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Rheinland-Pfalz
Chancen auf Aufstieg für ehemalige Hauptschullehrer

Von 2009 an führten in Rheinland-Pfalz die "Realschulen plus" die ehemaligen Haupt- und Realschulen zusammen. 4.000 frühere Hauptschullehrer übernahmen die Jobs von Realschullehrern plus - doch ohne wie Realschullehrer bezahlt zu werden. Jetzt muss das Land ihnen realistische Möglichkeiten für den Aufstieg bieten.

Von Anke Petermann |
    Frank Handstein unterrichtet Deutsch und Englisch an der Realschule plus in Nentershausen im Westerwald. Der studierte Hauptschullehrer arbeitet seit dem Beginn der rheinland-pfälzischen Schulreform 2009 faktisch als Realschullehrer, ohne als solcher bezahlt zu werden:
    "In meinem Fall würden das circa 350 Euro netto sein, es geht aber hoch bis zu 500 Euro, die das im Gehalt ausmachen kann, in den oberen Erfahrungsstufen. Dafür, dass wir die absolut identische Arbeit tun, mit denselben Schülern arbeiten und als Hauptschullehrer eigentlich auch die pädagogisch fundiertere Ausbildung haben, finde ich das absolut nicht hinnehmbar, so viel weniger zu verdienen. Wir fordern eine gleiche Bezahlung, wir fordern auch ein gleiches Amt wie die Realschullehrer plus", sagt Handstein stellvertretend für 4.000 ehemalige Hauptschullehrer, die an Realschulen plus und Integrierten Gesamtschulen unterrichten.
    Zwar erließ das Mainzer Bildungsministerium im Frühjahr 2014 auf Druck des Oberverwaltungsgerichts Regeln für eine sogenannte Wechselprüfung. Doch die hat bislang kaum ein ehemaliger Hauptschullehrer absolviert, auch Frank Handstein nicht. Berufsbegleitend war das gar nicht möglich, beanstandet er:
    Unverhältnismäßige Prüfungsanforderungen
    "Das ist eigentlich eine Abschrecktaktik. Das ist keine Wechselprüfungsordnung, sondern eine Abschrecktaktik, damit sich die Kollegen bloß nicht fortbilden und damit in den Genuss eines höheren Amtes und damit auch in den Genuss eines besseren Gehalts kommen."
    Denn die Prüfung stellt unverhältnismäßige Anforderungen – das hat das Bundesverwaltungsgericht nun bestätigt. Insbesondere kritisierten die Richter die geforderte schriftliche Hausarbeit mit wissenschaftlichem Charakter. Schließlich unterrichteten die ehemaligen Hauptschullehrer schon seit Jahren an Realschulen plus, bislang ohne Beanstandung, da sei es nicht rechtens, ihnen eine wissenschaftliche Nachqualifikation abzuverlangen. Geprüft werden müsse berufsbegleitend, so hielt das Gericht fest, ob sich ein Lehrer praktisch auf dem Dienstposten bewähre, den er schon ausfülle und auch künftig ausfüllen solle.
    Bis zum 1. August muss das Land die Regeln für die Wechselprüfung ändern, und statt einer Hausarbeit Praxisprüfungen durch Unterrichtsbesuche und Kolloquien einführen. Das Bildungsministerium sei damit beschäftigt, das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts umzusetzen, konstatiert Bildungsstaatsekretär Hans Beckmann:
    Schriftliche Hausarbeit durch Praxisprüfungen ersetzen
    "Wir werden die Wechselprüfungsordnung unter Beachtung der Hinweise des Bundesverwaltungsgerichts überarbeiten, und ein Kernpunkt ist die Hausarbeit, die als Bestandteil der Prüfung entfallen wird."
    Setzt das Land das so um, "dann ist das erreicht, was wir wollten, nämlich dass die KollegInnen eine realistische und angemessene Chance haben, das höherwertige Amt auch zu erreichen", sagt Gerhard Bold als Landeschef des Verbandes Bildung und Erziehung Rheinland-Pfalz. Doch der VBE zweifelt, ob das Land tatsächlich den Willen hat, den ehemaligen Hauptschullehrern die Beförderung zu ermöglichen. Der Verband argwöhnt, dass die Regierungsfraktionen im Landtag den kollektiven Aufstieg der Lehrkräfte bremsen könnten, indem sie keine ausreichende Anzahl an Stellen in der höheren Besoldungsgruppe A 13 bewilligen.
    Sollten alle 4.000 ehemaligen Hauptschullehrer an Realschulen plus und Integrierten Gesamtschulen die Prüfung machen, bestehen und sich dann auf den besser bezahlten Realschullehrerposten bewerben, kämen auf das Land Rheinland-Pfalz Zusatzkosten von 15 bis 20 Millionen Euro zu, schätzt der VBE. Staatssekretär Hans Beckmann glaubt nicht, dass sich alle Lehrer zur Prüfung anmelden, versichert aber:
    "Wir werden schauen, dass die Kollegen und Kolleginnen, die sich der Wechselprüfung unterziehen, realistische Chancen haben, Realschullehrer zu werden."