Genau in dieser Periode erlebten wir das Anschwellen der größten finanziellen Spekulationsblase in der Geschichte der USA. Die Wertpapierkurse stiegen explosionsartig an und verloren jeden Zusammenhang mit den zugrundeliegenden Unternehmensgewinnen.
Zwischen 1980 und 1995 stiegen Aktienkurse und Unternehmensgewinne noch im Gleich- schritt. Doch ab 1996 koppelten sich die Kurse von den Gewinnerwartungen der Unternehmen ab und erreichten Anfang 2000 einen historischen Höchstwert: Für an der Nasdaq gelistete High-Tech-Unternehmen waren Anleger bereit, bis zum 400-fachen Wert des geschätzten Unternehmensgewinns hinzublättern. Makroökonomische Gesetze schienen außer Kraft gesetzt zu sein. Zwar brachte Alan Greenspan seine Sorge über den ‚irrationalen Überschwang’ an den Börsen mehrfach zum Ausdruck. Doch der ‚Hoheprister des Geldes' glaubte selbst an die wundersame Aufwärtsspirale aus hohen Aktienkursen, beschleunigter Einführung neuer Produktideen und daraus resultierenden Produktivitätsfortschritten, die wiederum die Gewinne anstiegen ließen und höhere Aktienkurse rechtfertigten. Telekommunikations-, Medien-, und Softwareunternehmen sollte in der neuen Wirtschaftsordnung eine Schlüsselfunktion zukommen. Brenners Fazit:
Der Glaube an das beispiellose Potential der New Economy zur Steigerung der Produktivität sorgte für immer weiter steigende Profiterwartungen, welche dann die Aktienkurse immer mehr nach oben trieben. (...) Niemals zuvor in der Geschichte der USA hatte die Börse eine so direkte und so entscheidende Rolle bei der Finanzierung von nichtfinanziellen Unternehmen übernommen und dadurch das Wachstum von Kapitalausgaben und (...) die reale Wirtschaft kraftvoll vorangetrieben. Zum Verhängnis wurde der 'Neuen Ökonomie' ihre Abhängigkeit von den Kapitalmärkten. Im Frühjahr 2000 kehrte sich der ‚Engelskreislauf’ in einen Teufelskreis um. Aus den hoch-gejubelten 'High-Tech-Werten begann die heiße Luft zu entweichen. Doch kaum ein Marktteilnehmer wollte die Folgen wahrhaben, beobachtet Robert Brenner:
Die Mehrheit der Wirtschaftsanalysten hat nicht erkannt, wie dieselben Mechanismen, mit denen die Börse den Aufschwung vorangetrieben hatten, nun parallel zum Absturz der Börsenkurse nach unten ziehen.
Brenner glaubt sogar, dass die US-Volkswirtschaft wieder in ihren langfristigen Abschwungstrend zurückgefallen ist:
Zwischen 1973 und 1995 lag die Zunahme des Outputs, der Investitionen, der Produktivität und der Löhne um ein bis zwei Drittel niedriger als während der vorangehenden 25 Jahre. (...) Entgegen dem Anschein wurde der lang anhaltende Abschwung auch in den neunziger Jahren nicht durchbrochen. (...) Selbst im Jahr 2000 lag der reale Stundenlohn deutlich unter ihren Höchstsätzen im Jahr 1973, und die Armutsrate lag deutlich höher.
Doch die von Brenner herangezogenen Eckdaten sind keineswegs eindeutig: Sie berücksichtigen nicht, dass Investitionen in Softwareprodukte sowie Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen nur unzureichend in die Berechnung der Produktivität einfließen. So gelangt der führende Produktivitätsökonom, Robert Gordon, der erstmals die Betriebsausgaben für Software in vollem Umfang als Investitionen berücksichtigt, zu einem anderen Ergebnis: Demnach lag das Wachstum der realen Wertschöpfung je Arbeitsstunde in der amerikanischen Volkswirtschaft zwischen 1995 und 1999 mit über zwei Prozent doppelt so hoch wie der durchschnittliche Produktivitätszuwachs zwischen 1972 und 1995.
Zudem werden Investitionen in Hochtechnologien erst mit großer Zeitverzögerung wachstumswirksam. So haben sich die hohen Ausgaben für die Informationstechnologie in den achtziger Jahren erst in den Neunzigern ausgezahlt. Die Produktivitätsfortschritte fielen zwar niedriger als erwartet aus, doch das Beste sollte erst noch kommen. Denn die Kosten der digitalen Verbreitung neuer Ideen tendieren gegen Null.
So hat der Börsencrash auch das Wachstumspotential von Unternehmen mit marktfähigen Produktideen beeinträchtigt. Zahlreiche aussichtsreiche 'start-ups' konnten ihre in der Boomphase erzeugten Überkapazitäten nicht schnell genug abbauen. Banken, die zuvor für neue Internetvisionen fast jeden Betrag zur Verfügung stellten, verweigerten nun die Verlängerung von Kreditlinien. Kredite platzten - viele dotcoms mussten aufgeben. So wurde ein erheblicher Teil der zuvor erzielten Produktivitätsfortschritte wieder aufgezehrt. Panik ergriff die Märkte - die Kurse fielen ins Bodenlose.
Nur Dank massiver Zinssenkungen der Federal Reserve konnte der Absturz der Weltwirtschaft verhindert werden. Allerdings ist die Gefahr einer weiteren Abwertungswelle noch nicht vorüber, führt Brenner aus:
Alles in allem bleibt die US-Volkswirtschaft ausgesprochen anfällig für eine sich selbst verstärkende weltweite Rezession in der realen Wirtschaft, die dann wiederum zu einer finanziellen Explosion führen könnte.
Bisher hat sich Brenners Szenario nicht bestätigt. Die Aktienkurse haben sich sogar wie- der von ihren Tiefstständen erholt. Besorgniserregend ist, dass amerikanische Aktien noch immer dreimal so hoch bewertet sind, als in den frühen achtziger Jahren. Gleichzeitig verlangsamt sich der Anstieg der Konsumentenpreise. Die Weltwirtschaft stagniert. Anleger fürchten das Schreckgespenst Deflation. Investitionen werden aufgeschoben und liquide Mittel zu Niedrigstzinsen geparkt. Eine Situation, die Japans Volkswirtschaft seit den frühen Neunzigern lähmt.
Zwar gibt es derzeit weder in den USA noch im Euroraum Anzeichen für eine Abwärtsspirale aus sinkender Nachfrage und fallenden Preisen. Doch allein die Kaufzurückhaltung von Konsumenten und Investoren verstärkt die Deflationstendenzen. Die US-Notenbank begegnet Deflationsgefahren und Konjunkturschwäche wie in den achtziger Jahren mit einer Politik des billigen Dollars. Zum Nachteil für die exportorientierten Unternehmen Europas. Deren Wettbewerbssituation verschlechtert sich durch die Abwertung des 'Greenbacks'. So ist die Europäische Zentralbank im Zugzwang, die Zinsen ebenfalls zu senken. Doch ein Abwertungswettlauf zwischen Euro und Dollar würde katastrophale Folgen für die Weltwirtschaft haben. Die Fehler der dreißiger Jahre drohen sich zu wiederholen.
Zwischen 1980 und 1995 stiegen Aktienkurse und Unternehmensgewinne noch im Gleich- schritt. Doch ab 1996 koppelten sich die Kurse von den Gewinnerwartungen der Unternehmen ab und erreichten Anfang 2000 einen historischen Höchstwert: Für an der Nasdaq gelistete High-Tech-Unternehmen waren Anleger bereit, bis zum 400-fachen Wert des geschätzten Unternehmensgewinns hinzublättern. Makroökonomische Gesetze schienen außer Kraft gesetzt zu sein. Zwar brachte Alan Greenspan seine Sorge über den ‚irrationalen Überschwang’ an den Börsen mehrfach zum Ausdruck. Doch der ‚Hoheprister des Geldes' glaubte selbst an die wundersame Aufwärtsspirale aus hohen Aktienkursen, beschleunigter Einführung neuer Produktideen und daraus resultierenden Produktivitätsfortschritten, die wiederum die Gewinne anstiegen ließen und höhere Aktienkurse rechtfertigten. Telekommunikations-, Medien-, und Softwareunternehmen sollte in der neuen Wirtschaftsordnung eine Schlüsselfunktion zukommen. Brenners Fazit:
Der Glaube an das beispiellose Potential der New Economy zur Steigerung der Produktivität sorgte für immer weiter steigende Profiterwartungen, welche dann die Aktienkurse immer mehr nach oben trieben. (...) Niemals zuvor in der Geschichte der USA hatte die Börse eine so direkte und so entscheidende Rolle bei der Finanzierung von nichtfinanziellen Unternehmen übernommen und dadurch das Wachstum von Kapitalausgaben und (...) die reale Wirtschaft kraftvoll vorangetrieben. Zum Verhängnis wurde der 'Neuen Ökonomie' ihre Abhängigkeit von den Kapitalmärkten. Im Frühjahr 2000 kehrte sich der ‚Engelskreislauf’ in einen Teufelskreis um. Aus den hoch-gejubelten 'High-Tech-Werten begann die heiße Luft zu entweichen. Doch kaum ein Marktteilnehmer wollte die Folgen wahrhaben, beobachtet Robert Brenner:
Die Mehrheit der Wirtschaftsanalysten hat nicht erkannt, wie dieselben Mechanismen, mit denen die Börse den Aufschwung vorangetrieben hatten, nun parallel zum Absturz der Börsenkurse nach unten ziehen.
Brenner glaubt sogar, dass die US-Volkswirtschaft wieder in ihren langfristigen Abschwungstrend zurückgefallen ist:
Zwischen 1973 und 1995 lag die Zunahme des Outputs, der Investitionen, der Produktivität und der Löhne um ein bis zwei Drittel niedriger als während der vorangehenden 25 Jahre. (...) Entgegen dem Anschein wurde der lang anhaltende Abschwung auch in den neunziger Jahren nicht durchbrochen. (...) Selbst im Jahr 2000 lag der reale Stundenlohn deutlich unter ihren Höchstsätzen im Jahr 1973, und die Armutsrate lag deutlich höher.
Doch die von Brenner herangezogenen Eckdaten sind keineswegs eindeutig: Sie berücksichtigen nicht, dass Investitionen in Softwareprodukte sowie Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen nur unzureichend in die Berechnung der Produktivität einfließen. So gelangt der führende Produktivitätsökonom, Robert Gordon, der erstmals die Betriebsausgaben für Software in vollem Umfang als Investitionen berücksichtigt, zu einem anderen Ergebnis: Demnach lag das Wachstum der realen Wertschöpfung je Arbeitsstunde in der amerikanischen Volkswirtschaft zwischen 1995 und 1999 mit über zwei Prozent doppelt so hoch wie der durchschnittliche Produktivitätszuwachs zwischen 1972 und 1995.
Zudem werden Investitionen in Hochtechnologien erst mit großer Zeitverzögerung wachstumswirksam. So haben sich die hohen Ausgaben für die Informationstechnologie in den achtziger Jahren erst in den Neunzigern ausgezahlt. Die Produktivitätsfortschritte fielen zwar niedriger als erwartet aus, doch das Beste sollte erst noch kommen. Denn die Kosten der digitalen Verbreitung neuer Ideen tendieren gegen Null.
So hat der Börsencrash auch das Wachstumspotential von Unternehmen mit marktfähigen Produktideen beeinträchtigt. Zahlreiche aussichtsreiche 'start-ups' konnten ihre in der Boomphase erzeugten Überkapazitäten nicht schnell genug abbauen. Banken, die zuvor für neue Internetvisionen fast jeden Betrag zur Verfügung stellten, verweigerten nun die Verlängerung von Kreditlinien. Kredite platzten - viele dotcoms mussten aufgeben. So wurde ein erheblicher Teil der zuvor erzielten Produktivitätsfortschritte wieder aufgezehrt. Panik ergriff die Märkte - die Kurse fielen ins Bodenlose.
Nur Dank massiver Zinssenkungen der Federal Reserve konnte der Absturz der Weltwirtschaft verhindert werden. Allerdings ist die Gefahr einer weiteren Abwertungswelle noch nicht vorüber, führt Brenner aus:
Alles in allem bleibt die US-Volkswirtschaft ausgesprochen anfällig für eine sich selbst verstärkende weltweite Rezession in der realen Wirtschaft, die dann wiederum zu einer finanziellen Explosion führen könnte.
Bisher hat sich Brenners Szenario nicht bestätigt. Die Aktienkurse haben sich sogar wie- der von ihren Tiefstständen erholt. Besorgniserregend ist, dass amerikanische Aktien noch immer dreimal so hoch bewertet sind, als in den frühen achtziger Jahren. Gleichzeitig verlangsamt sich der Anstieg der Konsumentenpreise. Die Weltwirtschaft stagniert. Anleger fürchten das Schreckgespenst Deflation. Investitionen werden aufgeschoben und liquide Mittel zu Niedrigstzinsen geparkt. Eine Situation, die Japans Volkswirtschaft seit den frühen Neunzigern lähmt.
Zwar gibt es derzeit weder in den USA noch im Euroraum Anzeichen für eine Abwärtsspirale aus sinkender Nachfrage und fallenden Preisen. Doch allein die Kaufzurückhaltung von Konsumenten und Investoren verstärkt die Deflationstendenzen. Die US-Notenbank begegnet Deflationsgefahren und Konjunkturschwäche wie in den achtziger Jahren mit einer Politik des billigen Dollars. Zum Nachteil für die exportorientierten Unternehmen Europas. Deren Wettbewerbssituation verschlechtert sich durch die Abwertung des 'Greenbacks'. So ist die Europäische Zentralbank im Zugzwang, die Zinsen ebenfalls zu senken. Doch ein Abwertungswettlauf zwischen Euro und Dollar würde katastrophale Folgen für die Weltwirtschaft haben. Die Fehler der dreißiger Jahre drohen sich zu wiederholen.