Fakultät geopfert, und es war selbstverständlich, glaube ich, dass man sich dagegen wehren musste, und das ist nun auf diesem Wege auch geschehen.

    Becker: Vielleicht noch mal zum Ausblick, also wie wird es jetzt weitergehen?

    Schulte: Von unserer Seite - das wird auch Gegenstand meiner Erklärung gleich im Pressegespräch sein - wird es so sein, dass wir natürlich zum einen erst mal zum Ausdruck bringen, dass wir mit der gegenwärtigen Entwicklung wirklich sehr unzufrieden sind, dass wir die Entwicklung auch bedauern, weil die Universität sich wirklich in einer wirklich schweren Legitimationskrise befindet, dass wir von unserer Seite her aber alles tun werden, um aus dieser Krise herauszukommen. Wir bieten konstruktive Gespräche über die weitere Fortentwicklung der Hochschulpolitik an, allerdings nicht mehr auf die Basis von Hochschuldiktaten, wie wir sie in der Vergangenheit erlebt haben, sondern Gespräche unter gleichberechtigten Partnern, die die Einsparungsressourcen unter Wahrung gleicher Interessen verteilen.

    Becker: Soweit Martin Schulte, Dekan der Juristischen Fakultät Dresden. Der Kanzler der Technischen Universität sieht das anders. Er und der Rest der TU wollen den Hochschulkonsens haben, der der TU Investitionsmittel in Höhe von etwa 30 Millionen Euro garantiert, vorausgesetzt die Juristische Fakultät wird dicht gemacht. Ich habe vor der Sendung auch mit Alfred Post gesprochen und gefragt, was er von dem juristischen Vorgehen der Jura-Professoren hält.

    Post: Ich bedaure die Haltung der Jura-Professoren deswegen so sehr, weil es der Sache so wenig dienlich ist. Es wird praktisch damit ein Widerstand der gesamten Universität gegen die Juristische Fakultät heraufbeschworen, was mit Sicherheit den Regelungen, die in Zukunft in Bezug auf Jura an der TU Dresden zu treffen sind, nicht dienlich ist. Insofern halte ich dieses Vorgehen persönlich auch für sehr unklug. Wir können nur hoffen, dass die Professoren da ihre Meinung ändern. Insbesondere sollten die Professoren der Juristischen Fakultät auf ihre Studenten hören, denn die Studenten haben eine ganz andere Einstellung zu dieser Frage.

    Becker: Das heißt, die Studenten haben Verständnis dafür, dass der Studiengang Jura in Dresden eingestellt würde?

    Post: Nein, das möchten sie auch nicht. Sie haben nur kein Verständnis dafür, wie die Professoren versuchen, dies zu verhindern, und wie die Professoren im Grunde genommen ohne Rücksicht auf die Interessen der Studenten versuchen, hier ein bisschen Zeit zu gewinnen, ohne dass damit aber am Ende eine Lösung herbeigeführt werden kann. Es gibt ja Möglichkeiten, in Zukunft Jura an der TU Dresden aufrechtzuerhalten, wenn auch nicht für den Staatsexamen-Juristen, aber für andere juristische Angebote. Da gibt es ja ein breites Spektrum an Handlungsmöglichkeiten. Das möchten die Studenten als einen Schritt, was Jura angeht, salopp gesagt, den Fuß in der Tür zu halten, und das war auch die Haltung der Universitätsleitung. Das wird aber uns zunehmend schwerer gemacht durch diese verfahrenstechnischen Winkelzüge der Professoren. So wird man nie zu einem vernünftigen Ergebnis kommen und das geht letzten Endes zulasen der Studenten und nicht zulasten dieser Professoren, die ja persönlich völlig ungefährdet sind, weil sie Lebenszeitbeamte des Freistaates Sachsen sind.

    Becker: Das heißt, Ihnen wäre in dem Fall dann der Spatz in der Hand lieber als die Taube auf dem Dach, aber damit sind die Jura-Professoren nicht zufrieden?

    Post: Genauso ist es. Und ein Spatz in der Hand kann dünn sein, er kann aber auch noch wachsen. Die Zeiten bleiben ja nicht stehen. Was heute gilt, kann in einem Jahr oder zwei anders sein, das heißt, behält man den Fuß in der Tür, dann eröffnen sich für die Zukunft auch wieder neue Möglichkeiten. Ich fürchte, dass die Professoren mit ihrem Vorgehen dazu beitragen, insbesondere mit Blick auf die Landesregierung, dass die Tür endgültig zugeschlagen wird. Ich fürchte, sie haben die Tür mit ihrem jetzigen Vorgehen bereits zugeschlagen, und da wird es dann auch für die Uni-Leitung schwer, bei der Landesregierung noch Verständnis für Regelungen zu finden, die uns noch Optionen für die Zukunft lassen.