Archiv


Riesenfalter als Modell

Technologie.- Wärmebildkameras sind vielfältig einsetzbar, aber auch sehr teuer. Doch theoretisch könnte der Preis bald fallen: In der Fachzeitschrift "Nature Photonics" präsentieren US-Forscher ein neues Konzept für eine Wärmebildkamera, für das die Natur Pate gestanden hat – in Form eines exotischen Schmetterlings.

Von Frank Grotelüschen |
    Eine Spannweite von elf Zentimetern, die Flügel durchscheinend weiß mit leichtem Blauschiller. Das ist der Steckbrief von Morpho sulkowskyi – einem Schmetterling, der in ganz Südamerika zu Hause ist. Doch nun könnte dem Morphofalter eine ungewöhnliche Karriere bevorstehen – als Vorbild für eine neue Generation von Wärmebildkameras. Die heutigen Geräte nämlich haben so ihre Nachteile.

    "Manche der heutigen Wärmebildkameras liefern zwar sehr gute Bilder. Aber man muss sie auf minus 200 Grad Celsius kühlen. Und das macht die Technik kompliziert und teuer. Andere Geräte müssen zwar nicht so stark gekühlt werden. Ihre Bilder aber sind relativ schlecht und längst nicht so scharf, wie wir es etwa von einem schlichten Fotohandy gewohnt sind",

    sagt Radislav Potyrailo vom Forschungszentrum des US-Konzerns General Electric in Niskayuna, das liegt im Bundesstaat New York. Gesucht ist also ein neues Konzept für Wärmebildkameras, die preisgünstig sind und zugleich gute Aufnahmen machen. Fündig wurden die Experten beim Morphofalter. Seine Flügel nämlich besitzen außergewöhnliche optische Eigenschaften: Sie sind mit unzähligen dünnen Schuppen übersät. Und diese Schuppen brechen das Licht so, dass es – je nach Blickwinkel – ungewöhnlich stark schillert.

    "Schaut man sich die Flügelschuppen unter dem Mikroskop an, sehen sie aus wie Bäume – eine verzweigte, lamellenartige Struktur. Fällt Licht auf diese Lamellen, entsteht dieser schöne irisierende Effekt. Und durch einen Trick konnten wir diese Lamellen dazu bringen, Wärmestrahlung in sichtbares Licht umzuwandeln."

    Und so sah der Trick aus: Potyrailo nahm den getrockneten Flügel des Morphofalters und benetzte ihn mit einer Flüssigkeit, in der Nanoröhrchen aus Kohlenstoff gelöst waren. Nach dem Trocknen blieben die Röhrchen in den Lamellen des Schmetterlingsflügels hängen. Den so präparierten Flügel bestrahlten die Forscher mit einer Wärmelampe.

    "Dann schauten wir uns mit einer Spezialkamera an, wie die Schmetterlingsflügel auf die Wärmestrahlung reagierten. Das Ergebnis: Sie fingen an, in sichtbarem Licht zu schillern."

    Die mit den Nanoröhren getunten Flügelchen hatten also Wärme umgewandelt in Licht. Die Nanoröhrchen hatten sich unter dem Einfluss der Wärmelampe kräftig ausgedehnt und das optische Verhalten der Lamellen entscheidend verändert. Gegenüber heutigen Wärmebildkameras hätte sein Konzept deutliche Vorteile, sagt Radislav Potyrailo.

    "Unser Sensor muss nicht gekühlt werden. Außerdem könnte man sehr kleine Pixel fertigen, was eine hohe Bildauflösung ermöglicht. Und damit scheinen Wärmebildkameras möglich, die sehr gute Bilder liefern, aber statt 10.000 nur noch 50 Dollar kosten. Und damit könnten sie sich viel mehr Leute leisten als heute."

    Werden künftige Wärmebildkameras also auf Sensoren basieren, die aus getrockneten Schmetterlingsflügeln bestehen? Nein, meint Potyrailo. Das war nur ein Labormuster um die Machbarkeit zu demonstrieren.

    "Für ein kommerzielles Produkt müssen wir andere Materialien verwenden, die zwar nach demselben Prinzip funktionieren, aber noch viel effektiver sind. Und wir haben schon einige Ideen: Man könnte solche Lammellen-Strukturen auf Siliziumbasis realisieren, oder mit speziellen Kunststoffen"

    Ein Weilchen aber werden wir noch warten müssen. Mindestens fünf Jahre, schätzt Potyrailo, dürfte es noch dauern, bis sie marktreif ist – die Wärmebildkamera, für die ein südamerikanischer Riesenschmetterling Modell gestanden hat.