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Reportage: Neurodermitis

Neurodermitis ist eine komplexe Erkrankung. Natürlich können Betroffene diese Probleme mit ihren Ärzten besprechen, allerdings übernehmen solche Basisberatungen zunehmen speziell ausgebildete Neurodermitistrainer.

Von Mirko Smiljanic | 13.10.2009
    Köln, Kinderkrankenhaus Amsterdamer Straße, ein kleiner Raum im Erdgeschoss. Sechs Frauen und drei Männer sitzen um einen Konferenztisch, angehende Neurodermitistrainer, die alle eint: Sie haben entweder beruflich mit neurodermitiskranken Kindern zu tun oder sie kennen die Probleme aus eigener Erfahrung.

    "Ich bin wach, am liebsten würde ich meinem Kind die Hände festhalten, habe aber die Kraft nicht mehr, das Kind kratzt sich blutig, und allein das Geräusch vom Kratzen macht mich furchtbar aggressiv und ich bin allein über dieses Aggressive furchtbar erschreckt."

    Was soll man tun in einer solchen Situation? Gemeinsam mit dem Dozenten diskutiert die Gruppe das Leiden der Mutter, einfache Lösungen – das ist rasch klar – gibt es allerdings nicht. Muss es auch nicht geben, denn Neurodermitistrainer sollen die Hautkrankheit in all ihren Facetten kennenlernen: medizinische Aspekte ebenso wie psychologische, Ernährung ebenso wie der Umgang mit Stress. Zwölf Stunden dauert die Ausbildung, dann dürfen sie Eltern sowie neurodermitiskranke Kinder und Jugendliche beraten – natürlich in enger Absprache mit dem Arzt. Über mangelndes Interesse an diesem Programm kann sich im Kölner Kinderkrankenhaus niemand beklagen.

    "Die Nachfrage ist hoch, das Interesse ist hoch, die Rückmeldung ist positiv, eine persönliche Erfahrung, in der Praxis können Sie das nicht leisten, und das ist auch der Effekt in die Eltern und die Patienten und zurückspiegeln ..."

    ... sagt Oberarzt und Allergologe Dr. Eckhard Korsch vom Kinderkrankenhaus Amsterdamer Straße. Regelmäßig tauschen sich Neurodermitistrainer und Mediziner aus, um die Qualität der Beratung möglichst hochzuhalten. Je besser Eltern und Patienten die Krankheit verstehen, desto besser ist sie zu behandeln, desto weniger leiden die jungen Patienten.

    "Die haben einfach selber dann die Möglichkeit, mit der Krankheit umzugehen, sie sind selber Handelnde geworden, und waren vorher leidende, passive Mitspieler, und das ist der Riesenunterschied."

    Der Neurodermitis nicht hilflos ausgeliefert sein, sondern sie aktiv und mit fundiertem Hintergrundwissen angehen – dabei sollen Neurodermitistrainer helfen. Das tun sie mittlerweile mit großem Erfolg, meint Eckhard Korsch. Für ihn sind sie ein unverzichtbarer Bestandteil des Behandlungskonzeptes. Und – bezogen auf den Fall der psychisch angeschlagenen Mutter – räumt er bei seinem Vortrag auch noch ein weitverbreitetes Vorurteil aus dem Weg.

    "Sie wissen, die Neurodermitis wird von vielen Dingen beeinflusst, aber nicht von dem, was Sie gemacht haben, wo Sie sich falsch verhalten haben, Sie sind nicht die Schuldige daran, dass Ihr Kind Neurodermitis hat, das Kind ist allerdings auch nicht schuldig, und beide werden Sie es schaffen, mit dem Problem Neurodermitis zurande zukommen."