Daniel Porsdorf öffnet die Schublade eines großen blechernen Büro-Schranks und schiebt ein paar Bündel 50-Euro-Scheine hinein: "So, 50er." Die Fächer sind bereits randvoll, gefüllt mit abgegriffenen und neuen Euro- und Dollar-Bündeln. Alles Falschgeld: "Oben und unten ist ein gedruckter Schein und in der Mitte ist Papier, was an der Seite so ein bisschen gefärbt ist."
Die Designagentur Schein Berlin ist eine große Fälscherwerkstatt. Hier ist kaum etwas echt: Der Wermut "Campia" - der auf dem Regal steht und vom Design sehr stark an "Campari" erinnert - er wurde nie abgefüllt und verkauft. Der Stapel Pässe daneben: durchweg Fälschungen: "Historische Pässe, ein niederländischer Pass aus dem Dritten Reich, für Hotel Lux."
Auch das Kinoplakat an der Wand des Hinterhof-Büros im Prenzlauer Berg ist ein Fake: Es bewirbt den Zweite-Weltkrieg-Film "Fräulein Doktor", der nie gedreht wurde. Dafür ist das Plakat - mit Schauspieler Diane Kruger drauf - im Tarantino-Film "Inglourious Basterds" zu sehen: "Ich war in Babelsberg draußen, habe das Foto gemacht von ihr in einem Set, was vorbereitet wurde, damit man eine Bildvorlage hat. Dann ist es bearbeitet worden, um die Ästhetik eines gemalten Filmplakates zu haben. Dann hat Jan Typografie raufgesetzt und ein Filmplakat gezaubert."
Sorgfalt für den Subtext
Daniel Porsdorf und Jan Hülpüsch - die beiden Gründer der Agentur Schein Berlin, haben sich aufs Tricksen spezialisiert. In ihrer Berliner Hinterhof-Werkstatt gestalten sie seit über 13 Jahren grafische Requisiten für Filme und Fernsehen, wie eben dieses Kinoplakat.
"Man erzählt im Subtext einer solchen Geschichte halt unheimlich viel Zeitkolorit, ja klar, darum geht's. Das muss einigermaßen passen, sonst misslingt das Erzählen."
Die beiden leger gekleideten Mittvierziger setzen sich auf die Couch. Porsdorf klappt den Laptop auf - und öffnet einen Filmausschnitt: "Man muss sich vorstellen, dass alle Dinge, die da zu sehen sind, an grafischen Requisiten, Zigarettenschachteln, Notizbüchern, Plakaten, Werbungen, meistens, fast ausschließlich fiktiv sind, also, wirklich von uns erfunden wurden, hergestellt wurden."
Vieles entsteht, während am Set bereits gedreht wird. Dafür arbeiten die beiden nicht nur am Computer, sondern fotografieren, drucken, tippen mit der Schreibmaschine, kleben und basteln. Einen Angestellten haben die beiden. Wird es bei der Produktion der Requisiten eng, holen sie sich weitere freie Mitarbeiter dazu.
Plagiate statt Product Placement
"Es gibt immer Sachen, die sich erst kurzfristig ergeben, am Set offenbaren, wo man sagt, ok, funktioniert so nicht. Wir brauchen hier, sage ich mal, noch ein Poster an der Wand. So was kann immer mal passieren."
Das Spiel mit dem Schein: Begonnen hat es mit Serien wie GZSZ, die sie regelmäßig mit fiktiven Produkten versorgten - um Schleichwerbung zu vermeiden. Mittlerweile arbeiten sie für große Kinoproduktionen wie "Cloud Atlas", "Inglourious Basterds" oder "Hotel Lux". Die meisten Aufträge bekommen sie über die Studios in Babelsberg. Hier kennen die Requisiteure sie - und ihre Arbeit.
Ein anderer Auftraggeber: Museen. Für eine Wanderausstellung zum Thema Zwangsarbeit, haben die beiden zahlreiche Repliken hergestellt. Kopien von Ausstellungsstücken - in diesem Fall: Von verschiedensten Werksausweisen der Zwangsarbeiter: "Aus Papier, Blech, gestanzt, mit Passbild, ohne, ganz zerrissen. Und diese Ausweise liegen in Museen oder Archiven, sind dort fotografiert worden. Die Daten landen dann hier bei uns, wir kriegen die zugeschickt. Und anhand dieser Daten bauen, basteln, patinieren wir diese Dinge nach."
Auf Flohmärkten oder bei Druckereiauflösungen suchen sie sich dafür das passende Material: "Hier haben wir einen wunderbaren großen Kasten, in dem altes Papier in großen Bahnen liegt. Und wenn man rangeht, merkt man, dass es 30 Jahre im Keller gelegen hat."
Bloß nicht putzen!
Ist das Papier dann doch nicht alt genug, helfen Porsdorf und Hülpüsch mit Air-Brush, Farbe, Sandpapier oder anderen Mitteln nach: "Wir putzen selten Fenster, denn das ergibt so einen herrlichen Dreck hier, den kann man wunderbar benutzen."
"Da gab es einen sehr schönen Kontrast: Dass du noch im Hof irgendeinen Umschlag im Dreck beschmiert hast, und dann kamen die von den Ausstellungsgestalter mit weißen Handschuhen, haben das dreckige Buch genommen und ganz behutsam verpackt."
Zu Beginn packte die beiden allerdings der Zweifel: Ist es berechtigt, Repliken anzufertigen - und den Museumsbesucher womöglich zu täuschen? Sie selbst haben nach langen Diskussionen ihre Antwort gefunden: "Ja, es macht glaube ich einen Unterschied, wenn dort ein konkretes Ding liegt. Und da diese Dinge aus nachvollziehbaren, berechtigten Gründen nicht permanent handhabbar sind für solche Ausstellungen, ist es gerechtfertigt, solch eine Replik herzustellen."
Eins ist dabei aber klar. Würden sie es wirklich darauf anlegen, die Öffentlichkeit zu täuschen, wie Konrad Kujau mit den Hitler-Tagebüchern damals - ihre Fälschung wäre nicht so schnell erkannt worden: "Hätten wir es gemacht, wäre es besser gewesen, wäre es nie aufgeflogen."