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Rettungsschirm
Portugal tendiert zum sauberen Ausstieg

Portugals Premierminister Pedro Passos Coelho kommt heute in Berlin mit Angela Merkel zusammen. Die beiden Regierungschefs wollen über den Ausstieg Portugals aus dem Troika-Programm beraten. Dann würde das Land ab Mitte Mai ohne fremde Hilfe und Kontrolle auf eigenen Füßen stehen.

Von Tilo Wagner | 18.03.2014
    Lissabon Portugal
    Krise und kein Ende: Portugiesen demonstrieren in Lissabon gegen die Wirtschaftspolitik ihrer Regierung. (picture alliance / dpa / ©attilio Fiumarella/Wostok Pres)
    Carlos Mesquita sitzt in einem Café in Estoril, nur einen Steinwurf entfernt von einem der größten Kasinos in Europa. Doch bei seinem Kartenspiel, das er auf dem kleinen Cafétisch präsentiert, geht es nicht um ein Glücksspiel, sondern um die Zukunft Portugals. "Hier kommt die Troika" heißt das Gesellschaftsspiel, das der gelernte Ingenieur zusammen mit einem Freund entworfen hat. Das Spiel endet, wenn eine Troika-Karte gezogen wird: mit unfreundlichen Herren in grauen Anzügen und Aktenkoffern voller Geld auf dem Cover. Der Gewinner ist derjenige, der die meisten Macht-, Geld- und Einflusspunkte gesammelt und damit sein Land in den Bankrott getrieben hat.
    "Das Spiel erzählt eine Geschichte. Über verschiedene Ereigniskarten wird eine Wirklichkeit konstruiert, die viele Portugiesen so erlebt haben. Es geht um Macht und Einfluss. Die Interessen der verschiedenen Gruppen aus Politik, Gesellschaft und Wirtschaft sind natürlich überzeichnet, aber neben dem Spaß kann das Spiel auch eine aufklärende Funktion haben. Die Leute sollen darüber nachdenken, was bei uns schief gelaufen ist."
    Über 5.000 Spiele hat Carlos Mesquita bereits verkauft, eine griechische und eine spanische Version sind ebenfalls bereits auf dem Markt. Doch wie geht es jetzt weiter? Schließlich soll Portugal Mitte Mai das Reform- und Sparprogramm abschließen, das mit EU, IWF und Europäischer Zentralbank vor fast drei Jahren vereinbart worden war.
    Zwei Varianten werden in Portugal zur Zeit heftig diskutiert. Entweder wird Portugal genau wie Irland einen sogenannten sauberen Ausstieg wählen. Oder das Land wird ein Überbrückungsprogramm aushandeln, das den Portugiesen die Rückkehr an die internationalen Finanzmärkte erleichtern soll. Für diesen Weg hat sich eine Reihe von führenden Persönlichkeiten in Portugal ausgesprochen, darunter auch Staatspräsident Cavaco Silva, ein gelernter Wirtschaftswissenschaftler. Im Notfall dürfte Portugal dann sehr schnell mit weiteren Hilfen aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus rechnen, müsste im Gegenzug aber weitere Haushaltskontrollen und harte Sparauflagen akzeptieren. Ein Szenario, das der Spieledesigner Carlos Mesquita für eine neue Version seines Kartenspiels nutzen will:
    "Es gibt dann eine Reihe von externen Vorgaben, an die sich die Spieler halten müssen. Sie haben schon Geld und Macht und müssen jetzt versuchen, so viel davon zu behalten und den besten Weg zu finden, wie man die Regeln umgehen kann. Dabei gibt es auch einen sozialen und einen finanziellen Maßstab. Der Spieler muss versuchen, den Bankrott zu verhindern, darf dabei aber nicht zu harte Sparmaßnahmen wählen, weil sonst soziale Konflikte auszubrechen drohen."
    In der Spielversion von Carlos Mesquita wird eine Gefahr andeutet, die auch in der Realität existiert. Im Sommer 2015 wählen die Portugiesen ein neues Parlament. Ohne eine strenge Kontrolle aus Brüssel könnte die Aufweichung von Sparzielen ein beliebtes Wahlversprechen werden. Das kann sich Portugal aber nicht leisten. Staatspräsident Cavaco Silva rechnet mit weiteren 20 Jahren Sparpolitik, bevor das Land wieder eine tragbare Schuldenlast erreichen werde. Mit dieser düsteren Einschätzung will der Staatspräsident auch die beiden großen, konkurrierenden Volksparteien dazu zu bringen, sich gemeinsam an das Versprechen zu binden, die Staatsschulden langfristig abzubauen.
    Der saubere Ausstieg scheint trotzdem immer wahrscheinlicher. Zum einen hat Portugal seinen Finanzierungsbedarf für das laufende Jahr bereits gedeckt. Zum anderen haben die europäischen Partner ein eigenes Interesse, auf ein Überbrückungsprogramm für Portugal zu verzichten. Schließlich ließe sich mitten im Wahlkampf der Europawahl ein derartiges Programm schwer verkaufen, ohne dass man von einem zweiten Rettungspaket sprechen würde.
    Wenn der saubere Ausstieg kommt, muss Carlos Mesquita sein Spiel "Hier kommt die Troika" gar nicht umschreiben. Schließlich sei nach der Troika genauso wie vor der Troika:
    "Bei einem sauberen Ausstieg bleibt alles wie zuvor. Die Spieldynamik wird sich nicht verändern. Die Suche nach Macht, Geld und Einfluss bleibt spielbestimmend. Nur gibt's halt keine Troika mehr, aber die kann ja auch immer wieder zurückkommen. Schließlich war die Troika ja schon mal hier, sie ist gerade wieder hier, sie geht und kommt vielleicht irgendwann zurück."