Archiv


Rheuma: Frauen häufiger betroffen aber schlechter versorgt

Die Rheumatoide Arthritis ist die häufigste entzündlich-rheumatische Erkrankung und betrifft knapp ein Prozent der Bevölkerung. Typische Symptome sind Schmerzen und Schwellungen der Fingergelenke. In Wiesbaden fand die diesjährige Rheumatologenkonferenz statt. Dort war auch ein bemerkenswerter Widerspruch Thema.

Von Carsten Schroeder |
    Frauen erkranken ungefähr dreimal häufiger an Rheumatoider Arthritis als Männer. In jungen Jahren ist der Unterschied sogar noch eklatanter, das sind es viermal mehr Frauen. Im Alter gleichen sich die Geschlechter ein wenig an, und es sind (in Anführungsstrichen) "nur noch" doppelt soviel Frauen wie Männer.

    Warum das so ist, liegt aus medizinischer Sicht im Bereich der Spekulation:

    "Das weiß man nicht so genau, aber man geht davon aus, dass die Hormone eine Rolle spielen. Frauen erkranken typischerweise um die Menopause herum (oben)."

    Prof. Angela Zink vom Deutschen Rheuma-Forschungszentrum in Berlin.

    Doch obwohl Frauen mit ihren Beschwerden sogar ein bisschen schneller zum Hausarzt gehen als Männer - statistisch gesehen zwei Wochen früher - werden sie erst viel später an einen Spezialisten überwiesen, den Rheumatologen. Im Schnitt sind es 3-4 Monate mehr, die vergehen, bis eine Frau die selbe ärztliche Versorgung wie ein Mann bekommt.

    Dass die Ärzte die Beschwerden ihrer weiblichen Patienten offenbar geringer einschätzen, als die der Männer, ist schon deshalb erstaunlich, weil Frauen sogar nachweisbar stärker unter den rheumatischen Beschwerden leiden.

    "Frauen erleben die Krankheit anders, sie haben mehr Schmerzen, sie haben stärkere Funktionseinschränkungen, sie schätzen sie selbst kränker ein, sie schätzen ihren eigenen Gesundheitszustand schlechter ein, sie sind auch aktiver krank, auch aus der Arztsicht haben sie eine höhere Krankheitsaktivität."

    Dieses "aktiver krank sein" ist keine subjektive Wahrnehmung, sondern dafür haben die Rheumatologen ein besonderes Krankheitsmaß entwickelt, den Disease Activity Score. In diesen Wert gehen die Zahl der geschwollenen Gelenke, die Zahl der schmerzenden Gelenke und die Blutsenkungsgeschwindigkeit ein. Die Selbsteinschätzung des Patienten spielt zwar auch eine Rolle, hat aber nur einen geringen Stellenwert.

    "Dieses Maß ist das, woran sich die Rheumatologen heute orientieren. Wenn der Wert zum Beispiel über 5,1 geht, dann muss die Therapie angepaßt werden ."

    ... was zum Beispiel durch stärkere Arzneien geschehen kann. Aber selbst beim Verschreiben von Medikamenten werden Frauen offenbar zurückhaltender behandelt als Männer.

    "Das am häufigsten gegebene Medikament, das Methotrexat, wird bei Frauen seltener angewandt. Das mag damit zusammhängen, dass Frauen auch mehr Nebenwirkungen berichten. Frauen sind, das weiß man aus vielen Studien, symptomaufmerksamer, sie berichten schneller Nebenwirkungen, sie haben einfach auch mehr Nebenwirkungen. Insofern ist man an diesem Punkt zurückhaltender. Frauen bekommen eher die milderen Medikamente, was gut gerechtfertigt sein kann, aber dann auch dazu führt, dass die Krankheit schlechter kontrolliert werden kann."

    Woran liegt es, dass Frauen bei rheumatoider Arthritis schlechter behandelt werden als Männer: später zum Experten überwiesen werden, seltener Medikamente erhalten und mit ihren Beschwerden weniger ernst genommen werden? Angela Zink hat keine Antwort:

    "Kann ich nur spekulieren. Möglicherweise findet es ein Hausarzt bei einer Frau etwas normaler, dass sie dicke Finger hat und das sie Schmerzen hat, weil es viel Fingerpolyarthrosen gibt, weil es viele verschiedene Krankheitsbilder in der Altersklasse der mittel bis älteren Frauen gibt, wo man es nicht ganz so dramatisch findet, wie wenn ein Mann mit einer ähnlichen Symptomatik kommt. Aber das ist meine persönliche Spekulation, ich kann es Ihnen nicht genau beantworten."