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Risse im Fundament

Für mehr als neun Millionen Euro wird in Osthofen eine Bahnunterführung gebaut. Bauaufsicht, Unternehmen und Auftraggeber arbeiten bei dem Großprojekt eng zusammen, um Pfusch am Bau zu verhindern.

Von Ludger Fittkau |
    Bernhard Knoop deutet am Rande der Baugrube am Bahnhof Osthofen auf ein neues Tunnelstück, das unmittelbar an die Gleise der Bahnlinie Mannheim-Worms-Mainz heranragt. Mehr als neun Millionen Euro kostet die neue Bahnunterführung in Osthofen. Seit einem Jahr wird daran gebaut.

    "Zunächst ist es ein technisch sehr herausragendes Bauwerk, das Arbeiten im Bahnbereich ohnehin nicht ganz unproblematisch. Da muss jeder, der an der Baustelle arbeitet, aufpassen."

    Auf dem Dach des Tunnels bearbeiten zwei Bauleute den frischen Beton mit kleinen Feuerstößen aus einer Gasflasche, damit wird das Trocknen beschleunigt.

    Ende April wird das gut 20 Meter lange Tunnelstück mit großen Pressen unter die Gleise gedrückt - ein spannender Moment für Ingenieure und Bauarbeiter. Bernhard Knoop, Leiter des rheinland-pfälzischen Landesbetriebes Mobilität in Worms, ist für die Bauaufsicht auf der Großbaustelle zuständig:

    "Es ist halt bautechnisch ein besonderes Bauwerk, weil wir in den Grundwasserbereich reinragen. Das heißt, wir müssen eine sogenannte Wanne bauen. Da müssen halt die Handgriffe sitzen. In die Planung ist eine Menge Ingenieursverstand eingeflossen. Das muss auch dann vor Ort so umgesetzt werden, wie sich das die Planer auch vorstellen."

    Klar ist auch: Beim Bau der Bahnunterführung darf im Beton keine Eisenstange fehlen, sonst würde das Tunnelbauwerk der Verschiebeaktion kaum standhalten. Um ständig informiert zu sein, was auf der Baustelle läuft, hat der rheinland-pfälzische Landesbetrieb Mobilität einen eigenen Baucontainer gleich neben die Baugrube gestellt. Immer, wenn Beton gegossen wird oder neue Eisenstangen geliefert werden, ist ein Landesbediensteter als Bauaufsichtsperson vor Ort, versichert Bernhard Knoop. Es passiere nichts auf Vertrauensbasis - die scheint in der Baubranche fehl am Platz.

    "Wir schauen, dass das richtige Eisen von seiner Dimensionierung her an der richtigen Stelle sitzt. Wir schauen, dass die Abmessungen auch korrekt sind, und wenn Beton fließt, schauen wir auch danach, dass die richtige Betongüte und auch die richtige Qualität eingesetzt werden."

    In Osthofen werden auch die Überwacher überwacht: Berhard Knoop deutet auf eine Gruppe älterer Männer, die wenige Meter entfernt hinter dem Bauzaun an der Baugrube stehen. Das sei die ehrenamtliche Bauüberwachung, sagt Knoop schmunzelnd.

    Horst Schröder und Holger Drewing gehören zu der Rentnergruppe, die sich jeden Tag an der Baugrube trifft und den Fortgang des Geschehens verfolgt:

    "Ja, die können ja keinen Schmu machen, wir passen ja auf. Das glaube ich nicht, dass hier geklaut wird, wir sind in Osthofen, nicht in Köln."

    "Klappt alles, klappt alles."

    "Wir sind ja fast jeden Tag da, morgens, mittags, geguckt, welches Beton reinkommt. Da werden Proben genommen."

    "Und wenn der Beton geliefert wird, haben wir entsprechende Lieferscheine, die der Betonmischerfahrer dabei hat, da wird gecheckt. Aber es gibt zusätzlich noch eine Fremdüberwachung, die von diesem Beton eine Probe nimmt und quasi entsprechende Kontrollen durchführt."

    Die Bauarbeiter, die an diesem Morgen für die baden-württembergische Baufirma Max Früh auf der Baustelle arbeiten, sind nicht sehr gesprächig. Die wenigen Worte, die man ihnen entlocken kann, klingen badisch:

    "Ich komme vom Schwarzwald."

    Über das, was sie im Dienste ihrer Firma Max Früh in Osthofen verdienen, sagen die Bauarbeiter aus dem Schwarzwald nichts. Wir zahlen Tariflöhne, versichert die Geschäftsführung des Familienbetriebes mit Sitz im badischen Achern auf Nachfrage. Als Familienunternehmen mit vielen festen Beschäftigten aus der Region sei man an zufriedenen Mitarbeitern interessiert. Die Tarife lägen in der Regel deutlich über den Mindestlöhnen.

    Das ist im Moment die Ausnahme, in den letzten Jahren wurden auf dem Bau oft Dumpinglöhne weit unter Tarif bezahlt. Seit September 2009 sind 10 Euro 80 der gesetzliche Mindestlohn für die Arbeiten, die in Osthofen gerade gemacht werden. Das sind Arbeiten der sogenannten "Lohngruppe 1" - einfaches Mauern oder Betonieren etwa. Für fachlich anspruchsvollere Arbeiten ist ein Mindestlohn von 12 Euro 75 vorgeschrieben. Löhne, die darunter liegen, sind schlichtweg illegal.

    Die Baufirma äußert sich sehr zufrieden mit der Zahlungsmoral des Landes Rheinland-Pfalz und des Bundes hinsichtlich der Arbeiten auf der Baustelle Osthofen. Die federführende Behörde unter Bernhard Knoop arbeite in dieser Hinsicht vorbildlich, das sei nicht überall so. Lediglich auf das Drittel der Gelder, die vom Mit-Bauherren Bahn AG kommen, müsse man bisweilen länger warten. Die Bahn habe ein sehr kompliziertes Abrechnungswesen, ist aus der Geschäftsleitung der Baufirma zu vernehmen. Bernhard Knoop von der staatlichen Bauaufsicht in Osthofen achtet sehr darauf, dass die Baufirmen das ihnen zustehende Geld des Landes Rheinland-Pfalz auch immer schnell bekommen. Denn auch die Firmen halten sich an Fristen, so Knoop:

    "Wir sind bisher sehr zufrieden mit dem Ablauf der Baustelle, was Termintreue betrifft, auch insbesondere die Qualität der Arbeit."

    Verzögerungen bei den Zahlungen stellen auch eine Gefahr für den Bau selbst dar. Wenn die Arbeiter kein Geld bekommen, weil der Bauherr unpünktlich ist, dann sinken Moral und Treue auf der Baustelle. Dann wird der Weg zum Diebstahl kürzer. Kleinere Baufirmen kommen überdies durch säumige Zahler auch unter öffentlichen Auftraggebern manchmal sehr schnell in Existenznöte.

    Die neue Osthofener Bahnunterführung wird ein Segen für den kleinen Ort nördlich von Worms sein. Bisher war die Bahnschranke täglich rund 16 Stunden geschlossen, da auf der Bahnlinie zwischen Mannheim und Mainz jeden Tag rund 190 Züge passieren. Gut 7000 Autos täglich standen an der Bahnschranke. Rentner Holger Drewing, der jetzt jeden Tag an der Baustelle nach dem Rechten sieht, musste bis zu seiner Pensionierung täglich mehrmals Weinfässer über den Bahnübergang hin- und herfahren:

    "Wissen Sie, ich komme jeden Tag, wenn ich kann, komme ich mit Freude hierher. Ich habe den Übergang 25 Jahre lang beruflich genossen. Unsere Firma hatte einen Teil da und einen anderen Teil da. Da musste ich immer Wein hin- und herfahren. Es war eine Katastrophe, eine Katastrophe."

    Noch mindestens bis Ende 2010 wird in Osthofen gebaut. Natürlich verfolgen auch hier alle das Drama des Kölner U-Bahn-Baus. Der Osthofener Verantwortliche Bernhard Knoop will aber nicht darüber richten.

    "Ich kenne den Kölner Fall auch nur aus der Presse heraus, und ich muss sagen, ich kann mir da kein Urteil erlauben."

    Auch deshalb nicht, weil auch auf seiner Baustelle nie wirklich etwas wirklich sicher ist. Es kommt auf die Leute an - auf die weitere Zahlungsmoral, auf die Stimmung und auf die Kontrollen, ohne die er für gar nichts seine Hand ins Feuer legen würde.

    "Man kann nie was ausschließen. Wir sind sehr gewissenhaft bei der Sache. Wir haben hier eine vernünftige Mannschaft vor Ort. Und ich denke, dass wir hier ein ordentliches Gewerk errichten, da bin ich sehr, sehr optimistisch."