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Rezepte gegen Duldungsstarre

"Sie können ihre Mitarbeiter nicht motivieren. Aber sie können aufhören, sie zu demotivieren." Dieser Satz stammt von Reinhard K. Sprenger, Autor des Buches "Mythos Motivation", das in Managementkreisen als Bestseller gilt. Beherzigt wird dieser Satz aber offenbar nur von einer verschwindend kleinen Minderheit. Denn das Gallup-Institut für Marktforschung hat im Auftrag der "FAZ" herausgefunden, dass nur jeder Zehnte Angestellte in Deutschland eine Verpflichtung gegenüber seinem Unternehmen gegenüber verspürt. Den gesamtwirtschaftlichen Schaden, der dadurch pro Jahr entsteht, beziffert das Institut auf 250 Milliarden Euro. Das ist natürlich nicht jedes Unternehmen bereit hinzunehmen.

Von Andrea Groß |
    Das Energieunternehmen Ruhrgas in Essen galt wegen seiner verzweigten Beteiligungen als übernahmeunfähig. Als der Düsseldorfer Konzern Eon vor einigen Jahren dennoch Absichten signalisierte, musste die Bundesregierung eingreifen – mit ihrer Hilfe wurde die Aufsehen erregende Elefantenhochzeit dann doch noch arrangiert. Fusionen und Übernahmen sind klassische Angstauslöser bei Beschäftigten. Eine neue Führungsmannschaft kann schließlich alles bedeuten von veränderten Arbeitszeiten über Arbeitsplatzwechsel bis hin zum Arbeitsplatzverlust. Und Angst ist der Motivationskiller schlechthin. Anstelle der befürchteten Entlassungen wurden seither aber bei Eon-Ruhrgas eher Mitarbeiter eingestellt. Aber schon vor der Übernahme hat Ruhrgas dafür gesorgt, dass die Angestellten die Lust an der Arbeit nicht verlieren, erklärt Personalvorstand Christoph Dänzer-Vanotti.

    " Wir haben entwickelt, eine Aktion, die heißt Mensch im Fokus, die so den Menschen ganzheitlich betrachtet, das heißt in seiner Karierreentwicklung betrachtet. Das heißt, wir tun sehr viel für die Personalentwicklung unserer Mitarbeiter. Weiterbildung, aber auch, dass wir sie in Führungsfragen fördern. "

    Auch wenn die Firma gar nicht schuld ist an der inneren Kündigung, sondern wenn privat etwas aus dem Ruder gelaufen ist, gibt es Anlaufstellen. Der Betriebsrat hat für einen Drogenbeauftragten und für eine Schuldnerhilfe gesorgt. Und das ist längst nicht alles. Unlängst wurde das Unternehmen ausgezeichnet, weil es für seine Mitarbeiter und deren Angehörige eine Krebsvorsorgeuntersuchung angeboten hat. Das hatte nichts damit zu tun, dass bei Eon-Ruhrgas besonders viele Mitarbeiter an Krebs erkranken, sondern dass es bei dieser speziellen Vorsorge – es handelt sich um Darmkrebs – um eine Variante geht, die meistens erst entdeckt wird, wenn es schon zu spät ist.

    " Das sind Aktionen, die bei den Mitarbeitern gut ankommen. Die haben das Gefühl, das Unternehmen kümmert sich um uns. Wir haben eine Sportgemeinschaft, wo wir jährlich eine halbe Million investieren, wo 2.000 Mitarbeiter von uns Mitglied sind, die sich in unterschiedlichen Sportarten da engagieren. Da tun sie was für die Gesundheit aber wir tun auch was für das Wohlfühlen der Mitarbeiter, dass die auch einen Zusammenhalt haben untereinander. Das die sich persönlich kennen lernen und dadurch dienstliche Dinge leichter gehen. Und das alles sind Maßnahmen, die entgegenwirken, dass Mitarbeiter sich eigentlich innerlich vom Unternehmen verabschieden. "

    Im Jahr 2003 hat die Frankfurter Allgemeine Zeitung eine Untersuchung in Auftrag gegeben, aus der hervorgeht, dass 90 Prozent der Arbeitnehmer in Deutschland kein Interesse an ihrem Arbeitgeber haben. Diese Zahl hält Michael Rottmann von der Bundesnetzagentur in Bonn für dringend interpretationsbedürftig.

    " Ich glaube schon, dass es zehn Prozent – vielleicht sind es auch 15 Prozent – der Mitarbeiter sind, die für die Firma sozusagen brennen. Es gibt dann einen großen Teil von Beschäftigten, der ist indifferent. Der kann dazu gebracht werden, für die Firma zu brennen. Und es gibt einen Teil der Belegschaft, der ist wahrscheinlich in der inneren Kündigung. Den Prozentsatz kann man natürlich auch nur schätzen. Man geht überwiegend davon aus, dass in den meisten Betrieben dieser Prozentsatz auch so bei zehn bis 15 Prozent liegt. "


    Michael Rottmann ist Verwaltungsleiter bei der Bundesnetzagentur. Der Titel verweist auf das, was die Agentur ist: eine Behörde, vormals mit dem etwas sperrigen Titel: zur Regulierung von Post und Telekommunikation. Das Klischee will es, das der Arbeitseifer von Angestellten des öffentlichen Dienstes mit der inneren Kündigung gleichgesetzt wird. Michael Rottmann kann darüber allerdings nicht lachen.

    " Jede größere Behörde muss sich natürlich mit diesem Phänomen auseinandersetzen. Ich denke, wer einmal in der inneren Kündigung angekommen ist, den wird man auch kaum wieder richtig zurückholen können. Aber den großen Block derjenigen, die zwar begeisterungsfähig sind, aber noch nicht begeistert, um den muss man kämpfen. "

    Michael Rottmann hat diesen Kampf aufgenommen. Erfolgreich, wie die Carl Bertelsmann-Stiftung fand, die im vergangenen Jahr einen europaweiten Wettbewerb für die Kunden- und Mitarbeiterfreundlichkeit von öffentlichen Institutionen ausschrieb und unter den 160 Teilnehmern die Bundesnetzagentur zu den vier Besten zählte. Das Erfolgsrezept: Michael Rottmann achtet darauf, dass seine Mitarbeiter nicht eingesperrt werden von den unzähligen Verwaltungsvorgängen, Dienstvorschriften, Richtlinien und Empfehlungen.

    " Jede Organisation unterliegt ja einem Dickicht von Vorgaben und Regelungen. Bei uns betrifft das in erster Linie die Fragen der Beurteilungssysteme und Bewertungen und wir versuchen uns in diesem Dickicht doch noch einen nötigen Freiraum zu erhalten für ein personen- und sachgerechtes Verhalten. "

    Dass ein höheres Gehalt und schnellere Beförderung sich positiv auf die Arbeitsmotivation auswirken, glaubt Michael Rottmann nicht. Gestaltungsmöglichkeiten innerhalb der Karierre, der Arbeitszeit oder des Arbeitsplatzes hingegen schon. Deshalb sind flexible Arbeitszeitmodelle oder Telearbeit auch kein Thema. Geradezu euphorisierend wirke sich – so Rottmann – ein Plus an Verantwortung aus.

    " Wir hatten vor kurzem einer unserer Außenstellen eine neue Tätigkeit zuordnen können, die äußerst anspruchsvoll war. Sie glauben gar nicht, was das für Kräfte freigesetzt hat. "