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Riskanter Drahtseilakt

Lothar Guckeisen: Unser Zukunftskapital ist die Bildung, die gute Qualität von Forschung und Lehre, das sagen unisono alle Politiker. Und weil der Staat nicht mehr so viel Geld zu vergeben hat, fordert man von den Universitäten mehr Eigeninitiative. Die Professoren sollen Drittmittel ranschaffen, das heißt vor allem, in der Wirtschaft nach Sponsoren suchen, mit Industrieunternehmen kooperieren. Das klingt einleuchtend, ist aber für die Hochschullehrer hoch problematisch, denn wer seiner Dienstpflicht nachkommt und Geldgeber für sein Institut findet, der steht unter Umständen mit einem Bein im Gefängnis. So sieht das der ärztliche Direktor der Kinderklinik der Uni Heidelberg, Jochen Tröger und der ist mit dieser Ansicht nicht alleine. Auf einem Symposium wird das Problem dort gerade heiß diskutiert. Herr Tröger, bei jedem Hochschul-Ranking gilt die Höhe der Drittmittel normalerweise als Qualitätsmerkmal, deshalb zunächst einmal die Frage: wo liegt das Problem?

Lothar Guckeisen |
    Jochen Tröger: Darin, dass die öffentlichen Drittmittel zum Teil, vor allem aber die privaten Drittmittel nach dem Strafgesetzbuch, Paragraph 331 unter einer problematischen Wertung stehen. Ich will kurz vorlesen: ein Amtsträger, der für die Dienstausübung einen Vorteil für sich oder einen Dritten fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Und Hochschulprofessoren sind Amtsträger und stehen grundsätzlich bei Drittmitteleinwerbungen damit unter diesem Generalverdacht.

    Guckeisen: Ein bekanntes Beispiel ist ja jetzt der Prozess gegen den Herzchirurgen Hagel, der für seine Forschung Geld gesammelt hat und dann wegen des Vorwurfs der persönlichen Vorteilsnahme vor Gericht stand. Acht Jahre hat der Prozess gedauert, vor ein paar Monaten ist das Urteil gefallen, Verwarnung mit Strafvorbehalt. Kommt denn so etwas häufig vor, dass Professoren angeklagt werden?

    Tröger: Glücklicherweise zur Zeit nicht, aber es hat eine große Welle in den vergangenen Jahren gegeben, die ganze Fachdisziplinen paralysiert hat. Im Zusammenhang mit solchen Vorwürfen hat es circa 1700 bis 1800 Verfahren gegeben. Eine Minimalzahl hat zu einer Strafe geführt. Hier wird ohne Frage mit einer geringen Zahl von Betroffenen ein riesiger Aufwand und eine riesige Paralyse der Universität und der Forschung überhaupt betrieben. Zur Zeit ist das deutlich besser und ich denke, das hängt auch damit zusammen, dass der Bundesgerichtshof eben in diesem verfahren Hagel diesen Vorwurf deutlich relativiert hat.

    Guckeisen: Trotzdem gibt es jetzt diese Gesetzeslage, die Sie eben zitiert haben. Herrscht denn Verunsicherung bei den Professoren, ist man da zurückhaltender geworden bei der Einwerbung von Drittmitteln?

    Tröger: Es herrscht nicht nur Verunsicherung bei den Professoren, vor allem bei der Industrie, denn die ist ja der andere Partner bei diesem Vorwurf. Und so hat in den letzten Jahren eine fünfzigprozentige Abnahme der Sponsorentätigkeit aus dem Bereich der Industrie stattgefunden. Außerdem erleben wir eine Abwanderung ins Ausland.

    Guckeisen: Welche Konsequenzen hat das für den Forschungsstandort Deutschland?

    Tröger: Einmal, dass die Forscher selbst in ihrer Schwierigkeit und der des Antragsverfahrens wahrscheinlich eher keine Drittmittel in manchen Fällen einwerben und den anderen Nachteil, dass eben die Schweiz zum Beispiel, was Baden-Württemberg betrifft, oder überhaupt auch Amerika, Harvard, eine erhebliche Plenage für diesen Bereich des Sponsorings darstellt.

    Guckeisen: Andererseits kennen wir noch die Schlagzeilen des Herzklappenskandals, Korruption im Pharmabereich. Also müsste man doch anders auch fragen: ist es nicht gerade notwendig, hier scharf zu kontrollieren und Korruption einen Riegel vorzuschieben?

    Tröger: Da bin ich unter allen Umständen dafür, dass der Korruption ein Riegel vorgeschoben wird. Aber es darf keinesfalls als Vorteilsannahme gelten eine Imageverbesserung oder verbesserte Untersuchungsbedingungen, etwa durch ein Gerät, mehr Patienten, mehr Privatpatienten. Das sind groteske Argumentationsketten, die da nichts zu suchen haben. Was wir brauchen, ist eine scharfe Formulierung, die aber die Forschung mit Drittmitteln nicht unter diesen Generalverdacht stellt.

    Guckeisen: Wie könnte man das denn praktisch, ganz konkret machen? Wenn man als Beispiel einen Medizingerätehersteller nimmt, der eine Uniklinik unterstützt, der hat ja auch immer ein Verkaufsinteresse, das kann man nicht wegreden. Wie könnte man das gesetzlich überhaupt regeln, lässt sich das regeln?

    Tröger: Nein, ich glaube, man muss die Sache andersrum beginnen. Lassen Sie mich von einem Medikament oder beispielsweise von einer Herzklappe sprechen. Es muss sogar so sein, dass die Herzklappe, die ich als Chirurg anwende, weil ich sie für die beste halte, die kann nur durch klinische Forschung verbessert werden. Deshalb muss in vielen Fällen bei der klinischen Forschung der Drittmittelgeber und der Produktverkäufer die gleiche Person sein. aber bedenken Sie bitte: der Herzchirurg legt nicht den Preis und die Modalitäten der Herzklappenlieferungen fest. Das macht heute eine Verwaltung, die unabhängig von diesem Chirurgen agiert.

    Guckeisen: Sie haben nun dieses Symposium in Heidelberg. Ist das nur eine Diskussionsrunde oder wird auf diesem Symposium auch etwas verabschiedet, also eine Aufforderung, das Gesetz in irgendeiner Weise zu konkretisieren?

    Tröger: Wir haben am Ende vor, genau diesen Vorschlag einer Änderung der Gesetzeslage durchzuführen und wir haben gerade einen eindrucksvollen Vortrag von Frau Flach aus Nordrhein-Westfalen gehört, die sich eigentlich sehr ähnlich mit unseren Vorstellungen geäußert hat. Es ist das Ziel, die Gesetzeslage zu ändern und das soll der erste Schritt sein.

    Guckeisen: Drittmitteleinwerbung, eine strafbare Dienstpflicht? So lautet ein Symposium an der Uni Heidelberg und ich sprach dort mit Jochen Tröger, ärztlicher Direktor der Kinderklinik und Prorektor.